RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 18.04.07

WETTERKONTROLLE

Chinesen lassen Schnee auf

Tibet fallen

Früher haben die Sowjets

Regenwolken gemolken, um ihre Paraden trocken zu halten. Jetzt experimentieren

chinesische Meteorologen mit künstlichem Schnee: Über Tibet zwangen

sie Wolken zum Niederschlag – der Umwelt zuliebe. Denn die Himalaja-Gletscher

schmelzen, Dürre droht.

Peking – Zum ersten Mal ist

auf die höchste Hochebene der Welt Schnee gefallen, der den Wolken

von Menschen entlockt worden ist. Das zumindest berichtet die chinesische

Nachrichtenagentur Xinhua: Eine meteorologische Station in Nordtibet habe

eine “erfolgreiche künstliche Schneefall-Operation” durchgeführt.

“Das beweist, dass es hier

durch menschliche Anstrengung möglich ist, das Wetter zu verändern”,

sagte Yu Zhongshui, ein Ingenieur der Station. Nach dem künstlichen

Flockenfall hätten die Meteorologen am Boden einen Zentimeter Neuschnee

gemessen.

“Solchen künstlichen

Niederschlag auszulösen, kann uns dabei helfen, in der Steppe Nordtibets

Dürren zu vermeiden”, sagte Yu. Forscher warnen davor, dass steigende

Temperaturen auf dem Hochplateau die Gletscher schmelzen lassen. In der

Konsequenz würden chinesische Flüsse austrocknen, was zu Dürren,

Sandstürmen und Verwüstung führen könnte.

Wie genau die Flocken den

Wolken entlockt worden sind, wurde nicht berichtet. Bereits vor Jahrzehnten

aber hatten sowjetische Meteorologen Regenfälle erzwungen, indem sie

Kondensationskeime in Wolken mit hohem Wassergehalt gestreut haben. Das

diente unter anderem dazu, die Feierlichkeiten zum ersten Mai und Militärparaden

am Jahrestag der Oktoberrevolution auf dem Roten Platz in Moskau trocken

und sonnig zu halten.

Anfang Mai 2006 hatten chinesische

Wissenschaftler berichtet, dass Tibets Gletscher rapide schmelzen. Unter

Berufung auf die Auswertung der Daten von 681 Wetterstationen berichtete

Xinhua im vergangenen Jahr, dass die Eisschilde um sieben Prozent pro Jahr

schrumpfen. Die Durchschnittstemperaturen in Tibet seien seit den achtziger

Jahren um 0,9 Grad gestiegen.

Umwelt, Wirtschaft und Wintersportlern

fehlt der Schnee

Schneefall ist die Nahrung

von Gletschern: Durch immer neue Schneeschichten, die unter großem

Druck langsam zu Eis werden, gewinnen Gletscher an Volumen. Das ist besonders

in Jahren starker Schmelze wichtig. Im gesamten Himalaja füllen sich

derzeit die Schmelzwasserseen – und bedrohen die tiefer in den Tälern

lebenden Menschen.

China leidet außerdem

unter den ganz profanen Folgen des Schneemangels: Ende Januar mussten die

“Asian Winter Games” – Wintersportwettkämpfe für Athleten aus

ganz Asien – überwiegend auf Kunstschnee stattfinden. Der Kunstschnee

aus Schneekanonen hatte einen Anteil von zwei Dritteln der gesamten Bedeckung,

sagte der Manager des Skigebiets Beidahu der Nachrichtenagentur Xinhua.

260.000 Kubikmeter Schnee

waren demnach seit Ende November angesammelt und kurz vor Beginn der Wettkämpfe

auf den grünen Pisten und Loipen verteilt worden. Das US-Magazin “Time”

beobachtete die Chinesen in der misslichen Situation, die auch vielen Europäern

aus den Alpen bekannt vorkommen dürfte, und kommentierte trocken:

Pulver fürs Volk – “Powder to the People”.

 

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