RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Süddeutsche

online 04.05.07

Zur Lage der Erde

Die Welt der Monsterstädte

Die Menschen suchen Wohlstand

und ziehen in die Städte – 50 Millionen jährlich. Was sie finden,

sind Armut, Gewalt und wachsende Umweltprobleme, berichtet das Worldwatch

Institute.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Geht es um die Zukunft der

Städte, geht es auch um die Zukunft der Menschheit. Schon heute leben

drei Milliarden Menschen in urbanen Räumen, offenbart der Bericht

Zur Lage der Welt 2007, der vom Worldwatch Institute herausgegeben wird.

Erstmals in der Geschichte

leben damit mehr Menschen in städtischen Ballungsgebieten als auf

dem Land. Die Welt ist ein „Planet der Städte“. So ist der Bericht

überschrieben, dessen deutsche Ausgabe heute in Berlin präsentiert

wurde.

Und die Städte wachsen

rasant. Bis 2050 werden sechs Milliarden Menschen oder zwei Drittel der

Weltbevölkerung in Städten leben.

Als Beispiel für das

Wachstum nannte die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann

São Paulo mit seinen über elf Millionen Einwohnern. Jedes Jahr

kommen dort 500.000 Einwohner hinzu.

Das schafft Probleme, die

sich in unseren Breitengraden niemand vorzustellen vermag. Dieckmann im

Interview mit sueddeutsche.de: „Ich kann Ihnen sagen, ich weiß nicht,

wie ich das als deutsche Oberbürgermeisterin organisieren sollte.“

Auf der Erde gibt es bereits 20 solcher Megacitys.

Die meisten der Menschen,

die es vom Land in die Städte zieht, suchen Wohlstand, ein besseres

Leben. Sie landen in den Slums, die die Städte wie Gürtel der

Armut umgeben.

Das bedeutet: keine Kanalisation,

selten fließendes, geschweige denn genießbares Wasser, Kriminalität,

Gewalt. In diesen Städten sterben jedes Jahr 1,6 Millionen Menschen

allein an mangelnder Hygiene.

Anna Tibaijuka, Geschäftsführende

Direktorin von UN-Habitat, hat das Vorwort zu dem Bericht geschrieben.

Darin berichtet sie, sie habe in den Slums „junge Frauen getroffen, die

auf dem Weg zur nächsten öffentlichen Toilette vergewaltigt worden

waren, einer Toilette, die sich mehr als 500 Menschen teilten“.

Die Menschen lassen sich

nicht abschrecken

Die Menschen lassen sich

davon nicht abschrecken. Die Städte wachsen weiter. Jedes Jahr kommen

50 Millionen neue Stadtbewohner hinzu. „Was sich in Europa in 500 Jahren

entwickelt hat, erleben diese Städte in 50 Jahren“, sagt Gunter Hilliges,

der die deutsche Ausgabe des Berichtes betreut hat. „Das können die

Städte gar nicht leisten.“

Die Probleme sind vielfältig.

Neben der Wasserfrage, der Hygiene und der Armut spielt auch die Versorgung

der Städte eine immer größere Rolle. Solange die Menschen

auf dem Land leben, versorgen sie sich praktisch selbst mit Nahrungsmitteln.

Ziehen sie in die Städte, müssen sie versorgt werden.

Das zieht einen enormen Flächenverbrauch

nach sich. Heute nutzt die Menschheit etwas knapp zwei Prozent der Erdoberfläche.

In wenigen Jahrzehnten wird sich der Wert verdoppelt haben.

Andererseits sind die Städte

die größten Motoren der Zivilisation. In den entwickelten Ländern

werden heute 80 Prozent der Wertschöpfung in Ballungsgebieten erbracht.

Im Großraum Washington/ New York etwa werden jedes Jahr 2,3 Billionen

Dollar erwirtschaftet. Die Region ist für sich gesehen die viertgrößte

Wirtschaftsmacht der Erde.

Ähnlich sieht es in

Brasilien aus. In Sao Paulo leben nur zehn Prozent der Brasilianer. Aber

sie erbringen die Hälfte des brasilianischen Haushaltes.

Gleichzeitig werden 80 Prozent

aller Ressourcen in den Städten verbraucht. Ohne eine ökologische

Wende, werden die Probleme deshalb kaum gemeistert werden können.

Der grüne Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon erklärte:

“Wenn die Städte die Wende zur Nachhaltigkeit nicht schaffen, dann

schafft es niemand.”

Ein weitere Gefahr für

die Städte ist der Klimawandel. Mitautorin Molly O’Meara Sheehan sagte,

von den 33 Städten, die im Jahr 2015 mindestens acht Millionen Einwohner

haben werden, seien 21 durch ihre Küstenlage von einem Anstieg des

Meeresspiegels bedroht.

So groß werden die

Städte in Deutschland nicht werden. Aber ein höherer Meerespiegel

wird auch für Hamburg und Kiel nicht ohne Folgen bleiben.

Die deutsche Ausgabe der

Studie wird von der Heinrich-Böll-Stiftung und der Organisation Germanwatch

mitherausgegeben.

 

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