RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 03.07.07

ENERGIEGIPFEL

Merkel baut auf Atom-Comeback

ab 2009

Von Severin Weiland

Kanzlerin Merkel meldet sich

in der Innenpolitik zurück. Mit den Gipfel-Erfolgen im Rücken

führt sie bei der Energiekonferenz im Kanzleramt selbstbewusst den

Koalitionspartner SPD vor – und legt sich den Abschied vom Atomausstieg

schon mal als Wahlkampfthema zurecht.

Berlin – Außenpolitisch

hat sie viel Lob bekommen in letzter Zeit. Erst der G-8-Gipfel von Heiligendamm,

dann das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs – “Bild” kürte

Angela Merkel in boulevardesker Übertreibung zur “Miss World”.

Jetzt ist die Kanzlerin zurück

in der profanen Innenpolitik. Sie sitzt im Infosaal des Kanzleramtes, neben

sich die Minister Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier (beide SPD),

Michael Glos (CSU) und Annette Schavan (CDU). Letztere halten sich zurück.

Es ist Merkels Auftritt – und der von Gabriel.

Gerade hat die Kanzlerin

die Ergebnisse des Energiegipfels mit der Wirtschaft, den Energieerzeugern

und Verbraucherschützern referiert, die “sachliche Atmosphäre”

gelobt. Da wird der Umweltminister von einem Journalisten an seinen Ausspruch

vom “Wirtschaftsstalinisten” erinnert, mit dem er jüngst den BASF-Vorstandschef

Jürgen Hambrecht belegt hat im Streit um die ehrgeizigen Ziele der

deutschen Klimapolitik. Wie haben denn seine Beiträge in der Runde

für eine sachliche Atmosphäre ausgesehen? Gabriel überlegt,

aber die Kanzlerin ist schneller.

“Wenn ich in der Nähe

bin, dann ist es einfach sachlich”, sagt Merkel. Heiterkeit im Saal.

Es entsteht eine kleine Pause,

dann kontert Gabriel: Glos und er hätten ja auch nicht zusammen gesessen.

Wieder lachen die Journalisten. Der Umwelt- und der Wirtschaftsminister

beharken sich oft und gerne. Merkel daraufhin blitzschnell: “Wie gesagt,

ich war ja in der Nähe.”

Der Schlagabtausch mit Punktsieg

für Merkel erinnert an einen Augenblick während des Gipfeltreffens

in Heiligendamm, als sie nach einer Pressekonferenz den versammelten Medienvertretern

scherzend sagte: “Ich bin ja Chefin, ich muss ja dann wieder leiten.” Die

Szene im Kanzleramt illustriert: Merkel ist im Zwischenhoch. Die Umfragen

sind für die Union passabel, für sie selbst bestens. Die meisten

Medien sind ihr wohlgesonnen, die Wirtschaft ist im stabilen Hoch.

Gute Zeiten für die

Kanzlerin, um in die Sommerpause zu gehen.

Die Kanzlerin kann selbst

den Energiegipfel als Teilerfolg verbuchen, obwohl er keinerlei konkrete

Ergebnisse brachte. Vereinbart wurde: Glos und Gabriel sollen sich bis

zur Koalitionsklausur in Meseberg im August auf Eckpunkte für ein

Klima- und Energieprogramm einigen. Im Abschlussdokument finden sich drei

Energieszenarien bis 2020:

    * eines

auf Basis des Koalitionsvertrags, dem zufolge nicht mehr am Atomausstieg

gerüttelt werden soll,

    * eines

auf Grundlage des verstärkten Ausbaus regenerativer Energien und

    * schließlich

eines, das gegenüber dem Koalitionsvertrag eine Verlängerung

der Laufzeiten der Atomkraftwerke in Deutschland um 20 Jahre vorsieht.

Im Ergebnis lassen die Modellrechnungen

vor allem einen Schluss zu: Die Atomkraft müsste beibehalten werden

(mehr…). Merkel kostet es subtil aus, über diese Szenarien zu reden.

Mit den drei Modellen bekomme man “ein Gefühl” für die “Wirkungen,

die sich daraus ergeben”, sagt sie.

Gabriel interpretiert die

Zahlen zur Atomkraft anders

Im Kanzleramt lässt

sich erahnen, dass das Thema Atomkraft im Wahlkampf 2009 wieder eine Rolle

spielen wird. Schon 2005 hatte sich die Union damit von Rot-Grün abgegrenzt.

Merkel sagt, bis 2009 sei

keine Entscheidung “absehbar”, die einer Änderung des Koalitionsvertrags

gleichkäme. Das habe sie den Vertretern der Wirtschaft erklärt.

Im Klartext: Die Differenzen zur Atomkraft bleiben. Sie werden auch gleich

im Kanzleramt ausgetragen.

 

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