RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 11.06.07

WELTWEITE ABHOLZUNG

Waldraub stillt Chinas

Holzgier

Eine Waldfläche von

der Größe Griechenlands verschwindet jährlich von der Erdoberfläche:

Legaler Einschlag, spottbillig erschlichene Konzessionen und schlichter

Holzklau verschwimmen dabei. Forscher beobachten den Kahlschlag hilflos

aus dem All – und Umweltschützer prangern China an.

“Mir fehlen die Worte, um

zu beschreiben, was hier vor sich geht”, sagte Richard Greine, ein Provinzförster

im Ngambe-Tikar-Urwald im zentralafrikanischen Kamerun. “Sowohl illegale

als auch berechtigte Ausbeuter haben einen regelrechten Überfall auf

den Wald gestartet.” Die Korrespondentin der Nachrichtenagentur Reuters

berichtet von einem Besuch in Ngambe-Tikar: Parkplatz-große Lichtungen,

auf denen Baumstämme in den Dimensionen von Autobussen liegen, zerreißen

das grüne Dach des tropischen Regenwaldes.

In der aktuellen Ausgabe

der Wissenschaftszeitschrift “Science” haben Forscher um Nadine Laporte

vom Woods Hole Research Center denselben Vorgang aus der Draufsicht beschrieben:

Auf über 300 Fotos des Satelliten “Landsat” verfolgten sie den Zustand

des Waldes auf vier Millionen Quadratkilometern im Becken des Kongo. Ihr

Bericht “Ausweitung der industriellen Abholzung in Zentralafrika” schildert,

wie dieser Raub am Urwald in den 30 Jahren von 1973 bis 2003 vonstatten

ging.

Besonderes Augenmerk widmeten

die Forscher dabei der Ausbreitung des Straßen-, Wege- und Pistennetzes

durch den Urwald: Wenigstens grobe Trassen sind nötig, damit die riesigen

Bäume überhaupt abtransportiert werden können. Denn die

Holzfäller suchen selektiv nach besonders großen Exemplaren

begehrter Holzsorten, etwa Mahagoni, so die Forscher. “Wir gehen davon

aus, dass rund fünf Prozent der gesamten Waldfläche dadurch gestört

sind und auf weiteren 29 Prozent größerer Druck durch Jäger

lastet”, schrieb Laporte. Denn die Wege der Holzfäller dienen auch

Wilderern als Einfallstor, die immer weiter in ehemals unberührte

Gebiete eindringen.

Pierre, ein Jäger aus

Kamerun, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, früher seien wilde

Tiere bis in die Dörfer gekommen. “Heute sieht man gar keine mehr.

Sie gehen uns nicht mehr in die Falle”, sagte er. “Man muss schon sehr

tief in den Wald gehen, um eines zu sehen oder gar zu fangen.”

Die Trassen, die sich – teilweise

öffentlich, teilweise privat, oft jedenfalls illegal – durch das Kongobecken

zögen, seien der zentrale Faktor, um die Bedrohung des einzigartigen

Ökosystems zu verstehen, folgern Laporte und ihre Team. Der Holzeinschlag

im Kongo-Bassin sei “völlig außer Kontrolle”, hatte die Umweltschutzorganisation

Greenpeace im April beklagt. Die Aktivisten hatten beklagt, dass ausländische

Firmen – überwiegend aus Deutschland, Portugal, Belgien, Singapur

und den USA – sich nach dem Auslaufen eines Moratoriums im Jahr 2002 um

neue Konzessionen in der Demokratischen Republik Kongo bemüht haben.

Oft sei die Erlaubnis zum Holzeinschlag im Wert von Abertausenden Euro

örtlichen Stammesführern für ein Trinkgeld abgekauft worden.

Von Zentralafrika über

das Amazonasbecken bis in die Inselwelt Indonesiens verlieren die Wälder

der Welt nach Schätzungen der Vereinten Nationen rund 13 Millionen

Hektar im Jahr – netto, trotz der intensiven Aufforstungsbemühungen

in anderen Teilen des Planeten. Eine Waldfläche so groß wie

Griechenland geht damit jährlich verloren, und mit ihr unberührte

Ökosysteme und biologische Vielfalt. Zwischen 1990 und 2005 seien

drei Prozent der Waldfläche der Erde verschwunden, eine Waldfläche

von mehr als der dreifachen Größe Deutschlands, meldete die

Welternährungsorganisation FAO im März (mehr…). Die Abholzung

tropischer Wälder schadet der weltweiten CO2-Bilanz enorm. Die Erhaltung

des Grüns gilt daher als wichtige Klimaschutzmaßnahme.

Doch die weltweite Holz-Konjunktur

verstärkt den rasanten Raubbau: Besonders in China ist der Holzhunger

kaum zu stillen. Das Land ist zum führenden Exporteur von Möbeln,

Sperrholz und Fußbodenbelägen geworden. Der Rohstoff dafür

wird importiert, nachdem Jahrhunderte der Nachfrage die chinesischen Wälder

arg gebeutelt haben. Zudem hat die Pekinger Regierung in den neunziger

Jahren nach verheerenden Überschwemmungen am Jangtze-Fluss versucht,

den Einschlag in den vielen der noch bestehenden Wäldern zu stoppen.

Mit einem ehrgeizigen Aufforstungsprogramm

trägt das Land netto sogar zum Wachstum der Waldfläche in Ostasien

bei. Doch mit ihrer erstarkenden Wirtschaftskraft treten die Chinesen etwa

in Brasilien nicht nur als Holzkäufer, sondern auch als Nachfrager

für Eisenerz, Bauxit und besonders Soja auf – alles Faktoren, die

zum Verlust von tropischem Regenwald führen. Rund ein Fünftel

des Amazonasregenwaldes wurde bereits zerstört.

In Indonesien ist das Problem

noch akuter. Nach Uno-Schätzungen wird das Land in 15 Jahren nahezu

waldlos sein: Bis 2022 werde Indonesien 98 Prozent seiner noch vorhandenen

Wälder einbüßen, wenn keine drastischen Gegenmaßnahmen

eingeleitet würden. Rhinozeros, Tiger und Orangutan seien bedroht,

wenn der Wald weiter schrumpfe.

Illegaler Holzschlag in 37

von 41 Nationalparks – das Geschäft wimmelt vor legalen Firmen, illegalen

Fällkommandos, Militär und privaten Söldnern

“Bei diesem Tempo werden

bis zum Jahr 2012 die Wälder Sumatras, Borneos und Sulawesis verschwunden

und nur die Wälder von Papua noch übrig sein”, sagte der indonesische

Umweltaktivist Rully Sumada zu Reuters. Wie schwer jedoch ein Schutz zu

verwirklichen ist, zeigt die gegenwärtig stattfindende Konferenz des

Uno-Umweltprogramms (Unep) im niederländsichen Den Haag. Ein am heutigen

Montag veröffentlicher Unep-Bericht resümmiert: “Satellitenbilder

und Daten der indonesischen Regierung zeigen uns, dass in 37 von 41 Nationalparks

illegal Holz geschlagen wird.”

“Mit diesem Problem darf

Indonesien nicht alleine gelassen werden”, sagte Unep-Chef Achim Steiner.

Doch die Bemühungen, weitere tropische Baumsorten unter Schutz zu

stellen – und so deren Handel wenigstens einzuschränken – waren in

den Niederlanden fast erfolglos. Rotholz war die einzige Spezies, die in

den strengeren Anhang II der Convention on International Trade in Endangered

Species of Wild Faune and Flora (Cites) aufgenommen wurde. Daraus werden

unter anderem Violinenbögen hergestellt. Der Versuch, weitere Bäume

besser zu schützen, scheiterte am Widerstand mehrer Regierungen.

Wie eng die Verbindung zwischen

Regierungen, legalen Firmen, illegalen Fällkommandos, Militär

und privaten Söldnern ist, hatte erst kürzlich die britische

Umweltschutzorganisation Global Witness angeprangert: Am Beispiel des südostasiatischen

Kambodscha zeigte sie, wie eine kleptokratische Elite die natürlichen

Ressourcen des Tropenwald-reichen Landes plündert. (mehr…)

Nur auf den schier endlosen

Holzhunger Pekings zu verweisen, ist indes arg verkürzt: Nach den

Chinesen sind beispielsweise die USA und die EU der zweit- und drittwichtigste

Abnehmer für Holz aus Indonesien. Und Bodenbeläge, Massenmöbel

und Mahagonikitsch aus chinesischer Produktion findet ebenso seinen Weg

auf westliche Märkte.

Waldschutz-Experten plädieren

für einen Ausbau von Kontroll- und Zertifikatsystemen. Das Netz aus

legalen und illegalen Fällkommandos, Konzessionsnehmern, Zwischenhändlern,

Brokern und Verwertern sei unglaublich unübersichtlich. “Wir ermutigen

Käufer, jeden bis zum Beweis des Gegenteils für schuldig zu halten”,

sagte Scott Poynton von der Waldschutzorganisation Tropical Forest Trust

(TFT) aus Genf in der Schweiz. China sei in diesem Netzwerk ein Riesenproblem,

weil es illegales Holz aus der ganze Welt aufkaufe, verarbeite und wieder

exportiere – eine Art globale Holzwäsche.

 

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