RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 08.07.07

KLIMA-PLAN

Costa Rica erklärt

der Natur den Frieden

Aus San José berichtet

Torge Löding

Costa Ricas Präsident

Oscar Arias will der Umweltzerstörung ein radikales Ende setzen –

und die ganze Welt auf seinem Weg mitnehmen. Der Friedensnobelpreisträger

hat ein Vier-Punkte-Programm vorgestellt, das unter anderem die vollständige

Einstellung des CO2-Ausstoßes vorsieht.

“Unsere Zeit ist fast abgelaufen,

aber noch haben wir Optionen”- gewohnt wortgewaltig stellte Oscar Sanchez

Arias, Friedensnobelpreisträger und Präsident Costa Ricas, im

Nationaltheater der Hauptstadt San José seine Ideen zur Rettung

der Welt vor. “Frieden mit der Natur” heißt seine Agenda, und sie

beinhaltet ein internationales Maßnahmenpaket um vier zentrale Forderungen,

das der Staatschef mit den Vereinten Nationen durchsetzen möchte.

    * Von

Mario Molina, dem mexikanischen Chemie-Nobelpreisträger von 1995,

übernimmt Arias die Idee einer Initiative für einen weltweiten

Kanon. Das langfristige Ziel: nichts weniger als die vollständige

Einstellung jedes Kohlendioxid-Ausstoßes der Menschheit.

    * Auf

dem Weg dahin möchte Arias eine Allianz der CO2-neutralen Staaten

schmieden.

    * Das

dritte Anliegen ist der Aufbau eines globalen Systems, das den Schutz des

Primärwaldes honoriert und nicht nur die im Kyoto-Protokoll vorgesehenen

Wiederaufforstungsprojekte. “Länder wie Brasilien, Papua-Neuguinea

und Costa Rica müssen dafür belohnt werden, wenn sie den Urwald

schützen”, sagte Arias.

    * Die

vierte Säule der präsidialen Weltagenda ist eine internationale

Initiative zum Schuldenerlass für Umweltschutz in der Dritten Welt.

International bekannt wurde

Arias durch seine Friedensinitiative im bürgerkriegsgeschüttelten

Zentralamerika der achtziger Jahre, für die er 1987 den Friedensnobelpreis

bekam. Nun scheint ihm die Region nicht mehr genug, er möchte Frieden

mit der Natur auf der ganzen Welt. Die Grundlage für die “Initiative

Frieden mit der Natur” legte ein im Dezember verabschiedetes Gesetz. Seit

einem halben Jahr tüfteln Wissenschaftler und Spezialisten hinter

verschlossenen Türen in zwölf thematischen Arbeitsgruppen (darunter

Klimawandel, Tourismus und Umgang mit gefährlichen Substanzen) an

der Agenda.

“Industrieländer haben

keine Pesete bezahlt”

Arias verurteilt den Irak-Krieg,

ansonsten gilt er als treuer Verbündeter der USA. Dennoch ballt er

die Faust, wenn er konstatiert: “Die Welt ist zu egoistisch. Die reichen

Staaten, die die größten Umweltverschmutzer sind, stellen keinen

Fonds zur Erhaltung der Natur bereit.” Dabei hätten gerade die Industrienationen

eine Schuld zu begleichen: “Für die Umweltverschmutzung in ihrer eigenen

Entwicklungsphase haben sie keine Pesete bezahlt.”

Doch auch die Entwicklungsländer

besitzen etwas Wertvolles, betont Arias: die Wälder, insbesondere

die Regenwälder Lateinamerikas, die Lunge der Welt. Beim verantwortungsvollen

Umgang mit der natürlichen Ressource ist das kleine Costa Rica schon

heute ein Musterschüler. Folge des globalen Heißhungers auf

Fleischklopse war auch hierzulande eine massive Abholzung der Regenwälder

für die Rinderzucht. Waren 1950 noch 72 Prozent des Landes mit Wäldern

bedeckt, so zählte man 1987 gerade noch 21 Prozent.

Scharfe Kehrtwende war erfolgreich

Dann steuerte das jetzt als

Ökotourismusparadies bekannte Costa Rica um. Mit Erfolg: Heute sind

mehr als die Hälfte des Landes wieder bewaldet, ein Viertel der Fläche

steht unter Naturschutz. Costa Rica finanziert diese Naturparks zum Teil

über eine 3,5-Prozent-Ökosteuer auf Benzin, ist internationaler

Vorreiter beim Emissionshandel im Geiste des Kyoto-Protokolls und möchte

bis 2021 als erster Staat weltweit CO2-neutral sein (mehr…). Heute schon

gewinnt das öffentliche Energieinstitut ICE 78 Prozent der nötigen

Elektrizität aus Wasserkraft und weitere 18 Prozent aus Erdwärme.

Doch ausgerechnet die Umweltschützer

blieben der “Frieden mit der Natur”-Zeremonie symbolisch fern. Arias ist

ihnen ein rotes Tuch. “Viel Rauch um nichts”, nennt Grace Garcia, Sprecherin

von “Amigos de la Tierra” (Freunde der Erde) die Initiative. Arias kümmere

sich eher um seine künftige Berufung in ein hohes Amt bei den Vereinten

Nationen. “Es ist widersprüchlich, wenn er Umweltschutz verspricht

und diese Initiative finanziert, aber die Nationalparks gleichzeitig aufgrund

fehlender Mittel nicht einmal die Parkwächter bezahlen können.”

Ausverkauf an den natürlichen

Ressourcen wittern Garcia und ihre Mitstreiter durch das Cafta-DR-Freihandelsabkommen

zwischen Mittelamerika, den USA und der Dominikanischen Republik. Cafta-Befürworter

Oscar Sanchez Arias hat seine politische Zukunft mit der nur in Costa Rica

ausstehenden Ratifizierung des Abkommens verknüpft. Das letzte Wort

soll das Volk bei einem Referendum am 7. Oktober haben.

Es steht zu erwarten, dass

Arias sich einmal mehr durchsetzt. Der Friedensnobelpreisträger ist

bekannt dafür, dass er bekommt, was er will: 2005 ließ er sogar

die Verfassung ändern, damit er bei den Präsidentschaftswahlen

im darauffolgenden Jahr antreten durfte.

 

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