RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Süddeutsche

online 13.09.07

Klimawandel an der Adria

“Unser Meer kennt keinen

Winter mehr”

Der Wind kühlt nicht

mehr genug, die Nord-Süd-Strömung setzt aus. Die Adria leidet

zunehmend unter der Erderwärmung.

Die Adria, Urlaubsparadies

für Millionen Badeurlauber, droht das Schicksal des Schwarzen Meeres

zu erleiden: Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung könnten “die

Adria zu einem geschlossenen Becken machen, in dem es bereits in 150 Metern

Tiefe kein Leben mehr gibt”, warnt der italienische Umweltminister Alfonso

Pecoraro Scanio.

Die erste nationale italienische

Konferenz zur Klimaerwärmung am Mittwoch und Donnerstag in Rom gibt

ihm nun eine geeignete Plattform für seinen Alarmruf: “Unser Meer

kennt keinen Winter mehr.”

Die Adria heize sich zunehmend

auf. Zwar wird auch das Tyrrhenische Meer von Italiens Westküste bis

Sardinien immer wärmer, die dramatischeren Notsignale sendet römischen

Umweltstudien zufolge aber die beliebte Adria.

Tropische Fische vor der

apulischen Küste, Quallen-Plagen und sogenannte Killeralgen – das

sind die offensichtlichsten Zeichen der Veränderung, die die Adria

verstärkt seit 2003 erfasst hat. In jenem Jahr lag im Winter die Wassertemperatur

im sonst kalten Golf von Triest um mehrere Grad höher als sonst.

Der Wind kühlte nicht

mehr genug, die für Wasserumwälzung und Nahrungsreichtum notwendige

Nord-Süd-Strömung setzte aus. Solche Ströme sind aber “wahre

Motoren, von denen alles Leben im Mittelmeer abhängt”, erklärt

Silvio Greco, Wissenschaftsdirektor des italienischen Meeresforschungsinstituts

Icram. “Wenn so ein Förderband der Lebensenergie wie 2003 blockiert

wird, zieht das einen Kurzschluss im gesamten Mittelmeer nach sich.”

Wenn der Strom im Meer wie

vor vier Jahren ausbleibt und diese Anomalie durch den Klimawandel zur

Regel wird, dann droht dem Meer der Atem auszugehen. Ein Rückgang

der Mikroalgen, wesentliche Basis für die Nahrungsmittelkette im Wasser,

setzt das Meeresleben auf eine empfindliche Diät.

Und wie so oft im Ökosystem

verbirgt sich hinter diesem Trend noch ein weiterer: “Weniger Nahrung im

Meer und höhere Temperaturen bedeuten auch, dass das Meer weniger

Kohlendioxid absorbieren kann”, erläutert Greco. Und das wiederum

beschleunigt letztlich jenen Treibhauseffekt, der das Problem ausgelöst

hatte.

Was aber tun? Die etwa 100

Experten auf der Umweltkonferenz haben die Zahlen und Trends auf dem Tisch.

Umweltminister Pecoraro Scanio weiß jedenfalls, was nicht die richtige

Lösung zu sein scheint: “Es sollte einem jetzt nicht in den Sinn kommen,

öffentliche Gelder zu verschleudern für gigantische Maschinen

zur Umwälzung der Adria.”

Die Natur soll sich zunächst

einmal selbst regulieren, der Mensch sie dabei unterstützen – indem

er für sauberere und nahrungsreichere Flüsse sorgt und die mehr

als 500 eingewanderten, teilweise giftigen Spezies in Schach hält.

Vor allem auch ein “vernünftiger Fischfang” könne dazu beitragen,

das Gleichgewicht im Mittelmeer wiederherzustellen.

“Die Adria in Agonie, die

Wärme tötet sie”, brachte die römische Zeitung La Repubblica

die Umweltbedrohung auf den Punkt. Wenn die Bora, der Nordwind der Region,

es nicht mehr schaffe, das Meer zu kühlen, “brauchen wir dringend

einen Plan, der gegensteuert”, so fordert Umweltdirektor Greco dazu auf,

rasch Abhilfe zu schaffen.

 

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