RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 21.03.07

TREIBHAUSGASE

Satellit zeigt Quellen

der Klimakiller

Von Markus Becker

Zum ersten Mal ist es Forschern

gelungen, die globale Verteilung der beiden wichtigsten Treibhausgase aus

dem All zu erfassen. Die Messdaten über Kohlendioxid und Methan sollen

Fehler in Computermodellen ausmerzen – und so zu besseren Vorhersagen über

die Zukunft des Klimas führen.

Man kann sie weder riechen

noch schmecken und meistens auch nicht sehen – dennoch könnten Kohlendioxid

und Methan der Menschheit mehr Ärger bereiten, als sie verkraften

kann. Die beiden Gase sind für den Großteil der Klimaerwärmung

verantwortlich, wobei Kohlendioxid nur aufgrund seiner Menge den Spitzenplatz

vor dem 20-mal klimawirksameren Methan hält. Wie die beiden Gase in

der Atmosphäre verteilt sind, ist deshalb von großer Bedeutung

für Computermodelle, die zur Berechnungen des zukünftigen Weltklimas

verwendet werden.

Wissenschaftlern der Universität

Bremen ist es nun erstmals gelungen, die Verteilung von Kohlendioxid (CO2)

und Methan (CH4) global aus dem All zu erfassen und die Daten in bewegten

Bildern darzustellen. “Hier wird die Entwicklung der Treibhausgase erstmals

über einen Zeitraum sichtbar”, sagte Michael Buchwitz, einer der beteiligten

Forscher, im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. “Mit diesen Daten können

wir nun die Ergebnisse von Computermodellen mit dem realen Klima vergleichen

und Fehler beseitigen.”

Das Team des Bremer Instituts

für Umweltphysik hat für seine Messungen das Sciamachy-Instrument

an Bord des europäischen Satelliten Envisat benutzt. Das Scanning

Imaging Absorption Spectrometer for Atmospheric Chartography, so der sperrige

Name des Geräts, ist nach Angaben der europäischen Raumfahrtbehörde

Esa der erste Sensor überhaupt, der vom All aus die Konzentrationen

der wichtigsten Treibhausgase bis hinunter zur Erde erfassen kann.

Verdacht über Methan-Quellen

erhärtet

Die Daten über Methan

sind möglicherweise noch wichtiger als das Kohlendioxid, erklärte

Buchwitz. “Wenn die Dauerfrostböden in kalten Weltregionen auftauen

und große Mengen Methan freisetzen, könnte es zum dominanten

Treibhausgas werden.” Deshalb sei es wichtig, möglichst genau festzustellen,

aus welchen Quellen sich der globale Methan-Haushalt speist.

Die Messungen des Sciamachy-Instruments

von 2003 bis 2005 haben in dieser Hinsicht bereits einen Verdacht erhärtet:

Tropische Regenwälder haben einen höheren Methan-Ausstoß

als bislang in den Klimamodellen angenommen. Im Januar hatten Forscher

des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik im Fachblatt

“Nature” eine Studie veröffentlicht, der zufolge die tropischen Regenwälder

gewaltige Mengen Methan ausstoßen – so viel, dass sie für bis

zu 30 Prozent des globalen Aufkommens verantwortlich sein könnten.

Zwar waren die Schlagzeilen

in einigen Zeitungen nicht nach dem Geschmack der Heidelberger Experten.

Aber für die Klimamodelle dürften ihre Erkenntnisse nachhaltige

Wirkung haben, zumal sie nun von den Satellitendaten gestützt werden.

Klimasünder-Kontrolle

kaum möglich

Die Esa erweckt in ihrer

Mitteilung zu den neuen Satellitendaten auch den Eindruck, man könne

mit ihrer Hilfe die Einhaltung internationaler Klima-Abkommen wie des Kyoto-Protokolls

kontrollieren. So viel will Buchwitz aber nicht versprechen: “Dafür

sind die Daten noch nicht präzise genug.”

Denn wer etwa prüfen

will, wie viel Kohlendioxid die USA oder China ausstoßen, muss natürliche

und industrielle Treibhausgas-Emissionen auseinanderhalten können.

Und das ist alles andere als einfach. “Die Menschen stoßen pro Jahr

etwa 25 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus”, so Buchwitz. “Aus natürlichen

Quellen kommen dagegen fast 400 Milliarden Tonnen pro Jahr.” Beides messtechnisch

voneinander zu trennen und so den CO2-Ausstoß einzelner Länder

zu erfassen, sei kaum möglich. “Es ist offen, ob eine solche Genauigkeit

jemals erreicht wird”, sagt der Bremer Forscher.

Im natürlichen Kohlenstoff-Kreislauf

werden gewaltige Mengen von Kohlendioxid umgesetzt. “Allerdings speichert

die Biosphäre jedes Jahr ein wenig mehr CO2, als sie später wieder

abgibt”, sagt Buchwitz. Von den 25 Milliarden Tonnen, die von Menschen

stammen, bleibe etwa die Hälfte in der Atmosphäre. Der Rest verschwinde,

wiederum jeweils zur Hälfte, in den Pflanzen und den Ozeanen. “Wir

müssen herausfinden, wo genau dieses Kohlendioxid bleibt.”

 

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