RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 25.09.07

UMSATZEINBRUCH

Kunden verschmähen

Öko-Energie aus Deutschland

Von Anselm Waldermann

Dramatische Krise in der

deutschen Öko-Branche: Der Umsatz bei erneuerbaren Energien ist im

ersten Halbjahr um bis zu 50 Prozent eingebrochen. Die Unternehmen schimpfen

auf die Bundesregierung – doch die sieht Deutschland immer noch als Vorreiter

beim Klimaschutz.

Hamburg – Es war eine engagierte

Rede, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in New York hielt. Die Industriestaaten

müssten beim Klimaschutz Vorreiter sein, sagte die deutsche Regierungschefin

gestern vor den Vereinten Nationen. “Für mich ist das eine moralische

und eine wirtschaftliche Notwendigkeit.”

Was Merkel verschwieg: Zuhause

in Deutschland steht es um die Klimapolitik alles andere als gut. Denn

während sich die Bundesregierung international als Umwelt-Pionier

feiern lässt, brechen die Öko-Investitionen hierzulande dramatisch

ein. Das belegen Zahlen der einzelnen Verbände aus dem ersten Halbjahr

2007.

Demnach mussten so gut wie

alle Bereiche aus dem Spektrum der erneuerbaren Energien Absatz- und Umsatzeinbußen

verzeichnen. Ob Biomasse, Sonne oder Wind – die gesamte Branche wird von

einem bisher nicht gekannten Abwärtsstrudel erfasst. Einige Beispiele:

    * Biogas:

Von Januar bis Juni kauften Landwirte 50 Prozent weniger Anlagen als im

Vorjahreszeitraum. Für die Hersteller bedeutet das Umsatzeinbußen

von 250 Millionen Euro.

    * Windkraft:

Der Export boomt, doch der Absatz im Inland geht zurück. Das Minus

im ersten Halbjahr: 25 Prozent.

    * Pelletheizungen:

Weil die Verbraucher immer weniger Aufträge vergeben, bleiben die

Hersteller auf ihren Anlagen sitzen. In den ersten sechs Monaten wurden

50 Prozent weniger Heizungen installiert als im Vorjahreszeitraum.

    * Sonnenenergie:

Die Nachfrage nach solarthermischen Anlagen sinkt ebenfalls. Das sogenannte

Marktanreizprogramm verzeichnete im ersten Halbjahr einen Absatzrückgang

von 35 Prozent.

    * CO2-Gebäudesanierung:

Hausbesitzer haben von Januar bis Juni nur 1,1 Milliarden Euro aus dem

Förderprogramm der bundeseigenen KfW-Bank abgerufen. Im gleichen Zeitraum

2006 waren es noch 2,3 Milliarden Euro.

    * Biokraftstoffe:

Seit die alternativen Treibstoffe besteuert werden, fürchtet der Industriezweig

um sein Überleben. Laut Branchenverband VDB sind von bundesweit 48

Biodieselbetrieben 43 gefährdet.

Für die Ökobranche

ist diese Entwicklung ein Schock – zumal es bisher immer nur aufwärts

ging. Jahrelang verzeichneten die Unternehmen Zuwachsraten von bis zu 100

Prozent. Und auch jetzt wären die Voraussetzungen eigentlich optimal:

Die hohen Preise für Kohle, Öl und Gas haben die erneuerbaren

Energien der Wirtschaftlichkeit so nahe gebracht wie noch nie.

Doch Unternehmen und Verbraucher

sind verunsichert. Die große Frage lautet: Wie sieht die Förderpolitik

in den nächsten Jahren aus?

“Statt auf klare Rahmenbedingungen

zu setzen, beschränkt sich die Bundesregierung auf Ankündigungen”,

schimpft Johannes Lackmann, der Präsident des Bundesverbands Erneuerbare

Energien (BEE). “Die Politik bremst den Ausbau der erneuerbaren Energien

und gefährdet damit ihre selbst gesteckten klimapolitischen Ziele.”

Im Kern geht es der Branche

vor allem um eines: mehr Geld. Weil die Große Koalition demnächst

das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) novelliert, versuchen die Verbände,

für ihre jeweilige Klientel möglichst viel herauszuschlagen.

“Die Stahlpreise haben sich

seit 2004 verdoppelt”, klagt Hermann Albers, der Präsident des Bundesverbands

Windenergie (BWE). Gleichzeitig sinke jedoch die Vergütung für

Windstrom jährlich um drei bis 4,5 Prozent. “Wenn es dabei bleibt,

wird der deutsche Markt für Windkraftanlagen weiter stark einbrechen.”

Mit anderen Worten: Die Fördersätze müssten steigen oder

zumindest langsamer sinken.

Biomasse, Holzpellets, Solarwärme

– überall sind die gleichen Forderungen zu hören. “Der Staat

gibt für jede Pelletheizung einen Zuschuss von 1500 Euro”, sagt Martin

Bentele vom Deutschen Energie-Pellet-Verband. “Offenbar reicht das als

Anreiz nicht aus.”

Dabei versucht die Bundesregierung

bereits gegenzusteuern. So hat Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) im August

die Investitionskostenzuschüsse in bestimmten Bereichen um 50 Prozent

angehoben. Außerdem hat die Große Koalition bei ihrer Klausur

in Meseberg ein Wärmegesetz für erneuerbare Energien beschlossen

– analog zum EEG auf dem Strommarkt.

Doch den Unternehmen in den

betroffenen Branchen reicht das nicht aus. “Das Wärmegesetz ist schon

im Koalitionsvertrag vor zwei Jahren angekündigt worden”, sagt BEE-Präsident

Lackmann. “Passiert ist bis heute nichts.”

“Die Branche macht sehr gute

Lobbyarbeit”

Auch bei der Novelle des

EEG erwarten die Verbände nichts Gutes. Sie fürchten zum Beispiel,

dass die Vergütung für Strom aus Biogas um 0,5 Cent pro Kilowattstunde

sinkt. “Unsere Kunden sind sehr zurückhaltend”, sagt Andrea Horbelt

vom Fachverband Biogas. “Bis das neue EEG steht, warten sie erst einmal

ab.” Und das kann dauern: Nach derzeitigem Stand soll die Novelle erst

Anfang 2009 in Kraft treten – den Unternehmen droht eine lange Phase der

Unsicherheit.

Im Umweltministerium weist

man die Kritik zurück. “Die Branche der erneuerbaren Energien macht

sehr gute Lobbyarbeit”, sagt ein Sprecher. “Aber die Politik ist nicht

für alles zuständig.”

Tatsächlich gibt es

noch andere Gründe für den Investitionseinbruch. So leiden die

Biogas-Unternehmen massiv unter der Preisexplosion bei Energiepflanzen

wie Mais oder Getreide. Den Windmüllern wiederum machen die steigenden

Stahl- und Kupferpreise zu schaffen.

Zum Teil lässt sich

der Investitionsrückgang auch statistisch erklären. Wegen der

Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 gab es zum Beispiel Vorzieheffekte

beim CO2-Sanierungsprogramm im vergangenen Jahr. Im Vergleich dazu erscheint

die Nachfrage in diesem Jahr gering.

“Wenn jetzt nichts passiert,

ist es für viele Firmen zu spät”

Dennoch: Ohne Hilfe der Politik

sehen die Öko-Unternehmen schwarz. “Die erneuerbaren Energien sind

kein Selbstläufer”, sagt Horbelt vom Fachverband Biogas. “Das kann

alles wieder zusammenbrechen.”

Ähnlich argumentiert

man bei den Grünen. “Gabriel und Merkel üben sich fast täglich

in rhetorischen Ankündigungen”, sagt Fraktionsvize Bärbel Höhn.

“Trotzdem folgen seit Anbeginn der Großen Koalition keine Taten zum

beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien.”

Der Fachverband Biogas fordert

nun, die Biostrom-Vergütung an den Preis für Energiepflanzen

zu koppeln. Steigende Kosten würden dann durch steigende Einnahmen

kompensiert – ähnlich wie bei den großen Energiekonzernen, die

höhere Kohlepreise ebenfalls auf den Strompreis draufschlagen.

Auch die Windbranche hat

dringende Anliegen: Zum einen sollte das sogenannte Repowering, also der

Ersatz alter Anlagen durch neue, durch einen wirksamen Bonus gefördert

werden. Zum anderen müsste die Offshore-Windkraft besser vergütet

werden – damit es endlich den ersten deutschen Windpark im offenen Meer

geben kann.

Doch vor allem fordern die

Kritiker eines: Die Novelle des EEG müsse so schnell wie möglich

kommen. “Der Markt braucht Klarheit”, sagt Höhn von den Grünen.

“Wenn jetzt nichts passiert, ist es für viele Firmen zu spät.”

 

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