RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
FAZ

online 10.10.07

Nobelpreisträger zum

Klimawandel

Die Zukunft der Erde steht

auf dem Spiel

 

Rousseau soll einst gefragt

haben, was wir täten, wenn wir, ohne unsere Stadt zu verlassen, reich

werden könnten, indem wir allein durch unseren Willen einen alten

Mandarin in China töten würden? Diese Frage stellt sich heute

erneut.

Worauf sind wir bereit zu

verzichten, um zu verhindern, dass Menschen sterben werden, die wir nicht

kennen, weil noch gar nicht geboren sind? Sterben, nur weil unsere Lebensform

den Planeten überfordert. Wir haben mit neun Nobelpreisträgern,

die gerade auf einer Potsdamer Konferenz über „Globale Nachhaltigkeit“

diskutieren, über den Klimawandel im Licht dieser Frage gesprochen.

Carlo Rubbia – Forschungsmittel

statt Hühnerscheiße

Die Weltbevölkerung

hat sich seit der Geburt von Carlo Rubbia vervierfacht, der Energieverbrauch

versechzehnfacht. „Und das in nur dreiundsiebzig Jahren, das ist doch unglaublich“,

sagt der Physiker, der seinen Nobelpreis für die Entdeckung von zwei

Feldpartikeln bekommen hat. Man möge sich fragen, wie der Energieverbrauch

im Leben eines Neugeborenen von heute wachsen könne, in einer Welt,

in der Milliarden Menschen denselben Wohlstand anstreben wie ihn die Minderheit

der Weltbevölkerung in den Industriestaaten genießt.

Die Aussicht, dass die Nachfrage

durch Erdöl und dann über viele Jahrzehnte hauptsächlich

durch Kohle gedeckt wird, lässt den langjährigen Direktor der

internationalen Großforschungseinrichtung Cern erschaudern: Jedes

Kilo Kohle fange über das Verbrennungsprodukt Kohlendioxid ein Hundertfaches

der Wärme in der Atmosphäre ein, das wir aus ihm gewinnen. Die

Erderwärmung verlaufe viel dramatischer, als der Weltklimarat IPCC

es prognostiziere.

Zeit für eine Kehrtwende

„Es ist längst Zeit

für eine Kehrtwende in der Energieversorgung“, sagt Rubbia. Statt

Klimarhetorik und windelweiche Versprechungen fordert er knallharte Investitionen

in die Energieforschung, die bisher vernachlässigt worden sei. Von

der Mineralölsteuer müsse auch in Deutschland endlich ein erheblicher

Teil in die Forschung geleitet werden, denn die derzeitigen Ausgaben seien

„Hühnerscheiße“ im Vergleich zu den vielen Milliarden Euro,

die nötig seien, um Vergleichbares zu leisten wie vor vierzig Jahren

die Mondlandung.

Um den Ausstoß an Treibhausgasen

bis zum Jahr 2020 um zwanzig Prozent und bis zur Mitte des Jahrhunderts

um die Hälfte zu senken, setzt Rubbia auf Kernfusion, auf eine neue

Generation von Atomreaktoren, aber vor allem auf Sonnenenergie. Rechne

man die Sonnenwärme, die in den Wüsten der Erde eintreffe, in

Öl um, so entstünden auf jedem Quadratmeter jährlich 25

Zentimeter Erdöl. Diese Energie durch große Spiegel einzufangen,

in Strom zu verwandeln und über ein neues Leitungsnetz zu den Zentren

des Verbrauchs zu bringen, sei eine Jahrhundertchance für Europa,

wenn es gelinge, die nötigen neuen Techniken hier zu entwickeln und

dann nach Amerika und Asien zu verkaufen. Deutschland, sagt Rubbia, könne

hier ganz an der Spitze stehen.

Carlo Rubbia erhielt den

Nobelpreis für Physik im Jahr 1984.

Sir James Mirlees – Der Preis,

den wir zahlen müssen

Die Minderschätzung

zukünftigen Konsums – das ist so etwas wie ein Grundprinzip des ökonomischen

Denkens. Ein Euro heute ist mehr wert als ein Euro in fünfzig Jahren.

Darum werden alle zukünftigen Einkommen abgezinst, wenn man wissen

möchte, wie hoch ihr Gegenwartswert ist. Dasselbe gilt auch für

Güter.

Aber, fragt der Schotte James

Mirlees: „Wer würde behaupten, es gelte auch für Menschenleben?

Wer würde sagen: Das Leben und die Wohlfahrt der heute Lebenden ist

mehr wert als das von Menschen, die erst 2020 geboren und 2050 den Folgen

des Klimawandels ausgesetzt sein werden, beispielsweise indem das Land,

in dem sie leben, sagen wir Bangladesch, vom Meer verschlungen werden wird?

Leben diskontiert man nicht so leicht.“

Wir schädigen andere

Der dies sagt, ist einer

der bedeutendsten Vertreter der ökonomischen Theorie des rationalen

Entscheidens unter unvollständiger Information. Den Nobelpreis hat

James Mirlees, der in Cambridge und Hongkong lehrt, für seine Arbeiten

zur Einkommensbesteuerung erhalten, und Steuern, beispielsweise auf den

Verbrauch von Mineralöl oder Flugbenzin und auf Kohlendioxid-Emission,

auch den Emissionshandel hält er nach wie vor für gute Maßnahmen

zum Klimaschutz. Vor einer Welt mit reduziertem Ölangebot ist ihm

nicht bange. „Unsere Ferien und Dienstreisen werden wieder länger

dauern, weil wir nicht mehr wie heute an einem Tag hin und am nächsten

wieder zurückfliegen können.“

Das wichtigste soziale Problem,

das mit der Erderwärmung einhergehe, sei insofern nicht das unseres

Wohlstandes, sondern das der weltweiten Armut. In gewisser Hinsicht, meint

er, „sind die Europäer und Amerikaner dem Rest der Welt eine Art Kompensation

für das eigene Verschmutzungsverhalten während der industriellen

Revolution seit dem neunzehnten Jahrhundert schuldig“. Mirlees glaubt zwar

nicht, dass sich diese Einstellung durchsetzen werde. Aber es führe

auch so kein Weg an der Einsicht vorbei, dass unser Verhalten „externe

Effekte“ habe. Wir schädigen durch die Art, wie unser Wohlstand entsteht,

andere. Ökonomisch betrachtet, nutzen wir etwas, ohne dafür zu

bezahlen: die Zukunft anderer Leute – und das ist nicht nur ökologisch

widersinnig.

James Mirlees erhielt den

Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften im Jahr 1996.

Mario Molina – Die Prognosen

sind eher untertrieben

Es gibt kaum Menschen, die

den Titel Weltretter beanspruchen können, aber Mario Molina ist ganz

gewiss einer von ihnen. Er tut es nicht, dazu ist er viel zu bescheiden,

aber man stelle sich vor, die Ozonlöcher über den Polen hätten

sich aufgetan, ohne dass jemand gewusst hätte, warum. Dann wären

die Löcher in der schützenden Schicht heute ungleich größer,

und womöglich wären zur Häufung von Hautkrebs weitere negative

Effekte hinzugekommen, etwa klimatische. 1974 hat Mario Molina zusammen

mit Kollegen entdeckt, dass Fluorchlorkohlenwasserstoffe Ozonmoleküle

zersetzen. Das wollte ihm anfangs besonders die Chemieindustrie nicht glauben,

die gut an den Substanzen verdiente.

Den Weg von seiner Erkenntnis

zum internationalen Montreal-Protokoll, das FCKWs weitgehend verbietet,

sieht Molina heute als Vorbild für die Klimapolitik an. „Es ist zu

schaffen“, sagt der Chemienobelpreisträger, der am Massachusetts Institute

of Technology (MIT) forscht und für den Weltklimarat IPCC als Gutachter

tätig ist. Die Prognosen des Wissenschaftsgremiums für das Weltklima

hält Molina „eher für untertrieben“.

Wichtige Rolle der Entwicklungsländer

So wie es aussehe, schmelze

das Eis der Arktis viel schneller als von der Klimaforschung erwartet.

Deshalb ist es seiner Ansicht nach unerlässlich, dass der neue weltweite

UN-Klimaschutzvertrag, der von 2012 an in Kraft treten soll, alle großen

Energieverbraucher zur Minderung von Treibhausgasen verpflichtet, also

auch Indien, China und andere große Entwicklungsländer.

Der gebürtige Mexikaner

sieht für Entwicklungsländer eine doppelte Rolle: Sie müssten

begreifen lernen, dass Klimaschutz kein Luxusproblem der Reichen sei, sondern

eine existentielle Frage für sie selbst. Und sie sollten ihr Potential

für Lösungen nutzen: Mexiko etwa habe unglaubliche Mengen landwirtschaftlicher

Abfälle, die zur Produktion von wirklich umweltfreundlichen Biotreibstoffen

dienen könnten. Wüstenregionen in ärmeren Ländern sollten

sich zu Energieversorgern mausern. Auch Molina setzt seine größten

Hoffnungen auf die Sonnenenergie, doch er warnt davor, alles auf eine Karte

zu setzen: „In der Energieforschung müssen jetzt alle Wege gleichzeitig

eingeschlagen werden.“

Mario Molina erhielt den

Nobelpreis für Chemie im Jahr 1995.

Theodor W. Hänsch –

Absolute Gewissheit ist irrelevant

Nicht Dürren und Feuersbrünste,

nicht Überschwemmungen oder Gletscherschmelze beunruhigen den jüngsten

deutschen Physik-Nobelpreisträger aus dem Jahre 2005 am meisten, wenn

er über den Klimawandel nachdenkt, sondern „die generelle Komplexität

– dass wir das Klima immer noch nicht wirklich verstehen“. Das ist von

ihm, der sich am Garchinger Max-Planck-Institut für Quantenoptik viele

Jahre mit der möglichst exakten Messung der Frequenz von Licht beschäftigte,

keineswegs als Relativierung der Umweltgefahren gedacht. Kleine Ursachen

könnten große Wirkungen haben, und dahinter könne man durchaus

große Risiken für die Menschheit vermuten.

„Wir haben Glück mit

einem guten, lebensfreundlichen Klima und sollten überhaupt nichts

unternehmen, dies zu gefährden.“ Schon deshalb lohnt sich für

ihn das Engagement als Grundlagenforscher für den Klimaschutz. Weder

sei zwar absolut zu beweisen, dass es noch viel schlimmer komme mit dem

Klimaumschwung, noch dass der Mensch seine Finger bei der globalen Erwärmung

im Spiel habe – „aber man kann es vermuten“. Allein die Möglichkeit

dafür mahne ihn zur Vorsicht.

Alles, was wir uns leisten

können, sollten wir tun

Als Erfinder der hochauflösenden

Laserspektroskopie kann der gebürtige Heidelberger Physiker, der in

München-Garching arbeitet, zwar nichts Substantielles zur Perfektionierung

der Klimamodelle beitragen. Immerhin: Manche Instrumente in der Klimadiagnostik

basieren auf seinen Grundlagenarbeiten. Aber seine klimapolitische Einstellung

bleibt von dieser Distanz und den Lücken, die er ganz offenkundig

in den Klimamodellen zu erkennen meint, völlig unberührt: „Alles,

was wir uns wirtschaftlich leisten können, um die Kohlendioxidemissionen

zu verringern, sollten wir auch tun.“

Dafür sei es ohne Belang,

ob die Forscher das Klima absolut korrekt simulierten und damit das wirkliche

Klima korrekt vorhersagen könnten, was er momentan ohnehin für

nicht leistbar halte. Die Klimaschutzpolitik, speziell auch die der Bundeskanzlerin,

sei auf dem richtigen Weg, solange man nach globalen Strategien suche:

„Wir können das Thema nicht punktuell angehen und nur in Deutschland

nach Lösungen suchen. Wir können uns die Suche nach Auswegen

leisten, andere leider nicht.“

Theodor W. Hänsch erhielt

den Nobelpreis für Physik im Jahr 2005.

Klaus von Klitzing – Atomenergie

kauft uns Zeit für Besseres

Vor zehn Jahren hat er noch

mit den Schultern gezuckt. Vor fünf Jahren sei ihm klar geworden,

was auf uns zukomme. Und heute bezeichnet Klaus von Klitzing den Klimawandel

als die größte Bedrohung und die größte Herausforderung

der Menschheit.

Nicht die Klimaveränderung

an sich hält er für gefährlich, aber das enorme Tempo, in

dem sie stattfindet. Atemberaubend auch die Geschwindigkeit, mit der vorhandene

Energieressourcen aufgezehrt werden: „Wir können doch nicht das, was

über Millionen Jahre entstanden ist, in ein paar Generationen verbraten“,

sagt er und wirkt fassungslos, so als ob diese Erkenntnis neu wäre.

Atomausstieg ist unvernünftig

Klitzing hat seinen Nobelpreis

für Forschung über die Natur des elektrischen Widerstands bekommen.

Er ist ein gefragter Ratgeber, für die Forschungs- und nun auch für

die Klimapolitik. Am Montagabend fiel ihm die Rolle zu, die Nobelpreisträgertagung

zu eröffnen. „Wir Nobelpreisträger sind die unabhängigsten

Menschen der Welt, wir sind nicht Lobbyisten einer Sache, sondern nur unserer

frei gewonnenen Überzeugungen“, sagte er. Diese Überzeugungen

in die Weltpolitik einzuspeisen, hält er für eine Pflicht.

Doch auch vor der Tagespolitik

scheut er nicht zurück: Der Atomausstieg in Deutschland sei unvernünftig,

„ein Stück Realitätsverweigerung“, er müsse so schnell wie

möglich revidiert werden, um sie als „Zwischenlösung“ zu nutzen

und Zeit zu erkaufen für die Entwicklung anderer kohlendioxidarmer

Energiequellen. Der Politik müsse klar sein, dass man Forschungserfolge

nicht mit Geld erzwingen könne, dass aber ohne ausreichende Investitionen

Erfolge unwahrscheinlich würden. Seiner Disziplin, die der Menschheit

die Atombombe beschert hat, schreibt von Klitzing das Potential zur Umkehr

der Weltprobleme zu: „Wir können die Kernfusion als Stromquelle erschließen

und Solarzellen zu einer Effizienz von 35 Prozent bringen.“

Klaus von Klitzing erhielt

den Nobelpreis für Physik im Jahr 1985.

Antony Hewish – Weshalb soll

Wissen nicht cool sein?

Die Einsicht, für die

er seinen Nobelpreis bekommen habe, sagt der Astrophysiker Antony Hewish

aus Cambridge, verdanke er einem Zufall. Er habe einfach die richtigen

Antennen zum richtigen Zeitpunkt in die richtige Richtung gehalten und

so die „Pulsare“ genannten Sterne messen können. So aber sei Forschung:

Man suche etwas und finde etwas anderes.

Eben dies sei es auch, was

er, der sich mit Klimafragen niemals wissenschaftlich beschäftigt

habe, zur Diskussion beitragen könne. Denn die einzige Chance, die

Folgen der Erderwärmung und diese selbst in den Griff zu bekommen,

liege in Grundlagenforschung auf allen möglichen Gebieten.

Halbleiter-Forscher einst

Exzentriker

Niemand habe ja auch vor

mehr als sechzig Jahren ahnen können, dass Halbleiter die Welt verändern

würden. Damals, er sei alt genug, es erlebt zu haben, galten die Leute,

die sich damit befassten, als exzentrische Außenseiter, und viel

Geld bekamen sie für ihre Studien auch nicht. Heute kann man sich

die Zivilisation ohne Transistoren kaum mehr vorstellen. Darum sei es töricht,

angesichts der Klimabedrohungen nicht mehr in die Forschung zu investieren.

Eines aber findet Antony

Hewish noch wichtiger: Die Knappheit an Naturwissenschaftlern zu überwinden,

die in Europa derzeit herrsche. So wie in Deutschland sei auch in Großbritannien

die Zahl derjenigen jungen Leute, die sich für Physik oder Mathematik

interessierten, rückläufig. Je wohlhabender eine Gesellschaft

sei, desto weniger gelte es offenbar als cool, sich mit Forschung zu beschäftigen.

Aber warum sei ein Beitrag zum Überleben des Planeten nicht cool?

„Eine der wichtigsten Schritte, die wir zur Lösung unserer ökologischen

und Energieprobleme machen können, ist es, die naturwissenschaftliche

Erziehung an unseren Schulen zu verbessern.“

Antony Hewish erhielt den

Nobelpreis für Physik im Jahr 1974.

Zhores Alferov – Die Sonne

kann nicht privatisiert werden

Warum seine Stimme in der

Frage des Klimawandels überhaupt gefragt wird, will Zhores Alferov

so recht nicht in den Kopf. Die wirklichen Spezialisten sollten entscheiden,

ob es denn einen menschengemachten Klimawandel gebe.

Für endgültig geklärt

halte er jedenfalls nicht, inwieweit die globale Erwärmung Ergebnis

eines langfristigen natürlichen Trends oder auf die künstliche

Anreicherung von Kohlendioxid zurückzuführen sei. In jedem Fall

aber, und dann wird Alferov plötzlich bestimmt und sogar ausgesprochen

heiter, müsse der Mensch sich auf „saubere Energien“ besinnen.

Sonne die größte

Energiequelle überhaupt

Die Sonne ist seine absolute

Favoritin. Sie sei die größte unerschöpfliche Energiequelle

überhaupt, sagte er, „und wenn ich gefragt werde, warum gerade die

Sonne, dann bringe ich gerne den Witz, dass sie dankenswerterweise die

einzige Energiequelle ist, die von niemandem privatisiert werden kann“.

Das ist von ihm vermutlich gar nicht so spaßig gemeint. Alferov war

zusammen mit Walter Kroemer der Nobelpreis für seine Pionierarbeiten

in der Halbleiterphysik zuerkannt worden. Beinahe die gesamte Informationstechnik

war von der Entwicklung neuer geschichteter Halbleitermaterialien in Transistoren

beflügelt worden. Im Mobilfunk, in Laserscannern bis hin zu CD-Spielern

hinterließ der Physiker aus Sankt Petersburg seine Spuren.

Populär geworden ist

er im eigenen Land als Abgeordneter der Kommunistischen Partei in der Duma.

Von der Politik erwarte er, dass sie die Investitionen für die Weiterentwicklung

der Solarenergie ausbaue, mindestens ebenso stark wie der Energiebedarf

wachse. Was die Atom- und Fusionstechnik angehe, sei er nicht abgeneigt,

aber es gebe „viele Probleme zu lösen, die auch wirklich gelöst

werden können“. Auf die entscheidende Frage aber bleibt Alferov bei

seiner Prognose. „In hundert Jahren wird die Sonne die unumstrittene Energiequelle

Nummer eins sein.“

Zhores Alferov erhielt den

Nobelpreis für Physik im Jahr 2000.

Murray Gell-Mann – Wie viel

Flugreisen verträgt der Frieden?

„Ich rede nicht vom Klimawandel,

mein Thema ist die Nachhaltigkeit.“ Murray Gell-Mann ist ein Mann, der

gerne selbst bestimmt, wovon die Rede sein soll. Er weiß, dass Nachhaltigkeit

inzwischen oft zu einer Phrase heruntergekommen ist, in der Wissenschaft

so sehr wie in der Politik. Jeder definiere „wie Humpty-Dumpty“ selbst,

was er unter nachhaltiger Entwicklung verstehen wolle. Dabei liege es ja

auf der Hand: Nachhaltig zu leben und zu wirtschaften bedeute, die eigene

Lebensqualität nicht der Zukunft zu stehlen.

Gell-Mann arbeitet am Santa-Fé-Institut

für Komplexe Systeme. Seinen Nobelpreis hat er für die Entdeckung

der berühmten „Quarks“ erhalten, aus denen Neutronen und Protonen

zusammengesetzt sind. Seitdem aber gilt sein Interesse einer Wissenschaft,

die sich, so seine paradoxe Formulierung, „aufs Ganze spezialisiert“. Damit

meint er nicht Philosophie, sondern die Beschreibung von Zusammenhängen

zwischen wirtschaftlichen, demographischen, biologischen, politischen und

geophysikalischen Abläufen.

„Eine krude Disziplin“

„Es ist eine krude Disziplin,

ich weiß, aber es geht nicht anders, es gibt diese Zusammenhänge,

und reinen Spezialisten erschließen sie sich nicht.“ Gell-Mann spricht

von „Prothesen der politischen Einbildungskraft“, die es herzustellen gelte,

um den ungeheuer schnellen Klimawandel – jetzt redet er doch davon – und

seine Folgen in den Blick zu bringen. Die Schwierigkeit sei nur, dass auch

die Spezialisten fürs Ganze wieder nur in eine Abteilung eingesperrt

würden, „unverbunden mit allen anderen, von ihnen unverstanden und

gehasst“.

Das müsse anders werden,

denn es gehe ja beim Thema Ökologie nicht nur um nachhaltige Wirtschaft,

sondern um nachhaltigen Frieden. „Wenn es aufgrund von Konflikten um knappe

Ressourcen zu einem großen Atomkrieg kommen würde, wird niemand

mehr über den Klimawandel reden.“

Murray Gell-Mann erhielt

den Nobelpreis für Physik im Jahr 1969.

Rudolph Marcus – Ohne unseren

Verzicht wird es nicht gehen

Er hat keine eigene Theorie

zum Klimawandel, er sagt, er sei absolut kein Experte auf diesem Gebiet.

Das zuzugeben, sei jeder Wissenschaftler, für den es zutreffe, verpflichtet.

Aber genauso reklamiert Rudolph Marcus so etwas wie den gesunden Menschenverstand

eines wissenschaftlich informierten Bürgers und eines Nobelpreisträgers

für sich.

1943 hat der gebürtige

Kanadier seinen ersten Studienabschluss in Chemie erlangt. Für seine

Theorie des Elektronentransfers hat er den Nobelpreis zugesprochen bekommen

– und noch heute, vierundachtzigjährig, hat er am California Institute

of Technology in Pasadena einen Arbeitsplatz, den er auch nutzt. Von dort

aus verfolgt er die wissenschaftliche Debatte um den Klimawandel, mit einem

eindeutigen Ergebnis: „Ich halte die Szenarien und Prognosen von steigenden

Meeresspiegeln, schmelzendem Polareis und zunehmenden Stürmen für

absolut belastbar, es gibt gar keine Alternative dazu, sie ernst zu nehmen.“

Der Streit ist vorbei

Eine wirkliche Kontroverse

darum, ob der Mensch das Weltklima deutlich beeinflusst oder nicht, gibt

es Marcus zufolge gar nicht mehr: „Dieser wissenschaftliche Streit ist

längst vorbei.“ Wie auch die anderen Nobelpreisträger setzt Marcus

auf neue Technologien und auf Wege, Kohlendioxid im Erduntergrund einzulagern

statt in der Atmosphäre.

Aber ihn beschäftigt

immer stärker die Sorge, dass all die technologischen Antworten nicht

ausreichen könnten, die Erderwärmung in den Griff zu bekommen,

dass es letztlich doch auf die Frage hinauslaufe, ob die reichen Länder

zum Verzicht bereit sind. „Es ist wichtiger, dass der Planet in einem einigermaßen

guten Zustand überlebt, als den ganzen Luxus zu erhalten, in dem wir

leben.“ Ein Apokalyptiker ist er dennoch nicht geworden, denn Marcus nimmt

viele Anzeichen eines Bewusstseinswandels wahr, „selbst in China und zu

Hause in Amerika“.

Rudolph Marcus erhielt den

Nobelpreis für Chemie im Jahr 1992.

 

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