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online 01.04.08 Jatropha Das Energiebündel VON JOACHIM WIILE Sie gilt als neue Wunderpflanze: Jatropha. Der Strauch aus der Familie der Wolfsmilchgewächse kann Biosprit und Öko-Brennstoff für Kraftwerke liefern, außerdem Tierfutter sowie Grundstoffe für Dünger und Seife. Euphorische Stimmen in der Bioenergie-Branche prophezeien: Jatropha wird in ein paar Jahren so berühmt sein wie Coca Cola. Eine neue Studie von Heidelberger Umweltforschern bremst die Euphorie nun ein wenig: Die Energiepflanze kann danach zwar global durchaus eine Teil des Erdöl-Sprits ersetzen, allerdings muss dabei auf richtigen Anbau und effiziente Verarbeitung geachtet werden. Jatropha ist eine Wildpflanze, die in tropischen und subtropischen Regionen wächst. Sie stammt ursprünglich aus Südamerika, gelangte durch portugiesische Seefahrer aber auch nach Afrika und Asien. In Afrika pflanzen Bauern sie zum Beispiel als Schutzhecken um ihre Hütten, um Mäuse und Ratten abzuwehren. Als Energiepflanze ist der Strauch interessant, weil aus dem Samen der Jatropha-Nuss ein Kraftstoff hergestellt werden kann, der ähnliche Eigenschaften hat wie der – inzwischen allerdings zunehmend umstrittene – Biodiesel aus Raps oder Palmöl. Der besondere Vorteil: “Jatropha curcas” – zu deutsch: Brech- oder Purgiernuss – wächst selbst in trockenen Gebieten auf wenig fruchtbaren, ausgelaugten, sogar wüstenähnlichen Gebieten, und sie braucht wenig Dünger. Der Strauch hält Trockenperioden von bis zu acht Monaten aus. Es ist also nicht notwendig, Böden für Energiepflanzen zu nutzen, die auch Nahrungsmittel produzieren könnten – ein zunehmend wichtiges Argument. Da einige Pflanzenteile giftig sind, muss Jatropha auch nicht gegen Nutz- oder Wildtiere geschützt werden – sie fressen die Pflanze nicht. Erfahrungen mit Jatropha-Plantagen gibt es noch wenige. Selbst vehemente Befürworter räumen ein: Es bedarf noch einiger Forschung und Züchtung, um die Wildpflanze ertragreicher zu machen. In Brasilien zum Beispiel gibt es bereits einige kommerzielle Plantagen, doch die Besitzer verdienen bisher ihr Geld hauptsächlich mit dem Samen der Pflanze. In Indien lief bis Ende 2007 ein fünfjähriges Jatropha-Projekt, das vom Autokonzern Daimler-Benz und der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) finanziert wurde. Auf einer Anbaufläche im Bundesstaat Gujarat wurden 80 000 Liter Biodiesel produziert, die dann Testfahrzeuge – Pkw und Transporter – antrieben. Leiter des Projekts war Professor Klaus Becker von der Universität Hohenheim. Die Qualität des Sprits sei gleichbleibend gut gewesen, berichtet er, “der Rapsöl-Diesel wurde in allen Parametern geschlagen”. Eine Forschergruppe des Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) in Heidelberg hat dieses Indien-Projekt nun ökologisch bilanziert. Wichtigstes Fazit: Jatropha spart Erdöl ein und mindert die Treibhausgase, wenn es auf vorher wenig bewachsenen und unfruchtbaren Böden angepflanzt wird. Die Jatropha-Diesel senkt den Kohlendioxid-Ausstoß gegenüber fossilem Diesel-Kraftstoff um Schnitt um rund 50 Prozent, unter guten Bedingungen sogar um bis zu 100 Prozent. Zum Vergleich: Bei Biodiesel aus Raps oder Bioethanol aus Getreide beträgt die Einsparung zwischen 55 und 80 Prozent. Ifeu-Experte Guido Reinhardt warnt aber: “Wird eine Jatropha-Plantage angepflanzt, wo vorher eine dichte Vegetation war, die mit ihrer Biomasse sozusagen als CO2-Speicher fungierte, dann kann die Bilanz auch negativ ausfallen.” Auch auf die Verarbeitung des Bio-Öls aus der Jatropha-Nuss kommt es an. Die Pilotanlage in dem Daimler-Projekt, in der der Rohstoff durch den chemischen Schritt der Umesterung zum Diesel-Kraftstoff wird, arbeitete mit hohen Energieverlusten. Das Ifeu-Urteil: Der hier gewonnene Biodiesel trägt nur in geringem Maße zu Ressourcenschonung und Klimaschutz bei. Doch diese Bilanz ließe sich verbessern – indem die Anlagen effizienter konzipiert werden und die darin genutzte Prozessenergie nicht mehr wie bisher aus Kohle und fossilem Diesel gewonnen wird. Man könnte hierfür auch die Schalen der Jatrophanüsse nutzen, die sowieso als Nebenprodukt anfallen. Überhaupt kommt es auf die Nutzung der Nebenprodukte an. Die Umweltforscher raten dazu, sie vollständig für die Energiegewinnung zu verwenden – etwa in Biomasse-Kraftwerken. So könnten “wesentlich mehr Treibhausgase eingespart werden als bei einer Verwendung als Futtermittel oder Dünger”. Sehr gut schneide die Jatropha-Nutzung ab, wenn besonders umweltschädliche Energieträger ersetzt würden, zum Beispiel Kohle in Heizkraftwerken oder Dieselkraftstoff mit hohem Schwefelgehalt in Autos und Lkw, wie er besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern noch verkauft wird. Daimler will nun einen weiteren Schritt in Richtung industrieller Jatropha-Produktion tun. Zusammen mit dem Chemiekonzern Bayer und dem Raffineriebetreiber Archer Daniels Midland Company (ADM) entwickelt er Produktionsstandards für den neuen Biodiesel. Potentiale, den Sprit auch einzusetzen, sehen die Stuttgarter allerdings eher in den Anbauländern selbst, “da dort die höchsten Effekte zur CO2-Minderung erzielt werden können”. An deutschen Tankstellen wird Jatropha-Diesel so schnell nicht erhältlich sein.
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