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Festivalberichte - Interview mit Chris Cracknell - Greensleeves
 
Greensleeves, gegründet vor 25 Jahren, ist heute eines der wichtigsten Reggae-Labels der Welt. Chris Cracknell, einer der beiden Chefs, flog von London zum Splash nach Chemnitz, um sich dort viele der Greensleeves Künstler live anzusehen.  Im Chemnitzer Hof traf er sich mit RootZ-Mitarbeiter Ralf Weihrauch zu einem Interview.

“Die Greensleeves-Geschichte begann eigentlich schon 1974. Wenn man damals irgendwelche Platten außerhalb von Rock und Pop kaufen wollte, musste man ins West End fahren. Wir saßen aber ziemlich weit weg in West Ealing. Unsere Idee war es ein Kette aufzubauen, in der auch andere Platten zu haben waren, die für die Leute die in den jeweiligen Stadteilen leben, interessant sind.”
 
West Ealing hatte eine große irische und westindische Gemeinde. Im Untergeschoss des ersten Shops gab es somit neben dem normalen Rock und Pop Angebot auch viele Irische Platten. Im Obergeschoss gab es Soul und Reggae-Musik: “Das war damals eine ziemlich abenteuerliche Geschichte die Platten zu organisieren. Wir bekamen über einige Kontakte auf Jamaika Singles in weißen Sleeves, nur mit den Namen der Künstler und des Titels auf dem Labels. Wenn die verkauft, war es nie sicher ob wir Nachschub bekamen.” 

Der Shop war dennoch der Hit bei den DJs:  “Die Diskjockey haben sich auf unseren Geschmack verlassen. Einige haben dann einfach ihre Bestellungen dagelassen und sich die Singles schicken lassen, sodass sich ein Mailorder-Service entwickelte.”
Zwangsläufig kam die Idee, selber Platten zu veröffentlichen. Die Wahl fiel auf Dr. Alimantado, den Chris und Chris schon immer gut fanden. Die Single “Born for a purpose” war ein ziemlicher Erfolg.

“Punk und Reggae gingen damals Hand in Hand,” erzählt Chris Cracknell “Bei Punk Konzerten spielten auch Reggae-Bands und andersrum.” Eine Woche vor dem Relaese von “Best dressed chicken” war Johnny Rotten zu Gast in einer BBC-Show in der berühmte Musiker ihre Lieblingssongs vorstellten “An Nummer 1 seiner persönlichen Charts stand “Born for a purpose. Eine bessere Werbung gab es gar nicht und von Alimantados ersten Album haben wir dann über 40 000 Stück verkauft. Damit war das erste Independent-Record-Label geboren”. Allerdings war damit auch die Idee einer Ladenkette auch begraben.

Über die Jahre hat Greensleeves etliche Klassiker auf den Markt von allen Stars der Szene gebracht: Bounty Killer, Shaggy, Dennis Brown, Beenie Man, Yellowman, Augustus Pablo, Barrington Levy, Eek-A-Mouse, John Holt, Half Pint, Red Rat und Elephant Man und nicht zuletzt Sizzla. Hinzu kommen die legendären Serien Greensleeves Reggae Sampler und Ragga Ragga Ragga.  “Wir haben auch Ende der 70er und Anfang der 80er problemlos den Wechsel hin zum Dancehall und Ragga geschafft”.

Die Beziehung zu den früheren Artists ist immer noch hervorragend: “Die kommen alle immer noch gerne bei uns ins Büro, auch wenn unsere Zusammenarbeit schon lange zurückliegt. Als ich gestern Barrington Levy getroffen habe, sind wir uns um den Hals gefallen. Er war 1980 als 15-Jähriger zusammen mit Junjo Lawes zum ersten Mal bei Greensleeves.”  Daher ist es für ihn unmöglich einen Lieblingskünstler oder -produzenten zu nennen :”Es waren zu viele gute dabei.” 

Das Reggae-Geschäft unterscheidet sich heute erheblich von dem der Vergangenheit: “Heute arbeiten die Artists mit vielen, verschiedenen Produzenten zusammen. Nehmen mal da einen Tune auf und mal da. Früher wollten die Leute auf einem Album nur neue Stücke haben. Heute müssen auch die Hits drauf sein. Also müssen die Artists erst einmal bei ihren Produzenten sammeln gehen.” 

Wenn er mit Branchen-Kollegen aus anderen Musiksparten spricht stößt Chris Cracknell auf viel Unverständnis: “Die fragen mich immer, wie ich es tolerieren lann, dass unsere Artists auch auf anderen Labels veröffentlichen. Das muss aber so sein. Zum einen können wir gar nicht alles veröffentlichen was beispielsweise Mr. Vegas oder Elephant Man auf Vinyl-Singles herausbringt. Zum anderen ist es für uns eine tolle Werbung für die Alben, wenn unsere Künstler so oft wie möglich in den Dancehalls gespielt werden.”

Für Chris Cracknell wird es immer schwieriger sich die Artist herauszupicken, von denen er Alben herausbringen will: “Es gibt eine Unmenge von Artists, und genau den zu finden, der eine große Zukunft vor sich hat. Wir prüfen alle Artists nicht nur in musikalischer Hinsicht. Sie müssen auch die richtige Einstellung zum Geschäft mitbringen, Interviews geben und sich von uns beraten lasssen. Wer einen Ego-Trip fahren will ist bei uns sofort unten durch.” Als vielversprechenden Act sieht er Alozade, mit dem es in Chemnitz auch schon unverbindliche Vorgespräche gegeben hat.

Die Beziehung zu anderen Labels ist ziemlich gut: “VP ist natürlich ein großer Rivale von uns. Sie haben Musiker, die wir gerne hätten und wir haben Künstler, die sie gerne hätten. Früher haben wir ihre Produkte in Europa lizensiert und andersherum. Immer öfter haben sie mit Querimporten aber unser Geschäft gestört. Das konnten wir nicht tolerieren. Wir haben nun unser eigenes Office und eigenen Vertrieb in den USA.” VP hat darauf übrigens reagiert und vertreibt nun über Indigo in Deutschland.
 
Als  nächste Veröffentlichungen stehen Alben von Elephant Man, Degree, Ward 21 und Sizzla an. Sizzla teilt sich Greensleeves immer noch mit VP:  “Sein Produzent Fattis Burrel will zwei Alben von Sizzla herausbringen. Weder wir noch VP können das leisten,. Die Frage ist dann eben, ob wir ein Sizzla-Album herausbringen oder gar keins.” Da spielt es auch keine Rolle, dass Sizzla nicht gerne Öffentlichkeitsarbeit leistet, was bei Chris Cracknell Kopfschütteln auslöst: “Wenn er sich morgens beim Aufstehen überlegt, keine Lust auf Interviews zu haben, sagt er die für den Tag geplanten Gespräche einfach ab.”

Greensleeves hat zwar schon einige Titel in den Charts gehabt, ihre Produktionen zielen aber nicht darauf ab: “Heads High, Who Am I oder Oh Carolina  waren allesamt große Hits an der Basis. Erst dann sind sie in die Charts gekommen. Ich mag es nicht besonders, extra Remixe oder Radio-Versionen zu produzieren, wenngleich wir oft danach gefragt werde und es auch manchmal machen. Für mich steht aber das “Real Thing” im Vordergrund.”

Das Internet sieht Chris Cracknell nicht als Gefahr für die Plattenfirmen: “Die meisten Leute, die Songs downloaden, hätten sich die Platten sowieso nicht gekauft. Der richtige Fan will ein Cover und Informationen. Der Werbeeffekt durch das Internet ist da viel größer.”


Copyright Text: Ralf W. / Dr. Igüz / Photos: Jonas W. / Layout:  Dr. Igüz 1998 - 2001 Zum Seitenanfang