Die Nachkommen von Adam und Eva erobern sich das Paradies zurück

Die
Nachkommen von Adam und Eva erobern sich das Paradies zurück

La Réunion,
eine Insel vulkanischen Ursprungs, sechshundert Kilometer östlich
von Madagaskar im Indischen Ozean gelegen, ist ursprünglich mit einer
dichten Regenwaldvegetation und mit Gewächsen subtropischer Hochebenen
bewachsen gewesen und war unbewohnt. Heute leben dort circa siebenhunderttausend
Menschen, der Großteil von ihnen entlang der Küste und auf den
Hochebenen, die sich zwischen den zwei Vulkanen der Insel gebildet hat.
Der Bevölkerungsdruck wurde über die Zeit jedoch so stark, daß
nach und nach das Innere, das Gebiet des “Piton des Neiges”,
des toten Vulkans, erschlossen wurde. Um diesen Teil Réunions soll
es hier gehen, denn die Küstengebiete sind mittlerweile schon so stark
zersiedelt und unter Nutzung, daß nur noch partiell von einer ursprünglichen
Vegetation gesprochen werden kann. In den höher gelegenen und nicht
so einfach zugänglichen Gebieten ist der Zug jedoch noch nicht abgefahren,
und wenn heute die Weichen richtig gestellt werden, dann kann die Zukunft
diese Vulkankraters noch eine grüne sein.

Es leben zwar nicht übermäßig viele Menschen in den
drei “Cirques” oder Talkesseln in die der Vulkan durch natürliche
Barrieren, seine Kraterwände unterteilt ist. Das gesamte Ökosystem
der Vulkanlandschaft, insbesondere der Wasserhaushalt sind jedoch so fragil,
daß heutzutage die ersten Zeichen für eine massive Umweltkatastrophe
sichtbar werden. Dazu tragen sicherlich nicht nur die Einheimischen bei,
die schließlich Jahrhunderte lang mehr oder weniger im Einklang mit
der Insel gelebt haben, verantwortlich sind zu einem großen Teil
auch die Unmengen von Touristen, die sich alljährlich durch die Cirques
wälzen und Rückstände hinterlassen.

Wer einmal auf Réunion unterwegs war, weiß was ich meine:
entlang der Wanderpfade befinden sich die Markierungen vieler Touristen,
die ihren Aftermuskel nicht unter Kontrolle haben und die Wege mit braunen
Häufchen, garniert mit rosa der weißem Klopapier, verzieren.
Aber damit nicht genug, den eigens produzierten Müll vielleicht mitzunehmen
und in einer Mülltonne oder ähnlichem Behältnis zu entsorgen,
scheint vor Ort nicht besonders in zu sein.

Noch größere
Probleme werden durch den immensen Wasserverbrauch von den Gästen
verursacht. Um diesen Bedarf zu decken, werden die zur Verfügung stehenden
natürlichen Wasserquellen angezapft und das wertvolle Naß wird
in die Siedlungen umgeleitet, der ursprüngliche Wasserlauf vertrocknet
folglich, Fauna und Flora gehen langsam an Feuchtigkeitsmangel zugrunde.

Zum Wasserverbrauch gehört untrennbar die Entsorgung der Abwässer.
Zwar gibt es in den Ortschaften hier und dort Auffangsysteme, schaut man
sich aber den Zustand der natürlichen Wasserkanäle in den Cirques
an, ist es offensichtlich, daß ein Gutteil der Abwässer in den
natürlichen Wasserkreislauf zurückfließt. Festzustellen
ist das recht einfach, denn weggeschwemmter Kunstdünger, Fäkalien
und Zusätze zu Seife und Waschpulver sind beste Düngemittel und
schon explodiert das Wachtum von vorher unscheinbaren Algen in den natürlichen
Wasserläufen. Es bilden sich Algenteppiche und stinkende Pfuhle mit
Brachwasser. Diese Überdüngung der Gewässer in Kombination
mit Wasserverknappung auf deren Ursachen ich später komme, können
mittelfristig jedem Gewässer den Garaus machen, es kippt einfach um.

Ein weiteres Problem,
das die Entnahme des benötigten Wassers aus natürlichen Systemen
und dessen unsachgemäße Entsorgung mit sich bringt, ist die
Flüssigkeitsversorgung von Menschen, die weiter abwärts ihr Wasser
entnehmen. Wasser fließt immer nach unten, die Abwässer auch,
da wird kein Unterschied gemacht, ob noch ‘ne “französische Wurst”
mitschwimmt. Folglich muß man davon ausgehen, daß die Wasserqualität
abnimmt je tiefer die Entnahmestelle. Ein Punkt über den sich die
Leute Gedanken machen sollten, bevor die ersten Vergiftungen mit Fäkalbakterien
vorliegen.

Die immer intensivere landwirtschaftliche Nutzung aller derzeit erschließbaren
Flächen auf der Insel bringt seine eigenen Probleme. Die Abholzung
der ursprünglichen Regenwälder zwecks Schaffung von Siedlungs-
Land- oder Forstwirtschaftsflächen verändert die in einer zerklüfteten
Landschaft, wie auf Réunion existierenden, für das Ökosystem
wichtigen Mikroklimata. Das Wetter funktioniert nach dem Motto “jedem
Cirque sein eigenes Wetter”. Als Folge ändet sich das Niederschlagsmuster,
Erosion oder Veränderung der Fauna und Flora sind die Ergebnisse.
In der Regel stehen ganz am Ende kahle Abhänge und fehlende Regen,
das Austrocknen der betroffenen Gebiete.

Die Einführung
exotischer Nutzhölzer, wie Eukalyptus oder der japanischen Nadelbaumart
Kryptomeria hat nicht nur auf das Gesamtbild der Landschaft eine Auswirkung,
man kann sagen, daß die Folgen der Anpflanzung häufig von Verkarstung
der Böden bis zur Erosion reichen können. Zusätzlich leidet
die ursprüngliche Vegetation einerseits durch das Anlegen von Weideland
und andererseits durch das unkontrollierte Grasen von Rinden und insbesondere
Ziegen, die als Kahlfresser wohlbekannt sind.

Die Insel hat heute überall sichtbare und besonders schon von
Weitem riechbare Müllkippen und will Réunion nicht eines Tages
in seinem Unrat ersticken, müssen sich die Leute etwas überlegen,
was die Verwendung von Einwegverpackungen angeht. Es gibt an dem Ort nicht
eine einzige Mehrwegflasche, was mir teilweise das Biertrinken vermiest
hat, nach dem Verzehr wird das Glas weggeworfen, ohne noch einmal in den
Kreislauf gebracht zu werden und natürlich hat die Plastikkultur auch
ihren Einzug gehalten und treibt auf der Insel mindestens genau solch häßliche
Blüten, wie in Europa.

Notwendig gemacht
wird die intensive Nutzung dieser Insel durch ein sattes Bevölkerungswachstum,
Zuwanderung aus dem europäischen Frankreich und einem allgemein gesteigerten
Luxusbedürfnis. Möglich machen es die individuelle Mobilität,
sprich das Auto und die Konstruktion von Straßen in den letzten Winkel
der Insel. Die Menschen suchen sich eher aus einem Pioniergeist heraus
neuen Lebensraum, als daß sie über genügend Ressourcen
und Bildungsstand verfügen würden, um mit der Insel auf einem
etwas ökologischerem Niveau zu kohabitieren.

Wenn nicht bald effektiv und nachdrücklich etwas gegen den Raubbau
an der Insel getan wird und Mittel und Wege eingeführt werden, der
Bevölkerungsexplosion entgegenzuwirken, habe ich für La Réunion
eine Horrorvision: Die so bizarren und ästhetisch anzusehenden Berglandschaften
werden ein für alle Male nacktem Fels weichen, in den die Menschen
mit lauten und stinkigen
Maschinen ihre Behausungen treiben werden. Erst holen sich Adams und Evas
Nachfahren das Paradies zurück und dann verwandeln sie es in schieren
Stein. Vielleicht hatte die antike Vetreibung unserer Stammlovers weitergehende
Gründe, als derzeit für die Nachwelt dokumentiert. Zwar gibt
es mit dem Einsatz von Solarenergie auf Réunion schon ‘mal hier
und da einen Ansatz von ökologischem Denken, aber das wird nicht reichen,
nur ist Dr. Igüz kein Doktor der Ökologie, er kann zwar beschreiben,
was er sieht, Lösungen jedoch müssen die Experten finden. Laßt
uns hoffen, daß diese schneller sind, als jene gefräßigen
Nachfahren der allbekannten Apfelfetischisten.


Copyright: Dr. Igüz 1999

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