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PopKomm.'99 

Zum elften Male war es soweit, daß sich in Kölle am Rhein mittlerweile als "sechste Jahreszeit" bekannte Jahresabschnitt einstellte - die PopKomm '99. Vom 19. Bis 22. August füllte sich die Rheinmetropole wieder mit den schillernden Figuren des Popbiz. 1800 Aussteller aus 25 Ländern und 530 Bands und Musiker sorgten dafür, daß sich auf der Messe und auf dem angeschlossenen KommUnity Festival nicht nur mitgebrachte

Vinylscheiben auf ihren Plattentellern und die kleinen silbernen CDs in ihren Gehäusen drehen, nein, auch der Rubel sollte rollen. 
Der PopKomm-Gründer und heutige VIVA-Chef Dieter Gorny brachte es auf den Punkt: Es geht um Milliarden.  
Dieter Gorny >

Zwar hat die PopKomm eher den Ruf von einer Selbstdarstellung der Szene, als die viel professionellere Midem, die sich auf tatsächliche Geschäfte verlagert. Aber auch in Köln sollten die Weichen für wichtige Zukunftsgeschäfte der Branche gestellt werden. Denn Probleme hat die Musikbranche ohne Ende. Nicht nur daß ihnen die Umsätze wegbrechen, im ersten Halbjahr'99 gab es erneut eine Einbuße um 10 Prozent nach einem äußerst schwachen Jahr '98 und die ersten PopKomm-Stammkunden (bspw. Virgin Records und Warner / Chappell) zogen daraus ihre Konsequenzen und waren gar nicht erst mit einem Stand auf der Messe vertreten.
 

Zu dieser Problematik meinte PopKomm-Chef Großmaas, dem einen oder anderen noch als Bassist der eingegangenen Reggaekombo Natty U im Gedächtnis, in einem Interview mit der "Musikwoche" Mitte August: "Wachstum um jeden Preis ist nicht das Ziel, sondern es müssen die Inhalte in Einklang gebracht werden". Sprich, wir merken schon, daß wir Fehler gemacht haben und daß im Moment nicht mehr Kohle abzuschöpfen ist, aber laßt uns gemeinsam darüber reden, wie wir wieder mehr Schotter machen können. 

PopKomm. Chef U. Großmaas > 
Drei Themenschwerpunkte sollten den Weg zu erneut gefüllten Kassen ebnen: "Brenner-Piraterie", "mp3" und "das Verhältnis zwischen der Musikindustrie und den Radiomachern". Innerhalb dieser Foren wurden Diskussionen geführt, Vorträge gehalten und Prognosen aufgestellt. Daß die Szene an den aus ihrer Sicht für die schrumpfenden Umsätze Verantwortlichen - www und mp3 - nicht mehr vorbeikommt, zeigen Überschriften, wie "Die digitale Herausforderung - Musik und neue Technologien", "Wo spielt die Musik im Internet?", "mp3 - die neue Freiheit beim Musikgenuß" oder "Multimedia und Urheberrecht".
Es wird also geredet über die Zukunft der Branche. Hoffen wir, daß es sickert bei den Herren Stein, Gramatke, Fest & Co und daß sie nicht im nostalgischen Taumel eines Afri-Cola Rausches mit der Yellow Submarine abtauchen.

Jeder weiß, daß die PopKomm. viel mehr ist, als nur Business mit runden Tonträgern, das KommUnity Festival mit seinen x Veranstaltungen, das Ringfest und das Bizarre Festival bescherten Köln einen Andrang von Musikern sämtlicher Couleur. Allerdings wird auch bei dem Rahmenprogramm Kritik aus verschiedenen Lagern laut, denn natürlich geht es auch bei den Parties, Konzerten und Festivals um Cash und Ansehen.

Die Skepsis der Clubbesitzer, die in ihren Etablissements die Konzerte der PopKomm. veranstalten, sehen die Messe als reine Geldmaschine, haben logistische Probleme mit den sehr mobilen Popkomm-Besuchern, die den einen Club plötzlich Hals über Kopf verlassen, um woanders eine Veranstaltung zu sehen und dort die Getränke zu konsumieren oder sie sehen sich der Willkür irgendwelcher Sponsoren ausgesetzt, ohne die eine Kulturveranstaltung in diesem Lande offensichtlich kaum noch stattfinden kann. Da lobe ich mir doch die Aussage eines Clubbesitzers, der da meint, daß er mit dem Kram nix zu tun haben will und lieber "independent" bleibt - gesünder für eine progressive Musik ist das alle Male.

Für I R I E Leserinnen und Leser, die sich einem ähnlichen Musikgeschmack, wie Dr. Igüz verschrieben haben, gab es ja leider nicht besonders viele Gigs, die man sich hätte ansehen können. Mr. Gentleman hatte einen Auftrittsmarathon, bei dem er sein neues Album "Trodin' On" an fünf oder sechs verschiedenen Orten der PopKomm vorgestellt hat, das Ska Festival im bürgerhaus Kalk ist natürlich immer ein Highlight und im Kitt Club gab es die Reggae Dancehall Eruption mit Kingstone und weiteren Soundsystems, sowie Live DJs.
 

Und auf dem Kickzone Festival konnte man sich im Müngersdorfer Schwimmbad nicht nur heiße Grooves anhören, sondern sich auch gleichzeitig in einem der gefüllten Schwimmbecken abkühlen. 
Diesem Ruf folgten dann auch 15000 Zuschauer, um sich von den neuesten elektronischen Sounds (Klaus Schulze mit Solar Moon, Carl Bartok, Ex-Kraftwerk usw.), von DJs, wie Punk Roc oder von Soundsystems aus der Beatz Area in der sommerlichen Augustnacht einlullen oder auf die mit schweißgebadeten Körpern volle Tanzfläche entführen zu lassen. Hier und da gab es weitere artverwandte Events, mit deren Aufzählung ich aber hier nicht langweilen will. 

< Carl Bartok

Für alle Rat Suchenden hatten sich die Veranstalter dieses Musikevents etwas Neues einfallen lassen, die PopKomm Scouts. Mit Handy bewaffnet zogen sie durch die Stadt, positionierten sich strategisch vor den Clubs und sollten den Fragenden auf alle messeverwandten Fragen mit Rat und Hilfe zur Seite stehen. Leider, so das Fazit, wurde das Chaos der letzten Jahre durch die Jungs und Mädels mit drahtlosen Kommunikationsmitteln auch nicht besser, denn entweder war bei Bedarf niemand zu sehen, oder die Clubs waren einfach so voll, daß zu den guten Geistern kein Durchkommen war. Und um 1 Uhr, wenn die Party auf der PopKomm richtig brummt, war für die Helferlein Schicht. Eine gute Idee mit schlechter Umsetzung, bis zum nächsten Jahr gibt es bestimmt eine Verbesserung.
 

Als wenn das alles nicht schon genug an Musik wäre, gab es noch das Ringfest. In Zahlen: 2 bis 3 Millionen Zuhörer an zwei Tagen, 11 Bühnen verteilt auf 2.5 Kilometern, auf denen 300 Bands ihren Sound präsentiert haben. Während die Clubveranstaltungen im Rahmen der KommUnity adultes Publikum anzogen, fand auf diesen Brettern die Teenie-Show statt - angesprochen waren die Zwölf- bis Zwanzigjährigen. Und nicht nur die Musik kam aus der kommerziellen Popecke - obige Zielgruppe ist für die Industrie nach wie vor die zahlungsstärkste, auf den zweieinhalb Kilometern drängte sich Bierbude an Würstchen Willi an Döner Ali an Souvlaki Giorgi und sogar die verfilzten politischen Parteien gingen per Wahlkampfstand auf Erstwählerfang.
 

^ db-Messgerät im Einsatz

Für Ordnung sorgten neben den in grün-braunen Tönen gekleideten Wachtmeistern und -innen auch private schwarze Sheriffs. Etwas verwunderlich ist dann schon, daß irgend so ein Idiot einem Anderen ein Messer in den Wanst rammen und dann seelenruhig mit der KVB (den Bahnen und Bussen in Köln) den Tatort verlassen kann ohne zur Rechengeschaft gezogen zu werden. Da es in der vergangenen Zeit immer wieder Beschwerden der Anwohner ob zu hoher Lautstärkezahlen gab, ließ der kölsche Kurfürst Antwerpes drei seiner Untergebenen mit db-Meßgeräten herumlaufen und wehe, die Grenzwerte wurden überschritten. 85 bis 90 Dezibel wurden als Spitzenwert gerade noch toleriert, bei darüber liegenden Zahlen wurde sofort eingeschritten und man munkelt, daß sogar über 100 db registriert wurden. Ob da wohl dem Antwerpes sein wohlbehüteter Wein sauer geworden ist? 

Und das alles für ein Publikum, das hauptsächlich aus den Einzugsgebieten der Kennzeichen SU, BM und LEV lag, von dem allgemein bekannt ist, daß es seine Grenzen nicht kennt. Minderjährige konsumierten Hochprozentiges in Massen und es wurden - oh Schreck - einige Verstöße gegen das BtmG registriert. So war's: jede Menge Nachwuchs-Asis, die sich an einer langgezogenen Bier- und Würstchenbude mit dem für den Body Nötigen versorgten, dabei von Sounds von Blümchen & Co berieselt wurden und am Ende noch 30 Tonnen Müll zurückließen.

Für die Anhänger der rockigeren Klänge war mit dem Bizarre Festival auf dem Butzweiler Hof im Kölner Nordwesten auch gut gesorgt. Es wird das letzte Bizarre in Köln sein, denn auf dem gleichen Gelände wird das "Coloneum" errichtet, der europaweit größte Filmproduktionsbetrieb. Weil es diesen Herbst mit der Produktion losgehen soll, stand dem Festival für mehr Leute als '98 weniger Platz - genau ein Drittel oder 60 Hektar - zur Verfügung. Trotzdem kamen 35000 - 45000 Leute, um sich das mit fetten Namen reichlich gespickte Programm reinzuziehen, durch das von Kultmoderator Alan Bangs geführt wurde.
 

Alles in Allem war es wieder eine gelungene Selbstdarstellung des "Wirtschaftsfaktors Musik". Millionen von Menschen wurden von Hunderten von Musikern und Veranstaltungen angezogen und haben sich amüsiert. Die Kollegin Barbara Cipielik vom Kölner Stadt Anzeiger hat das Feeling der PopKomm.'99 schön in einem Satz auf den Punkt gebracht: "Alle trinken Bier, viele rauchen. Andere Drogen riecht man nicht." Also, immer noch Sex and Drugs, nur der Rock 'n' Roll ist etwas angeschlagen. Bis zum nächsten Jahr.


Copyright: Dr. Igüz 1999