Re.:
Diskriminierung Schwuler
Dieses Thema ist sicherlich
nicht nur in der Reggaeszene ein heißes Eisen. ich möchte es
trotzdem anpacken, auch auf die Gefahr hin, mir die Finger zu verbrennen
(das wäre ja nicht das erste Mal, aber mein Ziel ist es auch nicht,
es allen recht zu machen).
Ich bin ja mit meiner neuen
Heimat in Thailand recht weit weg vom Geschehen in der deutschen Szene.
Trotzdem habe ich mitbekommen, daß es letztlich eine Menge Aufregung
gab, als Schwulen- und Lesbenverbände angefangen haben, Front gegen
die Auftritte von Reggaemusikern (u.A. Buju Banton) in D zu machen. In
den Internetforen wurde daraufhin recht heiß diskutiert, teils in
einem Stil, der schon als Volksverhetzung zu bezeichnen ist. Die Gemüter
kochen auf hoher Flamme.
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Ich kann das
alles nicht so ganz verstehen, wenn sich ein Typ in Frauenklamotten, grell
geschminkt und glattrasiert auf die Bühne stellt und irgendwelche
Travestieprogramme vorträgt, dann scheint das okay, gesellschaftsfähig
und keineswegs anstößig. Wenn auf dem CSD grellste Gestalten
durch Kölns Innenstadt ziehen, provokativ bis zum letzten, in Hauseingängen
ungeniert kopulieren und zu Hunderttausenden öffentlich ihre Gleichgeschlechtlichkeit
feiern, dann sind die Bilder ein gefundenes Fressen für die Medien
und die Veranstaltung ist “ein Geldsegen für das Kölner Stadtsäckel”.
< Kann das zusammengehen,
was eine Fotomontage möglich macht?
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Wenn es auf der anderen Seite
eine fundierte Bewegung großenteils gläubiger Menschen gibt,
die sich in ihrer Kunstform, der Musik, dem Reggae,artikulieren, dann ist
das heutzutage anstößig, nicht tragbar und muß verboten
werden, bzw. wird verboten.
Daß es in unserer bundesdeutschen
Demokratie keine Zensur gibt, habe ich mir schon lange abgeschminkt, aber
ich beginne mich zu fragen, wie weit die inhaltliche Kontrolle von Kunst
noch gehen soll? Macht demnächst die Drogenbeauftragte in Allianz
mit Otto Schily Front gegen Reggaemusiker, weil diese “den Mißbrauch
von Drogen (sprich Marihuana)” propagieren? Oder fängt demnächst
der frisch ernannte Pabst mit Elan an zu lamentieren, daß ein “fire
‘pon Vatican” nicht hinnehmbar ist, weil dadurch seine Reichtümer
zu verbrennen drohen? Ach ja, und Milliarden von Frauen in der ganzen Welt
werden sich erheben und dagegen demonstrieren, daß die Hygieneartikel
für die Menstruation als Schimpfwort mißbraucht werden – bombo
claat, das kann doch alles nicht wahr sein.
Ich frage mich ernsthaft,
ob solche Leute, die ihre Scheren wetzen, um damit die Stimmbänder
von Reggaemusikern zu verstümmeln, noch ganz sauber ticken. Soll dieses
Schnittinstrument an die Kehle der Künstler gesetzt werden, um die
“Schere im Kopf” beim Erstellen von Songtexten zu erzwingen? Nach dem Motto,
“ja, du darfst bei uns in der freiheitlichen BRD auftreten und ein bißchen
Geld verdienen (von dem Du direkt wieder einen guten Batzen an Steuern
dalassen kannst), aber nur wenn du dich wie ein “zivilisierter Mensch”
benimmst und die lieben Schwulen und den Pabst in Ruhe läßt
und dich von diesen gräßlichen Drogen fernhälst.”
Ist die deutsche Botschaft
in Kingston, J.A. schon angewiesen, vor der Erteilung eines Visums, sich
die Musik der Künstler anzuhören? Das wäre bei der von Joschka
Fischers neuerlich problembelasteter Anweisung “im Zweifel für die
Reisefreiheit” zu entscheiden, recht paradox, ist aber leider eher möglich,
als unmöglich. Dann kann es gut sein, daß die nächsten
großen Festivals, wie Chiemsee Reggae Summer oder Summer Jam echte
Probleme haben werden, ihre Programme vollzubekommen.
Und als nächstes reichen
die Sticker, wie “Parental Advisory: Explicit Lyrics”, als Warnhinweis
nicht mehr aus, ein Großteil des Angebotes jamaikanischer Musik wird
wegen der Unterstützung von Drogenkonsums, Frauen-, Schwulen- oder
Kirchenfeindlichkeit aus den Shops verbannt sein und als Konsequenz als
heiß begehrter Artikel bei e-bay & Co gehandelt werden.
Tja, liebe Leute, noch ist
das eine Utopie, aber wie weit sind wir davon entfernt? Es gibt genug “Gruppen
liberalen Denkens” (wobei dieser Begriff “dem Einzelnen möglichst
wenig Einschränkungen auferlegend, freiheitlich” bedeutet), unterstützt
von Guido Westerwelles FDP und Voker Becks Grünen, die einflußreicher
werden und in der Mediendemokratie ihren Einfluß nutzen, ihre Zielgruppen
zu erreichen.
Von dieser Entwicklung ist
auch die Reggaeszene nicht ausgenommen, wie das folgende Beispiel zeigt:
Ich bekam im März 2005 Mails von einem RootZ.net-Leser, von “El Grande
Timoso”, wie er sich nennt. Er hatte meinen Artikel über das Babylon
System gelesen und ist dabei über folgende Passage gestolpert:
“Innerhalb dieses Systems werden die Werte so auf den Kopf gestellt, daß
bspw. Frauen ungeniert zu Nutten werden können, der käufliche
Sex ist heute gesellschaftsfähig. Oder daß Homosexualität
erst entkriminalisiert, dann toleriert und schließlich gefördert
wird.”
Das ist die Beschreibung
von gesellschaftlichen Entwicklungen, die jeder mit offenen Augen sehen
kann. Mir als Autor wird in den Mails “eine faschistische Sichtweise” diagnostiziert
und “ein Statement” verlangt (das liegt mit diesem Artikel dann ja vor).
El Grande Timoso, der von sich selbst schreibt, er ist “gläubiger
Rastafari (inkl. Dreadlocks)” droht mir unter Berufung auf Artikel 1 des
Grundgesetzes (Die Würde des Menschen ist unantastbar), mich anzuzeigen
und RootZ.net “sperren zu lassen”. Nicht nur daß er scheinbar noch
nichts von Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) gehört hat, er hat sich offensichtlich
auch nicht mit den fundamentalen Werten der Rastafarians beschäftigt.
Als kleine Hilfestellung, Timoso: lies mal das RootZ.net-Interview mit
Prezident
Brown, er äußert sich für einen gläubigen Rasta
noch sehr dezent und zurückhaltend zum Thema. Abschließend fordert
dieser aufmerksame Leser allen Ernstes, ich solle “den Absatz ändern
und auf eine Art und Weise gestalten, daß er mit einem schwulen Freund
reggaehörend und eine Tüte rauchend” besagten Text lesen könne.
Gut, daß bisher jede Schere an meinem Dickkopf abgeprallt ist, aber
wer weiß, vielleicht werde ich jetzt angezeigt und RootZ.net wird
wegzensiert, ausreichend Verbündete wird El Grande Timoso finden,
ich vermute, hauptsächlich außerhalb der Reggaeszene. Aber mich
interessiert natürlich die Wirkung von mediendemokratisch gesteuertem
Liberalismus auf eine konservative Gruppe, wie es die Rastas nun mal sind.
Also, sollte ich aus Eurer Sicht mit diesem Artikel völlig neben der
Spur liegen, dann mailt mir Eure Meinung.
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