RootZ – Ticker – Mr. Gentleman


Mr.
Gentleman

Why
we can’t just live as one

Culture
exchange woulda make we feel strong

But
nough a dem are still flex ignorant

All
ragga ragga we got to move along ( Right Side Of Life)

Mr. Gentleman
und Brooke Russell >



 

 



^ Mr. Gentleman auf
dem Summer Jam ’99
Ja,
es gibt einen neuen Reggae-Botschafter nicer Riddims und aufrechter Lyrics.
Doch er heißt weder Shabba noch Capleton. Big Up für Mr Gentleman
den Kölner mit Herzensheimat Jamaika. Infiziert wurde er, als ein
Freund mit Soundsystemtapes aus dem Jamaika-Urlaub auftauchte. Jener Freund
besorgte sich erst einmal riesige Bassboxen und flog in der Folgezeit zwar
aus mehreren Mietverhältnissen, gründete jedoch das Seven Star-Soundsystem.
“Ich war damals 15 und kam von Hip-Hop-Acts wie Ice Cube und NWA. Meinem
älteren Bruder habe ich höchstens mal eine Peter Tosh oder Bob
Marley Platte geklaut”, erinnert sich der heute 25jährige Mr. Gentleman
aka Tilmann Otto.

“Doch damals habe ich begriffen,
daß Hip-Hop zwar ein großartiges Redepodest darstellt, Reggae
aber breiter gefächert ist. Was Sounds und Styles betrifft, gibt es
im Reggae mehr Vielfalt. Hier habe ich meine musikalischen Roots gefunden”.
Mit 17 ließ sich Gentleman die Adresse einer jamaikanischen Bauernfamilie
in einem Dörfchen namens Point geben und flog sechs Wochen in die
Karibik. “

Die erste Woche war der totale
Horror”, lächelt Gentleman selbstironisch. “Ich hing da in diesem
sechs Häuser kleinem Bergdorf und verstand kein Wort, obwohl Englisch
immer eins meiner guten Fächer war. Und dann warteten auch noch jeden
Tag mindestens sechs Typen vor der Tür, die den Whity aus Germany
kennenlernen wollten. Es hat bestimmt zwei bis drei Wochen gedauert, bis
ich mich halbwegs verständigen konnte. Fast jedes Wort mußte
ich mir auf Patois erklären lassen.

Doch schon nach einer Woche
waren wir auf einer Dance. Das war der Hammer. Denn das ist mehr als eine
Tanzveranstaltung. Die Musik hat einen viel höheren Stellenwert. Sie
ist ein allgegenwärtiges Mittel gegen den Distress auf der Welt. Und
ich habe diese einfache Heilsamkeit der Menschen gecheckt. Die habe ich
mit meiner materiellen Konditionierung zuerst gar nicht begriffen. Wie
gut es sein kann, ohne Fernseher, Fastfood und Talkshows zu leben. Wenn
du dort einen Tee willst, mußt du erst den Hang runter und durch
die Büsche zur Pumpe. Wenn du dann auf dem halben Weg nach oben dein
Wasser verschüttest und erst wieder runter mußt bevor du deinen
Tee aufbrühen kannst, erlebst du selbst die kleinste Sache viel bedeutungsvoller.”

 

 

Dermaßen
angetörnt kehrte Gentleman nach Köln zurück, schmiß
die Schule und jobbte fortan in Bars, um sich den nächsten Jamaika-Aufenthalt
zu verdienen. Dort hatte er inzwischen Freunde in Montego Bay und Flanka
gefunden. Das Leben in Jamaikas Metropolen ist natürlich sehr fashionable
und wesentlich mehr an westlichen Standards orientiert als die rootsige
Countryside. 

Doch auch hieraus zog Gentleman
seinen Nutzen. Dafür, daß er seinen beiden Taxi-fahrenden Freunden
Tony und Devon die weiße Kundschaft am Flughafen besorgte, nahmen
sie ihn mit auf Ghetto Sounds, wo man als Weißer ohne respektable
Credits nicht auftauchen sollte. “Hier habe ich meine ersten Feuerproben
bestanden” erklärt Gentleman.

“Es gibt keinen Glamour.
Alles ist dunkel, du hörst nur diese geilen Riddims aus den gewaltigen
Boxen und die Leute gehen steil. Für Dee Jays und Toaster ist Open-Mike-Competition
angesagt. Du springst einfach auf einen Riddim und mußt gegen die
anderen bestehen. Für mich war das ein wichtiger Lernprozess, um meinen
eigenen Style zu finden. Und der ist weder noch Dee Jay noch Sänger.
Ich selbst würde mich als Sing-Jay bezeichnen, weil ich nicht in einer
Tonlage chatte, sondern Melodien reinbringe.” Auch in Deutschland konzentrierte
sich Gentleman immer mehr auf die Message seiner Worte. Immer weiter verbreitete
sich der Geheimtip von dem smarten Dancehall-Vocalisten im deutschen Soundsystem
Underground. Einen ersten Höhepunkt hierzulande stellte sicherlich
Gentlemans Mitwirkung in dem ‘Arte Reggae-Spezial’ zu der renomierten “Lost
in Music”-Fernsehreihe dar. Besonders beeindruckend geriet seine Live-
Performance während des riesigen “Kwanzah”-Festivals in Kingston Jamaika.
“Kwanzah” ist ein afrikanisches Wort für Verstehen und Teilen.

Die Bühne jedenfalls
teilte sich der Newcomer vor tausenden tobenden Fans mit Ragga-Stars wie
Bennie Man oder Ninja. “Eigentlich verdanke ich meinen Auftritt einem großen
Zufall”, schüttelt Gentleman noch heute den Kopf. “Ich hatte ganz
normale Strandsachen an und war eigentlich schon froh, backstage sein zu
können. Da lief mir der Organisator G.T. Taylor über den Weg.
Ich hab dem dann einfach sowas vorgesungen und plötzlich sagt der
zu mir ‘ wir haben gerade eine Pause, jetzt gehst du auf die Bühne’.
Da gab’s natürlich kein zurück mehr. Und so habe ich zum damals
angesagten Cordyroy Riddim das erste Mal mit Band vor so einer riesigen
Kulisse gechattet. Die Leute haben so toll reagiert. Das hat mich in dem
Glauben bestärkt, es schaffen zu können.”

Zurück in Deutschland
avancierte Gentleman zu einer festen Größe des angesagten Hamburger
Silly Walks Soundsystem. Als MC heizte er die Dancemaniacs der Republik
an. Besonders häufig performte die Crew im Süden. Auf einem Dance
in Stuttgart fanden sich denn auch die HipHopper des Freundeskreis ein.
“Die fanden das ziemlich nice und kannten ein Soundsystem dieser Art vorher
auch nicht”, erinnert sich Gentleman. “Auf beiden Seiten war von Anfang
an viel Sympathie füreinander vorhanden, so daß wir von da an
in Kontakt blieben. Und als wir irgendwann mal wieder in Stuttgart spielten,
sprach mich Max an. Am nächsten Tag wollten sie im Studio einen Track
einspielen und er lud mich ein, mitzumachen. ” Besagter Track war kein
geringerer als “Tabula Rasa”, für den Mr. Gentleman die Chorus-Lyrics
schrieb.

So ziemlich jeder wird sich
wohl gefragt haben, wer dieser Gentleman mit dem geilen Reggae-Touch ist.
Spätestens ab da war Mr. Gentleman in aller Munde und sorgte bei den
Kollaborationen mit der R&B- Sängerin Brooke sowie auf der Freundeskreissingle
“Halt Dich an Deiner Liebe fest” erneut für die smoothen ‘Singjay’-Töne.
Doch all das war nur das Vorspiel zu Gentlemans Debütalbum, welches
die Vorschußloorbeeren durch seine druckvollen Riddims, ausgezeichneten
Vocals und vielfältigen Arrangements locker einspielt. “Das Album
ist gedrittelt”, erklärt Mr. Gentleman. “Einerseits habe ich mit der
Kölner Digital Diamond- Crew und deren Produzenten Roger&Shorty
vier Danchall Riddims produziert, u.a. eine Kombination mit Jack Radics.
So kannst du die Leute auf die Reggae-Reise schicken. Desweiteren haben
wir vier Tracks in Stuttgart mit Tommy Wittinger, dem ‘Tabula Rasa’-Produzenten
und Philipp Kaiser vom Freundeskreis produziert. Ich glaube, daß
die Leute einfach den Hip-Hop als Brücke brauchen, um zu Dancehall
zu kommen. Bounty Killer mit den Fugees aber auch ‘Tabula Rasa’ bestätigen
das. Und schließlich waren wir für zwei Monate in Kingston,
um ein paar echte Yard-Songs ohne Kompromisse aufzunehmen.”

 

 




^Mighty Tolga 

und Queen Bee

Und das ist ihnen
trotz mancher Schwierigkeiten gelungen. Denn als Mr. Gentleman, sein Sangeskollege
Mighty Tolga und Manager Stephan Schulmeister ankamen, besaßen sie
nicht viel mehr als ein paar Telefonnummern. “Das war ziemlich chaotisch,
bis wir dann einen Termin mit der Reggaelegende Richie Stephens in seinem
Mainstreet-Studio bekamen”, erzählt Gentleman. “

 

Der war schon auf Deutschlandtour
und kannte von daher noch Tolga. Richie fand unsere Sachen cool und hat
uns einfach ein paar neue Riddims vorgespielt. Da haben wir gleich zugegriffen
und in Windeseile auf dem Hotelzimmer unsere Lyrics geschrieben. Als wir
dann im legendären Mixing Lab Studio mit Redrose produzierten, war
Sly Dunbar auch da. Sly und Robbie, die Riddim Twins, legten den Riddimtrack
(bass + drums) zu der Kombination mit Jamaicas upcoming Star Terry Linen.

Eine Ehre, der sich Gentleman
und seine Crew als durchaus würdig erwiesen. Denn was er zu den sommerlich
groovenden Midtempo-Beats und dem smoothen Saxophon von Altstar Dean Fraser
auf ‘ Jah Jah Never Fail’ an eindringlicher Vocalkunst hören läßt,
hat in dieser Liga seinen wohlverdienten Platz. Die erste Single ‘ In The
Heat Of The Night’ (von Jamaicas Top-Producer + Vocalist Richie Stephens
produziert) dagegen featured zu knappen, forward movenden Digital-Riddims
einen wunderbaren Conversation Style zwischen Gentlemans rauhen Lyrics
und Richie Stephens & Mighty Tolgas soulvollem Gesang. Auf ‘Right Side
Of Life’ schließlich beweist Mr. Gentleman eindringlich die Klasse
und Consciousness seines ‘Sing-Jay’ Styles, wenn er zu eher düsteren
Streichern und pumpenden Beats seiner Spiritualität und Weltanschauung
Ausdruck verleiht. “Mir ist sehr daran gelegen, keine Gun- oder Slackness-Lyrics
zu verwenden”, betont Gentleman, der selbst auf Lady-Tunes wie ‘Human Being’
einen smarten aber respektvollen Ton anschlägt. “Ich will einfach
mehr Positivität vermitteln. Statt uns ständig zu beurteilen,
müssen wir uns gegenseitig zu mehr Lebendigkeit anfeuern.”

Von dieser Lebensfreude und
Aufrichtigkeit hat Mr. Gentleman eine volle Salve abgefeuert. Glücklich
der, der die Stimme des Botschafters vernimmt.

Künstler: Mr. Gentleman
(alias Tilmann Otto)

Label: FOUR MUSIC

Album: “Trodin on”, Vö
08.06.1999

Single: “In the Heat of
the night”, Vö 17.05.1999

Tour: Esperanto-Tour mit
Freundeskreis, Afrob, Déborah, Walkin ´Large usw.

Discographie:

1995: Dancehall Power Vol.
1, CD, Red Arrow/SPV

1995: Setting Sail Compilation,
CD/LP, Sound Navigator

1996: Livin in di house,
12inch, Digital Diamond Records

1996: When the sunlight
go down, 12inch, Digital Diamond Records

1996: How dem flex, feat.Half
Pint, 12inch, Digital Diamond Records

1996: Di Iries, div. Songs,
CD/LP, Sound Navigator

1998: 11 Rastaman, mit Lanity
(Messer Banzani), CD/12inch, EMI 1998: Tabula Rasa, mit Mellowbag + Freundeskreis,
CD, WEA

1999: So Sweet, mit Brooke
Russell, CD/12inch, Edel Records

1999: Trodin’ On, Album


Copyright:
Text / Photos: Four Music / Marlboro Music / Dr. Igüz / Layout: Dr.
Igüz 1999

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