RootZ Aktion – Soma Festival, Wasserburg Geretzhoven bei Köln, 10. und 11.08.01


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Aktion
 

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Wasserburg
Geretzhoven, 10. und 11.08.01

Zum vierten Male fand das
kleine und gemütliche s.o.m.a. Festival jetzt statt. Die Location,
eine Wasserburg 25 km vor den Toren Kölns ist für ein solches
Festival wie geschaffen: mit verschiedenen überdachten Räumen
und einem Freigelände für die große Bühne und eine
Ansammlung für Stände mit Essen und den weiteren Paraphernalien,
die auf einem Festival nicht fehlen dürfen. Hinzu kommt der Garden
of Music and Arts, wo auf der Bühne viele Kleinkünstler, aber
auch Gaukler und Artisten ihr Können gezeigt haben. 

Am Samstag, dem Hauptveranstaltungstag,
wollte das Festival irgendwie nicht aus den Puschen kommen. Zwar legte
das Fireball Soundsystem schon mittags um 12 h fetteste Dancehall Riddims
auf, aber zu diesem Zeitpunkt schlief die Festivalbevölkerung noch
ihre Alk, Pillen- oder Pilzrausch aus. Da war an der Konzeption des Ablaufes
irgendetwas schief gegangen. Als ich die Programmankündigung durchgeschaut
hatte, gab es noch Hoffnung, daß die Reihenfolge der Acts willkürlich
abgedruckt sei. Leider wurde der ideale Programmplatz für Fireball,
nämlich nach dem Hauptact Seeed noch etwas Reggaeparty auf dem Freigelände
zu machen, ins Reich der Illusionen verbannt.

So gab es nach den Kölner
Sound System auf dem Hauptplatz nix als spitze Schottersteine – letztes
Jahr war der Platz wenigstens mit Sand aufgeschüttet – und gähnende
Leere. Die Lück, die sich auf dem Platz rumgedrückt haben, sind
durch den feinen Staub, der vom Schotter aufgestiegen ist, zu zahlungswilligen
Getränkekonsumenten geworden. Ich jedenfalls hatte eine permanent
belegte Zunge und habe Unmengen Kohle für Drinks ausgegeben. 



 



Garden of Music and
Arts



Klaus der Geiger
Etwas mehr Leben war im
Garden of Music and Arts, wo am Samstagnachmittag eine Open Stage angeboten
wurde. Das Publikum wurde bombadiert mit Joan Baez Verschnitten, die die
Frage aufkommen lassen, ob die Hippies nie aussterben, es gab Virtuosen
auf Holzlöffeln, Sascha, der auf einem original australischen Plastikabflußrohr
Digeridoo spielte. Das war zwar nicht so basslastig wie beim Originalinstrument,
aber daß Plastik so schwingen kann, ist schon unglaublich. Weiterhin
eine Feuershow und viele weitere Leute aus dem Publikum, die ihr Können
gerne öffentlich zeigen wollten. Dabei war ein Mädel, das offensichtlich
einen Schuhplattler vorführen wollte, aber das in Zeitlupe und per
Pantomime – Freaks all over…

Highlight auf der Open Stage
waren zwei Acts, nämlich Klaus der Geiger – allbekannter Kölner
Proteststraßenmusikant, plus Gitarrenbegleitung. Die zwei spielten
auf sanfte Technountermalung einen Set per Geige und Gitarre, der sich
hören ließ. Und abends folgte noch ein musikalischer Trip von
Solar Moon, eine Reise durch die Gefielde sanfter Elektronik und dubbiger
Riddims. 

 

Bei der Open Air Stage begann
das Programm gegen 17 Uhr mit Baul Bishwa aus Indien. Da sich der Auftritt
eher wie ein Soundcheck anhörte, gab es kaum Leute, die sich an Tabla
und Gesang interessierten. Überhaupt war das Konzept des Hauptplatzes
verkorkst. Niemand hat sich länger als nötig dort aufgehalten
und so wurden die während einer Performance entstehenden Vibes bei
Beendigung direkt gekillt. Es gab auf den spitzen Steinen keine Möglichkeit,
sich mal hinzusetzen, der schon erwähnte Staub und die Abgase von
den auf dem Platz geparkten Dieselaggregaten haben den Leuten den Rest
gegeben. 


Ital Food

Um 19 h kam mit Adesa aus
Ghana etwas Action aufs s.o.m.a. und auch die letzten Verstrahlten öffneten
ihre schweren Lider, denn langsam kamen wenigstens ein paar hundert Leute
auf dem Gelände zusammen. Bei Adesa hämmerten zehn Leute auf
den Fellen ihrer Trommeln und anderen Rhymusinstrumenten rum und vollführten
allerlei akrobatische Choreographien, aber auch artistische Dinge, wie
Flic Flac oder Menschenpyramiden. 

 

Wenigstens 150 Leute fanden
das Spektakel sehenswert und haben viel Spaß mit der Band gehabt.
Ich konnte der Show weniger abgewinnen. Zu oft habe ich in Afrika ähnliche
Unterhaltungsveranstaltungen im Tourismusbereich nach dem Motto Folklore
für die Whities gesehen. Da gibt es in Bereich afrikanischer traditioneller
Musik ganz andere Kaliber.

 

Es folgte eine weitere,
mehr als eine Stunde dauernde, Umbaupause, in der eigentlich Fireball die
Massive noch mal mit Dancehallvibes pushen sollte – das wäre vor Seeed
ja auch nur sinnvoll gewesen. Dazu kam es aus technischen Gründen
jedoch nicht, anstelle dessen wurde das Publikum vom Mixer mit irgendwelchen
überlautem megaouten Hip Hop nicht nur beschallt, sondern verjagt.
Innerhalb kürzester Zeit gab es auf dem Platz kaum noch einen Menschen,
dafür aber wieder umso mehr lungenpenetrierende Diesel- und Staubpartikel
in der Luft. 

< Chilling Out

Gegen halb zehn hieß
es Showtime für den Topact. Heavy urban Dub – strait from Tor zum
Osten – mit Seeed aus Berlin. Die zwölfköpfige Band absolviert
gerade ein Mammutprogramm, spielt auf allen Festivals und in allen Hallen,
so wie Mr. Gentleman es 1999 und 2000 vorgemacht hat. Und trotzdem spürt
man in jeder Sekunde den Spaß, den das dreckige Dutzend Dancehall
Caballeros mit ihrer Musik hat. Endlich ist der Platz vor der Bühne
voll mit Menschen, ich schätze die Menge auf 1.500 bis 2.000 Leute,
die sich richtiggehend auf Seeed gefreut haben. Es wird abgetanzt, geskankt,
geraucht, mitgesungen und die alten Lighters sind in der Luft. 

 

Ich finde es richtig top,
was die Berliner Band live macht, sie vereint die Roots und die Raggaszene,
frischste Hardcore Riddims, wie „Putzbattle“ auf dem World Report von Germaican
wechseln ab mit Classix, wie „I Chase the Devil“ von Max Romeo, You Don’t
Love Me“ von Dawn Penn und Keep On Moving von Marley. Mit diesem Livekonzept
kann man hoffen, daß die Kids als neue Reggaeaddicts nicht nur auf
Riddimas shaken was sie haben, sondern sich zusätzlich den jamaikanischen
Wurzeln der heutigen Sounds widmen. Ein großer Shout Out an die Musical
Teachers von Seeed. 

 

Und auch wenn eine Liveshow
der New Dubby Conquerors, wie sich die Band gerne selbst bezeichnet, eine
umfassende Lektion aus dem Book of Jamaican Music ist, wirkt nichts lieblos
oder abgekupfert. Die Musiker garantieren einen fetten Sound, der Percussionist
und die Bläser erzeugen autentische Reggaevibes, der DJ ist als Relikt
der Hip Hop Zeiten gut in den modernen Großstadtsound integriert,
Drums, Bass und Keys legen professionell den musikalischen Teppich, auf
den die drei „e’s“, Enuff, Ear und Eazed, wie sich die drei Frontmänner
benannt haben, ihren Putzbattle austragen. 

 

 

Nach Abschluß des
Programms auf der Hauptbühne ging es in Scheune, Miste und Garage
noch mit Pillenmusik von Konserve weiter. Da ich erstens von Pillen und
zweitens von elektronischer Musik zu wenig verstehe, hier abschließend
das Fazit des vierten s.o.m.a.: Gelohnt hat sich die Anreise nur für
Seeed und das allgemeine Ambiente. 

< Seeed Massive

 

Essen und Trinken waren
lecker, die Lightshow fett wie immer, die Leute leider zu verstrahlt und
der Festivalablauf ohne jegliche erkennbare Feinfühligkeit für
die notwendigen Vibes. Schade, denn das letztjährige s.o.m.a. hatte
mich zum Fan des Festivals gemacht. Dieses Jahr folgte die Ernüchterung
– allerdings ohne vorherigen Pillenrausch.


Der Soundmann

 

 


Copyright Text / Photos:
Dr. Igüz 1998 – 2001
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