RoottZ Aktion – n.o.m.a.d. Festival, Burg Geretzhoven bei Köln, 26. – 28.7.02


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Aktion
 

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Burg
Geretzhoven bei Köln, 26. – 28.7.02

Nach dem s.o.m.a.
Festival in Jahre 2001 hat es wohl Zoff gegeben. Der war so stark, daß
sich das Team der Veranstalter getrennt und das Kölner Umland jetzt
zwei Veranstaltungen, die über den Tellerrand der „normalen“ Festivals
hinausschauen, hat. Ich meine damit, daß nicht nur das Programm auf
den Bühnen zählt, sondern das gesamte Drumherum ins Konzept einfließt.
Resultat ist ein Festival mit mehr Flair, da gibt es Licht in vollendeten
Kunstformen, ein allternatives Angebot von Konsummöglichkeiten und
nicht Nullachtfuffzehn- Fress- und- Sauf- Abfüllstationen. Hinzu kommen
Workshops exotischster Richtungen, Capoeira, Schwarzlichtmalen etc. und
das Ausstaffieren des gesamten Festivalgeländes mit kleinen Requisiten,
die das Herz und das Auge einfach erfreuen. Oder die geniale Idee, einfach
zum ultimativen relaxen ein paar Metallbetten aufm Gelände aufzustellen.
 

 

Trotz der Trennung
von einem Teil des Teams, haben die n.o.m.a.d. Veranstalter ihre Veranstaltung
gut gemeistert. Okay, es war ein gewisses Chaos auf dem Gelände zu
spüren, aber alle haben es gelassen genommen und ich habe auch von
nix gehört, was richtig schief gegangen ist. 

 

Ja gut, uns
haben sie die RootZ.net Area canceln müssen. Wir hatten eigentlich
vor, Euch in der Scheune ein nettes, samstägliches Reggaeproramm mit
zwei Sounds (Top Frankin aus Essen und Syndicate aus Köln), sowie
den zwei Liveacts Electro Zulu Klan aus Köln und den phantastischen
Ras Ites aus London, zu liefern, aber es sollte nicht sein. Erstens ist
die Scheune als Veranstaltungsort den Männern vom Ordnungsamt zum
Opfer gefallen, aus irgendwelchen Gründen hatten sie Sicherheitsbedenken
und zweitens gab es dann von den gleichen Menschen noch so viele Organisationsauflagen,
daß die Veranstalter sich genötigt sahen, die Ras Ites wieder
auszuladen und die eingesparten Kosten in das von den Behörden geforderte
Konzenpt zu stecken. JAHs Wege sind machmal unergründlich, führen
letztlich aber immer zum Ziel. 

 

Daß dann
mit einem zerfledderten Reggeaprogramm – die Acts wurden hier und da verteilt
– keine Vibes aufkamen, ist dem breiten Musikkonzept des Festivals anzulasten.
Wir haben daraus gelernt und werden das nächste Mal auf einen zusammenhängenden
Reggaeblock bestehen. 

Aber zum Festival selbst:
Als wir am Freitagnachmittag gegen halb vier auf dem Gelände eintrafen,
erwartete uns erst mal ein ratloser Mensch an dem Stand, wo wir unsere
Bändchen abholen sollten. Da wir aus irgendeinem Grund nicht auf der
Liste standen, mußten wir nochmals mit jemanden aus der Veranstaltungsleitung
telefonieren. Das funktionierte dann aber alles wie am Schnürchen
und die Bemerkung: „geht doch erst mal ins Catering, trinkt einen Kaffee
und kommt gemütlich rein“ hat wieder alles wettgemacht. Klasseservice,
muß ich echt sagen. Ansonsten wird mit Catering immer gezickt, hier
hatten wir noch nicht mal nachgefragt und haben es bekommen. Wir, das sind
übrigens meine beiden jüngsten Mitarbeiter Sylvia und Lukas und
Veit, sowie ich (Doc Highüz). Ihr kennt alle schon von der Summer
Jam Berichterstattung und werdet diesen Namen immer wieder über den
Weg laufen. 

 



Doc Highüz


Sylvia und Lukas


Veit

Wir folgten jedenfalls dem
nett gemeinten Ratschlag und bogen erst mal in Richtung Catering ab, auch
wenn es dann kalter Kaffee, sprich Afri Cola wurde. Es folgte eine kurze
Besprechung, was an dem Tag ansteht und eine anschließende Besichtigung
des Geländes. Viel war noch nicht los, überall wurde geschraubt,
gesteckt und konstruiert. Und einige „Verstrahlte“, die auf dieserart Festivals
zuhauf rumlaufen, waren schon am Werk: 

 

In einem marokkanischen
Teezelt wurden wir Zeuge, wie drei Leute eine geschlagene halbe Stunde
für den Aufbau eines Tisches brauchten, der mit vier Handgriffen eigentlich
steht. Auf der anderen Seite konnte man aber allenortes sehen, mit wieviel
Liebe zum Detail alles angerichtet wurde, daß eine etwas längere
Dauer bei der Konstruktion ohne weiteres verzeihbar ist. 

 

Voll war es
nicht, obwohl das Wetter sich hielt und mit dem Laufe des Abends immer
besser wurde. Später kamen dann auch mehr Leute, aber am ersten Abend
muß man sagen, daß sich alles noch sehr verlief. Programmmäßig
gab es in der Chill Out Area – dem Obstgarten – dem Motto entsprechend
chillige Musik von Konserve, die manchmal ob ihrer Monotonität zu
nerven drohte. Aber das ist, wie bekannt, Geschmacksache und andere sind
vielleicht voll auf den Sound abgegangen. Wir hielten uns jedenfalls lange
im Teezelt auf und haben einfach dem regen Treiben des Festivalvolkes zugeschaut. 

Auf dem Sandplatz war wieder
die Open Air Stage aufgebaut. An dieser Stelle erst mal ein Danke an den
Veranstalter, daß er den Platz wieder zum Sandplatz gemacht hat.
Die kleingemahlenen Steine haben letztes Jahr echt gefehlt, es mochte sich
niemand auf dem groben Schotter setzen mochte und sogar das Stehen wurde
ab einer gewissen Zeit zur Qual, vom Staub ganz zu schweigen. So konnte
man sich dieses Jahr ganz gemütlich hinpflanzen und dem Programm lauschen.
Auch wenn dieses am ersten Tag nicht unbedingt „gemütlich“ zu nennen
war:

Der erste Act, Jan Ü,
legte progressiven Ethnosound auf und ließ die Leute vielleicht noch
ihre mitgebrachten Decken ausbreiten. 

 

Danach kam NoNos,
was echt schon recht heftig war: Neopunk, Garage, oder wie immer man das
auch nennt – nicht mein Geschmack. 

Es fogte ne Schrammelelektokombo
aus Kölle, namens Big Sur, dessen Bandmembers alle so durchgestylt
waren, daß ich sie schon fast als Fremdkörper auf solch einem
Festival empfunden habe, sie sind mit ihren Klamotten und Hairdos einfach
aufgefallen. Und auch mit dem Sound konnte ich garnix anfangen. 

Gegen 21 h gabs dann den
Hauptact des Tages, der wegen der Affinität von Veit zum Sound der
Band etwas ausführlicher wird, als die sonstigen Eindrücke –
Mina aus Berlin:

 

Der Platz ist
noch relativ leer. So leer, dass sich vor der Bühne nur etwa 50 Leute
niederlassen, um Mina zu sehen. Das Quartett spielt in der Besetzung Drums,
Bass, Gitarre und Keyboards (Orgel, Synthesizer) eine Instrumental-Musik,
die sich irgendwo zwischen Kraftwerk, New Wave, moderner Elektronik und
Pop bewegt, die ebenso episch wie schlicht sein kann, und die bei aller
Aktualität absolut zeitlos ist. 

Musik für das beste
SF-Hörspiel, das man noch nie gehört hat. Über stoische
und doch relaxte Disco-Beats sägt der Bass, zwischen Begleitung und
Melodieführung oszillierend, ein echtes Brett herunter, die Gitarrenarbeit
ist vielseitig und überaus sachdienlich, und die Keyboards sorgen
für die Farbtupfer. Überhaupt funktioniert diese Band als überzeugendes
Ganzes, als Kollektiv, in dem sich der Einzelne kaum hervortun kann. Platz
für Soli oder andere Eskapaden gibt es in der Musik von Mina nicht. 

Die Songs beziehen ihre Spannung
aus ihrer klaren, zwingenden Architektur und dem energetischen, unprätentiösen
Spiel. Vor allem die Nummern des letzten Albums „A to B“ wie “Desktop“
oder “Yourself“ sind, nicht nur in dieser Hinsicht, kleine Meisterwerke.
Aber auch die unbekannten Stücke, zum Teil Vorboten des neuen Albums
“Expander“, lassen aufhorchen. Von dieser Band werden wir noch einiges
hören. 

Ein weiteres Highlight: eine
‘Coverversion‘ der Titelmelodie des Commodore 64-Spiels “Arkanoid“. Unabhängig
von Begriffen wie ‘Hype‘ oder ‘Nostalgie‘: in diesem Moment fühlt
man sich einfach nur verstanden. 







Die Klänge von Mina
im Ohr haben wir uns dann per Schuttlebus zum nächsten Bahnhof aufgemacht,
waren wir an diesem Abend auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.
Schade, daß die Shuttelbusse es nicht geschafft haben, im Takt mit
den Zügen zu fahren. Wir durften 55 Minuten auf den nächsten
Zug warten, haben uns die Zeit dann mit einem uns lieben Hobby ( ;-} )
vertrieben. 

 

Samstag war transportmäßig
schon besser, ein Kollege kam uns am Nachmittag abholen und ab gings gen
Festival, das wir recht zügig nach einer kurzen und unfreiwilligen
Stadtrundfahrt in Pulheim, einem Kölner Vordorf, erreichten. Die Parkis
waren alle voll, so daß ein längerer Fußmarsch in Kauf
genommen werden mußte, aber so ists halt mit Festivals.

Eigentlich wollten wir an
dem Nachmittag unseren Schwerpunkt auf die Workshops legen, aber Lukas
und Sylvia haben irgendwie nicht einen entdeckt. Sie waren also entweder
zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort, oder die Teile haben nicht stattgefunden.
Schade eigentlich, denn wir wollten Euch einige der exotischeren Sachen
vorstellen. Doch es sollte nicht sein. 

Dafür gabs auf dem Sandplatz
nette Ethnosounds. Begonnen wurde das Programm wieder mit dem schon am
Vortag aktiven Ethno DJ Jan Ü, dann gabs Liveacts: Als ersten Samson
Kidane, der aus Ostafrika, entweder Kenia oder Äthiopien stammt. Er
lebt schon seit einiger Zeit in Deutschland und hat sich vor kurzem mit
dem Kölner Trance DJ Puls zusammengetan, um eine Fusion verschiedener
Styles auszuprobieren. Das Ergebnis ist auf jeden Fall hörbar. Ethnische
Melodien treffen auf ein Rhythmusgerüst, das sich hören läßt.
Samson Kidane selbst spielt ein recht exotisches Instrument, eine Art elektrisch
verstärkter Harfe, dazu gesellen sich Tabla, Trompete und eben der
Schrauber Puls. 

 

Anschließend gings
weiter mit Oojami, einer Formation aus der Türkei und London. Hier
dominierten die orientalischen Einflüsse, wurden aber auch gespickt
mit Anleihen aus Breakbeat, House und Hip Hop. Das Publikum wurde zu „Bellydancing
Breakbeats“ – übrigens auch der Titel des aktuellen Albums – animiert
und
einige Ladies, die was zu shaken hatten, tatens dann auch mit wackelnder
Begeisterung.

 

Als Hauptact – ihr habt die
Ras Ites aufm Gewissen, die eigentlich in diesem Programmslot spielen sollten
– gabs dann Son Goku, das Projekt eines Viertels der Fantastischen Vier,
Thomas D.. Der Name stammt von einer japanischen Trickfilmserie, ich als
Nichtglotzer kann da leider nicht mitreden. Musikalisch gabs gehörig
was auf die Ohren, nicht mein Style, ziemlich hart und heftig. Aber der
Platz war ganz gut gefüllt und die Lück hatten ihren Spaß.
Trotzdem bin ich überzeugt, daß die Ras Ites nen besseres Standing
gehabt hätten und sie wären bestimmt micht auf die Idee gekommen,
als einziger Act Backstage einen Privatbereich haben zu wollen, was Son
Goku immerhin durchgesetzt hat. 

 



Son Goku
Die
Pausen aufm Sandplatz hätten eigentlich mit Reggaevibes von Syndicate
Sound beschallt werden sollen, um dieses Mal einen Flow an der Hauptbühne
zu erzeugen, der beim letzten soma Festival völlig fehlte und nie
Stimmung hat aufkommen lassen. Aber schon nach dem ersten Umbau war das
laut Auskunft vom Syndicatisten Holger wohl technisch nicht möglich.
Schade, denn der Flow hat durch die entstandenen stillen Programmpausen
wieder gelitten. 


Syndicate Sound

Nicht vergessen darf ich
natürlich den einzigen Live Reggae Act aufm Festival, die Formation
Electro Zulu Klan aus Köln, die nachmittags auf der Bühne im
Obstgarten zu sehen waren. Köln als Herkunft bedeutet aber bei Weitem 
nicht, daß das alles Rheinländer sind. Der Bandleader Ras Tabani
beispielsweise komt aus Simbabwe und hat mit mehreren Projekten schon jede
Menge musikalischer Erfahrungen gesammelt. Unterstützt wird er am
Mikro von Charly Red und Moody Ranks. Dazu kommen noch Gitarre, Bass und
Keyboards und fertig ist eine Reggaecombo, die sich nicht unbedingt in
traditionellen Gewässern aufhält, sondern mit einem offenen Konzept
versucht, den Reggae weiterzuentwickeln. 

 

Wenn ich jetzt im Detail
nicht über all die Aktivitäten – besonders die nächtlichen,
denn das Programm lief rund um die Uhr – berichte, liegt das an mehreren
Dingen: erstens waren wir nicht überall, zweitens sind House, Trance,
Techno und Artverwandtes, was da meistens von Konserve über die Membranen
an unsere Trommelfelle kam, nicht gerade unser favourite Taste und drittens
fällt es mir schwer, über Leute zu schreiben, die mit ner Plattenkiste
ankommen und ihr Programm runterspulen. Das geht vielleicht gerade noch
bei Sound Systems, die dann Reggae auflegen, für mich sozusagen der
rettende Ast, an dem ich in solchen Fällen meine Story aufhängen
kann. 

 



MC Shockin Murray
Das erinnert
mich daran, daß ich eins vergessen habe: Top Frankin Sound mit seinem
MC Shockin Murray hatten am Samstagabend ihren Auftritt in der Beat:Box
– programmatisch auch eine kleine Havarie – denn sie hatten gerade mal
zwei Stunden zur Verfügung, Reggaevibes aufzubauen, bevor die Elektronik
wieder das Ruder in der Bude übernommen hat. Trotzdem rockten die
Sound Bwoys ausm Ruhrpott die Massive bis zum umfallen. 

Das wars dann auch schon
vom Samstag, allerdings möchte ich vorm Schließen noch erwähnen,
daß neben den Ohren auch wieder die Optik auf ihre Kosten gekommen
ist: überall angestrahlte Pflanzen, Lightshows vom Feinsten, Multimedia
per TV Monitor zund natürlich Lichtanimation live von den Phoenix
Firedancers aus Wien, die mit ihrer Show bestimmt einigen Pillenschluckern
viel Freude bereitet haben. 

 

 

Eigentlich
wollte ich am Sonntag garnicht mehr kommen, aber als der Veranstalter meinte,
daß der Höhepunkt des Festivals i.d.R. am Sonntagnachmittag
ist, habe ich mich aufs Fahhrad geschwungen und bin 20 km durch die Felder
bis zur Wasserburg geradelt, was für mich seit zwei Jahren schon so
eine Art Tradition ist. 

Bin dann etwas verschwitzt
gegen 16 Uhr aufm Gelände angekommen und es war tatsächlich ne
Menge los. Faszinierend fand ich die Band Element auf der Hauptbühne,
dem einzigen Liveact des Tages,  neben zahlreichen Plattendrehern.
Dieses aus dem Sauerland kommende Trio – Synthdrums, Synthies und Vox –
hat einen Sound gemacht, bei dem kein Asuge trocken, kein Ohr zu und kein
Tanzbein still geblieben ist. Was der Drummer aus seinen kosmischen Computerdrums
geholt hat, war schon erstaunlich und hat nen guten Teppich für die
Ergänzung mit Keyboardmelodien und Stimme ergeben. 

 

Im Chillout heizte die „unstoppable
Party Queen“ Acid Maria als Parallelprogramm die Muskeln auf Betriebstemperatur
und eine Menge Ärscher schwangen da zwischen Obstbäumen und Tripod
um die Wette. Eine gute Vorlage für Annejoy und La Nina, die dann
stundenlang mit ihren funkigen Housesounds die letzte Energie aus den Leuten
herauskitzelten. 

 

Damit
ging das erste n.o.m.a.d. Festival zu Ende, hoffentlich der Auftakt zu
einer ganzen Reihe von solchen Veranstaltungen auf der wunderschönen
Wasserburg. Vielleicht sollte nur mal jemand hingehen und vor dem nächstjährigen
Festival das ätzende Kohlekraftwerk am Horizont wegblasen. Und der
Veranstalter muß sich Gedanken über die wirtschaftliche Konzeption
machen, wenn auf der Gästeliste doppelt so viele Leute stehen, wie
er zahlende Gäste hatte. Das ist nämlich ein wenig bedrohlich
für die nächste Auflage des n.o.m.a.d. und wir hätten gerne
mehr davon. 

Annejoy und La Nina
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Copyright Text / Bilder:
Veit König / Doc Highüz 2002
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