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RootZ   Goes   Yard
Reisebericht von Leznub - Part 1

Düsseldorf, 1. Februar 2003, 4.30h morgens, -13 Grad Celsius

Eine unruhige und quer auf dem Sofa eines Freundes verbrachte Nacht, welches ganz und gar nicht für eine derart sensible Anwendung gedacht sein konnte - ihr Elche -, hing mir noch gehörig im Gebein, als wir dank des PKW und der Unterstützung des „wohnst du noch oder lebst du schon“- Freundes den Flughafen Düsseldorf erreichten. 

Eigentlich war ich viel zu verpeilt um zu fliegen. Ich befand mich in einem erbärmlichen Zustand. Vielleicht hatte mich jemand an dem vorangegangenen Abend hypnotisiert, auf irgendeinen Murks programmiert (z.B.: illegale Einfuhr von Geranienknollen und / oder Leberwurst nach Jamaika, oder so...). Anschließend wurde mir ein schickes KEYWORD verpasst um mich jederzeit zu aktivieren. Dann haben die meine Erinnerung an diesen ungeheuerlichen Vorgang gelöscht und mir stattdessen einen verkackten Abend inklusive drei Stunden krumm auf dem Sofa hängen bei Elchfreund Ralf G. ins wummernde Oberstübchen gerotzt! So muss es gewesen sein...

Trotz meines demolierten Zustands durfte ich, nach souveränem passieren aller üblicher Sicherheitsvorkehrungen, wobei offensichtlich nicht nach Ferngesteuerten gerastert wurde – eine bestehende Sicherheitslücke? -, den Flugapparat, wie alle anderen Mitpassagiere auch, durch die Eingangsluke besteigen.

Im Inneren des Fliegers sprang mich die nackte Freundlichkeit an, zum größten Teil repräsentiert durch zwei wild grinsende Hochglanzgebisse Marke Perlweiß, die zum geschmeidigen Bordpersonal gehörten und ein Eigenleben entwickelt zu haben schienen. Mir wurde schlagartig klar, daß ich mich nun für gute zehn Stunden zwischen kommerziellen Karibikkreuzfahrern jeglicher Form und Ausstattung amüsieren musste. Ob mit oder ohne Fernlenkung in der Birne.

Leider war die Virstellung falsch, denn es gab nichts zum amüsieren. ... halt, ich vergaß: gab es doch, aber eigentlich nur fast, so was in der Art von amüsieren eben. Die ganze Aufregung geschah allerdings schon bevor der Pilot auch nur die kleinste Anstalt zum Abheben gemacht hatte:

... Meine Fernlenkung machte sich plötzlich und unmittelbar bemerkbar. Die Finger meiner Hände ballten sich zu Fäusten. Mein Blick wurde starr und fixierte sich auf eine zwei Sitze neben mir hockende Person. Meine Augen bohrten sich nur kurz in ihr Fleisch da sah die Person zu mir auf. Sie war ein Es ...äh... nein, Mann, circa etwas älter mit Haaren. Der rechte Arm dieser Person steckte in einem von Kindern bunt bekritzelten Gipsverband.
Ich weiß nicht, warum, aber mit seiner unversehrten Linken reichte er mir völlig unerwartet ein braunes Tütchen aus prozessierten Kohlestoffen. Dabei glotzte er verstohlen über seine Schultern.
Instinktiv griff ich erst mal zu und sah auf das wabbelige Behältnis aus Kunststoff in meiner Hand. Auf dem Etikett stand : Stuhlprobe Dieter Bohlen. Ich lies den Scheiß natürlich sofort fallen, dabei landete es bedauerlicherweise mitten im Gang zwischen den beengenden Sitzen, dem Hoheitsgebiet der Flugbegleiterinnen und ihrer männlichen Gegenstücke. Schon bald näherte sich die Oberkellnerin der Lüfte persönlich mit energischen Schritten und übersah dabei...

Es gab einen Schrei und es zuckte durch meine gereizten Eingeweide. Ich war wohl eingenickt! Als ich jäh aus meinem kurzen Bohlen-Idioten-Traum aufschreckte, bot mir die, teilweise mindestens ebenso idiotische, Realität Folgendes: Einer der leider nicht mehr so ganz rüstigen Karibikkundschafter verabschiedete sich gerade mit einem klassischen Drei-Phasen-Abgang: Atemnot, Kreislaufzusammenbruch und damit einhergehenden Herzrhythmusstörungen. Vermutlich wurden die Beschwerden des bemitleidungswürdigen Individuums durch die von den Bordschwalben verteilten  Antithrombosegymnastikbroschüren hervorgerufen. Schlimmeres konnte glücklicherweise dank einer unter den Passagieren weilenden Ärztin (Ja, genau ich! Sehen Sie her, ich bin Ärztin!) und eines vorbildlich ein- und aufgeräumten Erste Hilfe Koffers (Ähh, wollen Sie die benutzte Spritze oder lieber die rostige?) verhindert werden.

Nach soviel duch die Gafferei verursachte Aufregung - was sollte ich auch sonst machen der Mann saß nun mal genau vor mir - half nur noch Schlaf. Mit noch mehr Stuhlträumen, auf die ich nicht im Detail eingehen möchte... 

...“Sehr geehrte Damen und Herren hier spricht ihr Kapitän“... klang es durch die nicht der HIFI Norm entsprechenden Lautsprecher des Fliegers ...„in wenigen Minuten werden wir in Montego Bay landen, die Temperatur beträgt zur Zeit 28 Grad Celsius, Die Vorhersage für den heutigen Tag“...

Dann setzten auch schon quietschende Reifen der Großraum-Flug-Wanne auf dem unmittelbar am Meer liegenden Donald Sangster Airport auf. Im selben Augenblick als der fliegende Kohlenstoffeinheitentransporter zum Stehen kam, machten sich sämtliche, zuvor noch fast tot wirkenden Mitreisende in einem urplötzlichen Anfall von Hektik übereifrig daran ihren Handkrempel zusammenzuraffen. 
 
Im Großen und Ganzen wirkte diese Szene auf mich, als müßten diese Menschen nun zum erstenmal in ihrem Leben aus einem Transportbehälter aussteigen und niemand hat sie verdammt noch mal darauf vorbereitet!!! 

Doch bevor eine Panik, verursacht durch das hysterische Ankleiden der Menschenmassen, das Flugzeug erschüttern konnte, erschallte eine Durchsage, welche die Passagiere nicht nur zur unbedingten Ruhe mahnte sondern darüber hinaus diejenigen Reisenden, die nicht an einer Kreuzfahrt teilnahmen, aufforderte, zuerst das Flugzeug zu verlassen. 

Sehr gerne, endlich raus. Außer mir stiegen dann noch sagenhafte vier Menschen unter den misstrauischen Blicken der ungefähr 240 plusminus neununddreißig zurückgelassenen Kreuzfahrt-Freizeit-Kolonialisten aus. 

Meine ersten Schritte auf jamaikanischem Boden führten mich, wie zu erwarten war, ins Flughafeninnere, wo auch nach kurzer Wartezeit mein Gepäck auf dem für diese Zwecke angeschafften Förderband auftauchte. Ich freute mich riesig, mein Hab und Gut wiederzusehen. 

Aufgrund der grandiosen Vorbereitung, Planung, Strukturierung und Buchung meiner Reise, kam es so daß ich zwar in Mo’Bay gelandet war, aber meine erste Anlaufstelle, quasi genau gegenüber, auf der südwestlichen Seite der Insel, in Kingston lag. Diese Distanz galt es noch am selben Tag zu überwinden.

Netterweise erwarteten mich ganze drei junge Männer vor dem Flughafen, einer von ihnen musste Everton sein, den ich über eine in Deutschland lebende Jamaikanerin sehr kurzfristig als ’Reiseführer’ vermittelt bekommen hatte. Nach einem kurzen, aber freundlichen Hallo ging die Reise per Kleinbus weiter. Die rasante Fahrt quer über die Insel war sowohl von optischen und akustischen Reizen, als auch von fahrtechnischen Finessen überladen. 
 
In der meist hügligen bis ausgesprochen bergigen Landschaft im Inselinneren gediehen an einigen Stellen prächtige Palmenwälder, wogen sich die Agrarprodukte verschiedenster Plantagen im Südseewind, wucherten gigantische Farne, gewaltige Mangobäume spendeten Schatten und köstliche Früchte, endlose Zuckerrohrfelder reiften für den hochgeschätzten Rum heran, prähistorisch anmutende Papayabäume lungerten am Straßenrand und noch viel mehr Gewächs gedieh scheinbar maßlos in sämtlichen auf diesem Planeten möglichen Grünstufen.

Für die 119 Kilometer zwischen Mo' Bay und Kingston brauchten wir mehr als zwei Stunden, was zum Großteil am bemitleidenswerten Zustand der Straßen lag. Dies ließ mich übrigens sehr an die Straßen in meinem verschlafenen bergischen Heimatkaff denken. Allerdings sind diese karibischen Schlaglochstraßen auch ein Segen, denn ohne diese kleinen, aber heimtückischen Hindernisse wäre der allgemeine jamaikanische Fahrstil wohl nicht zu halten und als ungebremst mörderisch zu bezeichnen. Gerade Fußgänger können davon zumindest einen abendfüllenden Gospel singen, vor allem wenn der einzige Ausweg vor den gnadenlos heran donnernden Geschossen auf vier Rädern mal wieder im gewagten Sprung in die Vegetation besteht.

Nachdem wir längere Zeit auf der ersten Autobahn Jamaikas mit dem sagenhaften Namen A1 fuhren, bogen wir in eine kleine, straßenähnliche Piste ab und buckelten sie einige Zeit gemächlich entlang. Recht schnell legte sich dann auch die Nacht über uns und die verbleibende Südhälfte der Erdkugel. 
Immer wieder tauchten im wirr tanzenden Scheinwerferlicht kleinere Behausungen und deren Bewohner auf bis wir plötzlich anhielten. Man sagte mir, daß wir mal kurz beim Fahrer zu Hause nach dem Rechten schauen müßten. Keine drei Stunden auf der Insel und schon war ich mitten drin statt nur dabei! 
 
Ein Rastamann begrüßte uns auf der Veranda und verschwand auch gleich mit unserem Fahrer im Haus. Everton ging auch rein kam recht schnell breit grinsend mit einem großen getrockneten Ast zurück. Er bot mir etwas von der trockenen Botanik an, ich lehnte aber dankend ab. Momentan war mir nicht nach getrockneten Ästen zumute, obwohl sie mindestens nach Handelsklasse A aussahen. Zum Glück habe ich wederstanden, sonst wäre mir wohl die sich kurz darauf entfaltende, in diesem Falle garantiert nicht geträumte Situation über bzw. in den Kopf gewachsen:

Wir vergnügten uns auf der Veranda mit diesem und jenem als ein weiteres männliches aber noch recht junges Familienmitglied die Szenerie betrat. In neuen Turnschuhen, was mir als verwöhntem, nur das beste vom besten gewohnten Kapitalistenspross im ersten Moment gar nicht so auffiel. 

Aber der Reihe nach... Nachdem kurze Begrüßungsfloskeln ausgetauscht worden waren, verlagerte sich ein Teil der Versammlung in die Küche. Von der Veranda war sie nur durch einen kleines Zimmer, in dem lauthals ein Fernseher mit den neusten Dancehall-Clips dröhnte, getrennt. Zwischen den Herren in der Küche entbrannte eine lebhafte Diskussion (und Jamaikaner verstehen es noch zu diskutieren!). Zunächst dachte ich mir nichts weiter, bis zu dem Zeitpunkt, als der Geräuschpegel der Unterredung spürbar anschwoll und den Clips bzw. dem Fernseher mal vorgeführt wurde was Lautstärke tatsächlich bedeutet. Ich begann aufmerksamer zu werden. 

Der Fahrer und eine weitere, mir nicht näher bekannte Person, begannen nun unter lautem Gezeter von einem Kunststoffgartenschlauch (Farbe: dunkelgrün, Durchmesser: ca. 1,5 cm, Preis: 0,79€/Meter) zwei ca. 50 cm lange Stücke zu schneiden, die dann abwechselnd weniger sanft, eher heftig auf den Körper des jungen Mannes mit den neuen Turnschuhen niedersausten.
 
Die Situation wurde immer hitziger, zuerst hatte ich keine Ahnung weshalb es zu diesem Tumult gekommen war, aber langsam kam meine Glühbirnenfabrik auf touren: Der Junge bekam Schläge weil er Geld für diese Turnschuhe ausgegeben hatte. Oder um es aus Sicht der Ankläger (und Richter) zu schildern, weil er es verschwendet hatte. 

Die Szene löste sich dann nach einigen Minuten Hauen und Keifen so auf, daß der, ab dem Zeitpunkt ehemalige Turnschuhbesitzer schreiend und tobend vor Zorn natürlich barfußs in der dunklen Schwüle der Nacht verschwand. Grinsend kam der nicht gerade schmächtige Fahrer auf mich zu: "Ya Man! Familybusiness! No Problem. Everyt'in' cool?" Klar! 

Anschließend setzten wir die Reise fort und nach kurzer Zeit wurde die Strasse wieder breiter, demnach mußten wir kurz vor der Killer-Stadt Kingston sein...

 


Copyright Bilder: Leznub / Queen Bee / Doc Highgoods / Text: Leznub / Layout: Doc Highgoods 2003 Zum Seitenanfang