RootZ Aktion – Fiesta Aioli – The Cologne Summer Stage, Köln, Tanzbrunnen, 16.08.03



 


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Aktion
 

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Köln,
Tanzbrunnen, 16.08.03

Es war einer
dieser vielen herrlichen Tage des Sommers 2003. Die wirklich schöne
und für Open Air Konzerte ideale Locations des anzbrunnens, direkt
am Rhein gelegen, lud zu einem World Music Event der besonderen Art: Musik
aus dem Süden Frankreichs. Diese vom zentralistischen Paris vernachlässigte
und vom französischen Norden ob ihrer Bäuerlichkeit belächelte
Region besinnt sich schon seit geraumer Zeit auf die eigene Kultur, als
das Zentrum des Landes noch nicht an der Seine, sondern in den mediterranen
Gefielden lag. 

 

Derzeit hieß
die Region Okzitanien, war in viele Fürstentümer aufgegliedert
und blühte in einer reichen Wirtschaft. man sprach nicht das aristokratische,
höfische Hochfranzösisch, sondern das eher harte Okzitanisch,
das heute im Rahmen der Wiederbesinnung an die Roots aufblüht, an
Schulen gelehrt wird und in neuen Buchpublikationen zu finden ist. 

 

Für uns,
die etwas später eintrafen, begann das Programm allerdings mit der
einzigen Band, die regional aus dem Rahmen fiel: mit Amparanoia aus Madrid.
Sie lieferten Hip Hop, den sie mit allen möglichen Elementen anderer
Sounds mixten und dadurch ein Klangbild erzeugten, das über den Horizont
desnormalen Kopfnickersounds herausragte. Das Trio produzierte mit Turntables,
Scratching und Sampler, Bass und Vocals ein dichtes Soundgeflecht, die
Basis für die Vocals des Frontmannes, der sich ab und an auch noch
in ein paar nette Verkleidungen warf. 

Trotz des fantastischen Wetters,
einer hervorragenden Werbekampagne in den lokalen Medien und den partiell
zu Dumpingpreisen verschleuderten Tickets und dem idealen Setting an einem
Samstag wollte sich der Tanzbrunnen nicht füllen. Das Publikum, weitestgehend
ab Dreißig aufwärts, häufig in Familien organisiert, verlief
sich fast auf dem weitläufigen Gelände unter den großen
Kunststoffschirmen. 

Nur der direkt vor der Bühne
liegende Bereich war gut gefüllt, ansonsten Platz ohne Ende. Woran
lag es? Ist Köln nicht reif für Okzitanisxche Kultur? Ist es
die immer noch quer durch die EU verlaufende Demarkationslinie zwischen
Germanophonen und Frankophonen? Ist es der lockere französische Umgang
mit musikalischen Fusionen der Kulturen? Lag es daran, daß es eine
PopKomm Veranstaltung war und sich der normale Musikkonsument davon abschrecken
ließ? Ich weiß es nicht, hatte allerdings um einiges mehr an
Publikum erwartet.

Egal, die wenigen Hundert,
die ihren Weg zum Tanzbrunnen gefunden hatten, haben die Show nicht verpaßt.
Okzitanisch ging es dann los mit der Toulouser Band Fabulous Troubadours. 


 

Für die
Liveshow hatte sich das ursprüngliche Duo um Ange B und Claude Sicre
ein wenig Verstärkung mitgebracht. Vier Frauen an den Harmonies, sowie
Keyboard und Schlagzeug begleiteten die zwei Frontmänner, die mit
ihren elektronisch manipulierten Tambourinen einen stakkatohaften Sound
produzierten, der sich zwischen südamerikanischen Rhythmen, Reggaesounds
und der mittelalterlichen Tradition der Troubadoure, wie der Name schon
vermuten läßt, bewegte. 


  

Fabulous Troubadours

 

Vorgetragen
wurden die Chansons in okzitanisch, angereichert von den Sounds der Human
Beatbox a.k.a. Ange B. Das Publikum nahm die Show gut an und schon bald
fingen die ersten Reihen an, das Tanzbein zu schwingen.

< Backgroundchanteusen der Fabulous Troubadours

Als Hauptact des Abends folgte
dann das Massilia Sound System, das schon auf eine ungefähr zwanzigjährige
Historie zurückblickt. Vom Namen her vermutet man frankophonen Reggae
oder Dancehall, was jedoch nicht ganz zutrifft. 


 



Der omminöse
DH-Vibes-Kasten
Ja,
es wurden immer wieder entsprechende Elemente in en Sound eingebaut, dafür
hatte man sich extra einen kleinen, mit fünf Reglern bestückten
Kasten konstruiert, mit dessen Hilfe Reggae- und Dancehall- typische Elemente
eingeblendet wurden. 

Aber das Massilia Sound System
ist mehr. Es nimmt die Einflüsse ihrer Heimat Marseille auf, von denen
es in dieser Stadt der Immigranten nicht gerade wenige gibt. Man konnte
den Einfluß Afrikas, Arabiens, aber auch den des klassischen Chansons
herauskristallisieren. Ein weiterer Unterschied zu den typischen Reggaebands
ist die Abwesenheit jederart von Messages aus dem Rastauniversum. Dafür
werden der Zentralismus Frankreichs und der hochnäsige Norden des
Landes gechantet und der Lokalpatriotismus des Midi hochgehalten, übrigens
ein Merkmal, das die Band in ihrer Heimatstadt zu Lokalhelden hat werden
lassen, wo sie frenetisch gefeiert werden und ihre neuen Scheiben weggehen,
wie knusprig warme Croissants. 

Die Homage an ihre Heimat
gehrt so weit, daß sich der Frontmann der Band bei seinem Auftritt
die okzitanische Flagge wie einen Rock um seine Hüften geworfen hatte.

Obwohl wir Kad Achouri aus
Carcassonne nicht erlebt hatten, war es eine einblickreiche Veranstaltung,
die uns die Kultur des aufmüpfigen Südens von Frankreich etwas
nähergebracht hat. Zwei Bands, die ohne Starallüren mitten aus
der Bevölkerung kommen, als Sprachrohr der underdogs fungieren und
als Folkbands moderner Couleur zu verstehen sind. Schade, daß nicht
mehr Kölsche, die selbst einen guten Schuß von Frongreisch in
ihrer Kultur haben, für diese Veranstaltung interessiert haben.

Hier
gibt es übrigens noch ein paar Graffiti aus Okzitanien aufgenommen
im Jahre 2003.


Copyright: Doc Highgoods
2003
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