Summer Jam, die 23. Auflage
– sie wäre für RootZ.net nicht komplett gewesen, hätte es
im Vorfeld für die Akkreditierung zweier Mitarbeiter nicht wieder
massive Probleme gegeben. Das erste Ersuchen, das genau nach den Vorgaben
der Informationsseite im Internet erfolgte, wurde mit dem kurzen, aus den
Vorjahren schon bekannten Kommentar abgelehnt, daß sich schon zu
viele Leute akkreditiert hätten und daß RootZ.net eh nicht wichtig
und aktuell genug wäre. Na denn… Ein Telefonat ein paar Tage vor
dem Festivalbeginn hats dann allerdings noch gerichtet und mein Kollege
Paul und ich konnten das Festival besuchen. Für mich waren die Erwartungen
hoch, die letzten drei Jahre in Thailand hatte ich überhaupt keine
Livereggaevibes und das Festival lief drei Male ohne mich ab. Ich freute
mich auf fette Bässe, die mich durchmassieren, auf duftende Qualmwolken
über Menschenmengen, die zum Reggaebeat skanken und auf ein schönes
Musikprogramm.
Und
eigentlich war auch alles vorhanden, als wir am ersten Julifreitag das
Gelände am Fühlinger See bei Köln betraten. Nur eins
stimmte nicht: mich hat das alles nicht gekickt. Mag sein, daß es
an der Menschenmenge lag, die eher einem spaßorientierten Partypublikum
als einer Reggaemassive lag, der Milchbärtchenfaktor und die Bauch-frei-Shirt-zeig-den-gepiercten
Nabel-Menge lagen extrem hoch, sprich, es war ein extrem junges Publikum
am Start.
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Mag aber auch sein,
daß ich einfach ein alter Knacker werde und mich zu sehr auf die
alte Roots Reggae Ecke und auf verstrahlte Wollstrickmützenträger
stütze. Es lag aber ganz gewiß auch am ziemlich unausgewogenen
Musikprogramm, das zwar ohne Frage Highlights beinhaltete, einen roten
Faden aber komplett vermissen ließ. Zwar war der Weißbritfaktor
dieses Jahr nicht so extrem hoch, wie es in den Vorjahren manchmal der
Fall war, der Anteil jamaikanischer Künstler, die sich aus meiner
Sicht zurecht teils über den Diebstahl jamaikanischen Kulturguts beschweren,
war 2008 recht hoch, aber es sieht so aus, daß ich mich in die Menge
derer einreihe, die nicht ohne Stolz sagen, daß sie das Festival
nicht mehr besuchen.
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Leicht
gesagt, weil ich mich schon längst wieder auf meiner Farm in Thailand
befinde und der nächste Deutschlandbesuch überhaupt noch nicht
anvisiert ist. Ich bitte mit Rücksicht auf die fehlenden kicking vibes
den löchrigen Bericht, ich habe mir längst nicht das komplette
Programm gegeben und mich abends immer recht früh vom Acker gemacht.
Sonntag bin ich – trotz des
besten Programms – garnicht erst aufgetaucht, da mir in der Nacht mein
Festivalbeförderungsmittel – das Fahrrad geklaut wurde und ich einen
Hals und absolut keinen Bock auf die Horrorshow namens S-Bahn-Trip hatte.
Den Part hat Kollege Paul dann netterweise verfaßt, dem im übrigen
nicht nur Bier und Jerk chicken auf dem Summer Jam gut geschmeckt haben,
der auch ein scharfes Auge auf die Bashment Gals hatte und dem das Festival
im Ganzen gut gefallen hat. So unterschiedlich können die Eindrücke
ausfallen.
< Cecile posing
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Der
Freitag begann für uns mit Muschipower – die Selbstbezeichnung der
Dancehalldiva Cecile, die nicht nur einen guten und powervollen Auftritt
mit einer deutschen Band und inklusive dem niederländischen Shooting
Star Ziggi hinlegte, sondern auch im Interview sehr sympathisch rüberkam.
Mit ihrem kurz vor dem Festival veröffentlichten Album “Badgyal” –
eine Kooperation mit dem Kölner Sound System Kingstone und einer Menge
Tunes aus den jamaikanischen Tanzpalästen hatte sie ausreichend Sound
im Gepäck, um in Kölle zu glänzen.
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Muschipower
zum zweiten kam von der gestandenen Lady Saw, die sich nicht ohne Stolz
Mumma Saw als erste Dame der Dancehall nennen läßt. On stage
gab es ihre erwartete explicit show brachte, im anschließenden Interview
allerdings eine ganz andere Facette von ihr, die sie schon auf ihrem Album
“Walk Out” thematisierte: eher ruhig, überlegt, manchmal fast schwermütig
erzählte sie aus ihrem Showleben, aber auch Privates, wie Dinge über
Partnerschaft und unerfüllte Kinderwünsche. Durch dieses Interview
habe ich eins gelernt: nimm eine(n) Musiker(in) nie so, wie er/sie sich
auf der Bühne gibt, da steckt oft ein ganz anderer Mensch dahinter.
< Lady Saw
auf der Bühne
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Weiterhin
gesehen habe ich das Multitalent Alborosie, den besonders in bella Italia
abgefeierten Dancehallstar. Eine gute Show mit Dancehall und Neo-Rootstunes.
Anschließend gab es Tarrus Riley, den Sohn des legendären Jimmy
Riley, eines der größten Nachwuchstalente aus Jamaika, der immer
hörbare, zum Nachdenken stimmende und oft mehrdeutige Texte bietet.
Nach einem Opener, gebackt von der Firehouse Crew und mit Dean Fraser am
Sax lieferte er seinem Publikum eine nette Showcase von Rootstunes ab.
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Der
freitägliche Ausklang war für mich Duane Stephenson, gebackt
von Dean Frasers Band, die neben eigenen Tunes auch eine Menge jamaikanischer
Standards, wie “Cottage In Negril” vortrug. Die anderen Musikerinnen und
Musiker, die hier nicht erwähnt werden, bitte ich um Entschuldigung,
aber mir reichte das vorige als Einstieg.
< Dean Fraser
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Samstag, durchwachsenes Wetter
für den zweiten Summer Jam Tag, die Pfützen der freitäglichen
Schauer hatten sich auf dem Festivalgelände in häßliche
Matschpfuhle verwandelt und der Veranstalter wird wohl wieder nicht drumherumkommen,
nach Ende des Festivals ganze Rasenflächen wiederherstelllen zu lassen.
Abgefeiert habe ich die Irie
Révoltés, die nach dem Senkrechtstarter Sebastian Sturm die
rote Bühne besetzten – Partyfeeling und gute vibes ohne Ende. Die
im Anschluß spielenden Black Seeds vom anderen Ende der Welt – aus
Neuseeland – brachten erstklassige Roots- und Dubsounds und sind nicht
nur ein Beweis, daß Reggae truly international ist, sondern auch
ein heißer Tipp aus der Newcomerecke für lasting Reggae vibes.
Der Sizilianer Roy Paci ist
mit seiner Band Aretuska ein gerne und oft gehörter Summer Jam Gast
und lädt mit seinem powervollen Skasound immer wieder zum tanzen ein
– äußerst sympatische Performance. Die darauf folgenden Pantéon
Rococó aus Mexiko habe ich schon einmal vor ein paar Jahren auf
dem s.o.m.a. Festival gesehen, wo sie mir ganz gut gefallen haben, dieses
Jahr auf dem Summer Jam – vow, wie sagt man so schön? Sie sind abgegangen
wie ein Zäpfchen. Eine Empfehlung für diejenigen, die Reggae
nicht pur genießen, sondern einen Schuß von diesem und jenem
im Musikcocktail bevorzugen.
Von
Alaine gab es dann wieder Muschipower zum dritten und beim sagenumwobenen
JAH Cure, der sein erste Deutschlandkonzert gab, mußte der
Platz vor der Hauptbühne wegen Überfüllung fast geschlossen
werden – der Bühnengraben für Journalisten wurde gar abgeriegelt.
Seine Auftritte sind zwar gut, aber so ein Brimborium wegen eines Sängers
zu machen…das ist halt Showbizz und vielleicht auch ein geschicktes,
manipulatives Händchen seines Managements. Na und beim abendlichen
Reggaestarauftritt – Alpha Blondy aus der Elfenbeinküste – gab es
natürlich mal wieder den mit im verwachsenen Regen, zwar nicht viel,
aber es gehört in D einfach zu seinen Open Air Shows unbedingt dazu.
Ich hatte mal vorgeschlagen, ihn als Regenmacher in der Sahelzone und in
anderen Trockengebieten unseres Planeten auftreten zu lassen.
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Es
folgte noch ein Schlenker über die Dollarmeile des Festivals, den
Basar. Keine Überraschungen, die üblichen Paraphernalia, Klamotten
hauptsächlich in rot-gelb-grün gehalten, aber auch andere Ethnotöne,
Rauchutensilien jeder Art, Platten und CDs, Summer Jam Merchandise und
Futter aus allen Herren Länder. Damit beendeten wir auch den Abend,
es gab noch ein Jerk chicken, standesgemäß aus den aufgesägten
Ölfaß und Kollege Paul gönnte sich dazu eine Flasche kaltes
Red Stripe, dem ich hier in dieser Zeile auch die Schreibe für den
Sonntag überlasse.
< Original
jamaican jerk chicken
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Am Sonntag bot das Summerjam
auf der großen Red Stage einen Lineup voller Topacts. Schon am frühen
Mittag sorgte Ska-Legende Derrick Morgan für gute Vibes. Das Wetter
spielte mit und ließ die Sonne scheinen, als als nächster „Mr.
Rocksteady“ Ken Boothe mit The Caroloregians die Bühne betrat und
einen begeisternden Set ablieferte.
Im
Publikum waren gute Vibes ohne Gedrängel; es war etwas leerer als
am überfüllten Samstag. Optimale Bedingungen also, um das Programm
zu genießen. Tosh meets Marley bot mit „Fully“ Fullwood am Bass und
Tony Chin an der Gitarre originale Musiker des Soul Syndicates in Kombination
mit Junior Murvin, dem Leadgitarristen der Wailers. Er und Donovan Carlos
sangen abwechselnd die Hits von Bob Marley und Peter Tosh. Musikalisch
und dubwise war es sehr guter Sound, mit fetten Bässen ausgezeichnet
dargeboten.
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Als nächster kam Cocoa
Tea mit gut eingespielter Band. Er konnte mit seinem Mix bekannter Hits
richtig überzeugen und zeigte sich in prächtiger Form. Nach dem
Ende seines Sets kehrte er für zwei Zugaben auf die Bühne zurück
und spielte zum Abschluss seinen neuen Song für Obama, für dessen
Wahl er sich einsetzt.
Die Spannung stieg, als mit
der JAH Messenger Band als erste Künstlerin Etana die Bühne betrat.
Die erst 24 Jahre alte Newcomerin ist mit ihrem aktuellen Album „The Strong
One“ vielleicht jetzt schon das prominenteste Gesicht des erstaunlichen
Revivals des Roots Reggaes, das wir jetzt erleben. In den 20 Minuten auf
der Bühne sorgte sie mit ihrer begeisternden Stimme und Präsens
für Gänsehautstimmung ohne Ende, obwohl der Soundmixer deutlich
hörbare Probleme mit der Band hatte. Etana sprach das Publikum direkt
an, sie erzählte von sozialer und menschlicher Ungerechtigkeit und
wie sie dieser begegnen möchte. Nach Hits wie „Roots“ oder dem aktuellen
Sommerhit „I Am Not Afraid“ verabschiedete sie sich mit „Redemption Songs“.
Bob Marley wäre mit Sicherheit zufrieden gewesen.
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Im
Publikum füllte es sich, als der „Messenger“ Luciano als nächster
auf die Bühne kam. Er sang seine bekannten Hits und sorgte für
reichlich positive Vibes. Den Abschluss des Programms bildete dann Stephen
Marley, der in der Dämmerung vor versammelter Massive sang. Die Stimme
von Stephen klingt wirklich wie die seines Vaters. Er sang die Songs von
Bob Marley wirklich authentisch. Gegen Ende des Konzertes kehrte er dann
mit einem Bonuspack auf die Bühne zurück. Nach „Get Up, Stand
Up“ verabschiedete sich ein weiteres Summer Jam mit „One Love“.
< Nächtliche
Nyabinghi Session
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