Interview mit Prezident Brown

Interview
mit
Prezident Brown

Köln, RootZ Base

August 2001



 

RootZ: Hallo Prezident Brown,
heute möchte ich ein spezielles Interview mit dir machen: ein Reasoning
über Rastafari. Für meine Leser, denn die meisten von Ihnen sind
neu im Reggaebusiness, ein noch viel größerer Teil ist neu im
Rastabusiness. Könntest Du ihnen eine kurze Einführung geben,
ein Verständnis dafür, was Rastafari bedeutet?

Prez. Brown: Rastafari wurde
auf Jamaika gegründet. In dieser Zeit hat Marcus Garvey, ein schwarzer
Visionär auf Jamaika, verkündet, man solle nach Osten schauen,
dort würde bald ein schwarzer Kaiser gekrönt werden. 

Nun es lebten viele Leute
auf Jamaika, die in den 60er Jahren gegen das vorherrschende System rebellierten.
Das waren die selben Leute, die die Krönung des schwarzen Königs
im Osten, Haile Selassie I, der später Ras Tafari wurde, sehr begrüßten.
Dann wurde er gekrönt als König aller Könige, als Fürst
aller Fürsten, als der erobernde Löwe des Stammes Judah. Haile
Selassie ist gleichbedeutend mit der Kraft der Dreieinigkeit, es ist nicht
wirklich ein Name, sondern ein Titel. Rastafari ist natürlich auch
ein Name , aber vor allem ein Titel: „Ras“ bedeutet Kopf, „Tafari“ Schöpfer
auf Amharisch. 

Ein wichtiger Teil von Rastfari
sind also Leute, die gegen das System sind – wenn man sich die jamaikanische
Geschichte anschaut, viele Leute wissen das nicht, im Sklavenhandel war
Jamaika wie ein Umschlagplatz für Sklaven, eine Drehscheibe von der
aus Sklaven weitertransportiert wurden. Die „bösen“ Sklaven wurden
auf Jamaika festgehalten, die rebellischen, es gibt deshalb also diesen
Vibe auf Jamaika, die Leute sind hart. 

Der Wendepunkt kam, als Marcus
Garvey sagte, schaut nach Osten; viele Leute lasen die Bibel, die durch
die westliche Christianisierung ins Land gekommen ist. Die sollte eigentlich
die Leute systemkonform erziehen, ihnen mit in einer Mogelpackung etwas
vorgaukeln. Nun, der Rastaman hat die Bibel gelesen und festgestellt, das
die Krönung des Königs die Wiederkehr des Messias sein müsse,
von einem schwarzen Standpunkt aus gesehen. 

Dieser Mann hatte etwas Magisches
an sich- er war das neunt geborene aber einzig lebende Kind seiner Mutter.
Es gibt die Geschichte, daß es – Äthiopien ist ja für sein
trockenes Klima bekannt – bei seiner Geburt wie aus Kübeln goß.
Als er 13 war, hat er schon so viele Sprachen gesprochen und noch dazu
so brilliant… 

Die Geschichte von Rastafari
wurde also mit Haile Selassie geboren, weil die Schwarzen nach Erlösung
suchten. Sie wollten sich selbst und ihren Geist befreien… Zwar waren
die Ketten von ihren Füßen und die Schellen von ihrem Hals entfernt,
jedoch waren sie rein mental immer noch Sklaven- den oberen und den mittleren
Gesellschaftsschichten missfielen das Aufkommen von Rastafari natürlich. 

Es wurde sich nicht mehr
rasiert, die Haare wurden nicht mehr getrimmt- das ist gleichbedeutend
mit Dread, was auch soviel heißt wie Angst machen: when you dread
me it means you scare me. Die Dreadlocks kamen auf, das missfiel denen
wirklich sehr. Die machten schlechte Presse über uns und erzählten
jede Menge Märchengeschichten wie: Der Rastaman hat ein schwarzes
Herz oder ihren Kinder erzählten sie, daß wir sie mitnehmen
würden. 

Aber von Kindesbeinen an
wusste ich, daß das nicht stimmt, denn der Rastamann lebt isoliert,
der kocht sein eigenes Essen- das ist auch eines seiner Merkmale, er isst
anders, er lebt so anders, daß die Leute behaupteten, der Rastaman
sei verrückt. Das hat sich bis heute gehalten, es gibt immer noch
viele Leute, die sagen, Rastas seien Madmen. Sie fragten meine Mutter,
wie sie mir erlauben könne, so etwas zu tun… Aber sie checken nicht,
wenn ihr eigener Sohn im Knast sitzt wegen irgendwelchen Unsinns oder der
andere auf Crack ist, die achten nur auf die Haare. Egal, ob du die Uni
besucht hast wie ich und egal, wie viele Diplome du hast, du bekommst keine
Anstellung, wenn du deine Haare vorher nicht abscheidest.

Für mich ist Rasta wegen
der modernen Sklaverei so wichtig. Die Schwarzen suchen immer noch. Und
gerade Selassie hat auch gesagt, daß jeder ein Hauptmotivationsmoment
in sich trägt, was Stärke ist… Seine Majestät sagt so
viele Dinge, wie du leben sollst und so weiter …. 

Aber neben Dingen in dieser
materiellen Welt beschäftigt sich Rasta auch mit der spirituellen…
In den Bergen ist man frei, man singt und spielt die Drums. Die sind als
wichtiger Teil der afrikanischen Kultur übernommen worden, sie sind
mit den Sklaven gekommen, die ein Teil der afrikanischen Kultur sind. Ein
Rastaman sagt immer „Love“ und „Peace“, er ist immer gegen Babylon, das
System, was immer versucht, die Leute übers Ohr zu hauen. 

Gerade die Politiker auf
Jamaika ignorieren die Leute so daß sie sie kontrollieren können.
Das alles sieht der Rastaman und stellt sich dagegen, was das System natürlich
nicht mag. Sie sagen: “Ihr seid zu aufmüpfig!“, weil wir die Wahrheit
sagen. Auf Jamaika werden eine Menge „Health Food Stores“ aufgemacht. Als
jemand, der auf Jamaika groß geworden ist, kann ich respektvoll sagen,
daß der Rastaman meines Wissens der erste Mann gewesen ist, der sich
für bewusste Ernährung eingesetzt hat: Er lehnt Fleisch ab und
gibt Dir immer was ab, obwohl er sehr arm ist. Er glaubt daran, die Erde
als Bauer zu bestellen. Beten, Singen und Essen. Das ist, was ich über
den Rastaman erzählen kann, das ist sein Weg. Er sucht immer nach
der Wahrheit, nach dem Wahrhaftigen. 

Das ist dann in die Musik
transportiert worden, z.B. von Bob Marley, der vielleicht nicht der erste,
aber weltbekannt ist. Die Anfänge waren im Niyabinghi, kamen von Howell
und all die anderen Leute, die bereits in den frühen Jahren über
diese Treue gesungen haben, was Bob Marley später aufgegriffen und
in der Welt verbreitet hat, als er über die Unterdrückung der
Leute gesungen hat. Manchmal verwechseln Leute Reggae mit Rasta, es gibt
zwar eine Verbindung, aber Reggae muß nicht immer gleichbedeutend
mit Rasta sein. Reggae ist eine Musik, die von der Straße kommt,
nur dass es ein Rastaman war, der sie in die Welt getragen hat mit seinen
Vibes. Das ist nur ein kurzer Überblick über Rasta und wo Rastafari
herkommt. 

Erinnert Euch immer daran:
Rastafari ist der Name Haile Selassies. „Ras“ bedeutet Kopf, „Tafari“ bedeutet
Schöpfer.

RootZ: Wie ist es, heutzutage
als Rasta in der Welt zu leben?

 

 

















Prez. Brown: Ich glaube, es
ist weit einfacher, als es in den 60er und 70er Jahren gewesen ist, wegen
der Verbreitung der Musik Bob Marleys und seinem Image. Dennoch kann ich
aus eigener Erfahrung sagen, daß man zum Beispiel am Flughafen genauer
kontrolliert wird, weil man anders aussieht. Vielleicht, weil ich nach
Gras aussehe… 

Wir suchen immer nach Weisheit,
Wissen und Verständnis… Wir können mit jeder Situation umgehen.
Aber Rastafari bewegt sich nun weltweit, früher war es immer nur auf
Jamaika. Überall, wo Du hinkommst, siehst Du Rastasymbole, Utensilien
werden weltweit verkauft.. alles wird dadurch natürlich auch kommerzieller…
(lacht)

RootZ: Was denkst Du denn
über diese Internationalisierung?

Prez. Brown: Nun ja, die
Welt sollte Bescheid wissen. Warum sollten wir das Wissen nur auf Jamaika
behalten? Und die Welt ist groß… Yeah, ich mag es, unsere Vibes
zu verbreiten und sie vielen Leuten zu zeigen! Das soll nicht heißen,
wenn ich sie Dir zeige, daß Du ein Rastaman werden musst. Vielleicht
hilft es Dir einfach nur, Dinge, die sich in Deinem Leben entwickeln müssen,
zum Wachsen zu bringen. Du musst Dich nicht mit der Gottgläubigkeit
identifizieren und allem, was ich denke, aber wir beide wissen, daß
fast alles, was der Rastaman sagt, Leben schützen soll; er will einfach
richtig leben. Warum also sollte ich das nicht mit anderen Leuten teilen?
Ja, wir müssen international werden.

RootZ: Was denkst Du über
einige schwarze Rechtsanwälte, die für Wiedergutmachung für
die Situation vor 400 Jahren – die Sklaverei – kämpfen?

Prez. Brown: Natürlich
steht den Leuten Wiedergutmachung zu! Andere, denen etwas ähnliches
passiert ist, haben sie ja auch bekommen. Warum also nicht auch die Schwarzen,
die Sklaven und deren Söhne und Töchter? Leute, die gegen ihren
Willen arbeiten mussten bei Sonne und Regen für das Wohlergehen anderer…
Warum nicht? Diese Frage stelle ich als Gegenfrage: Warum nicht?

 









Live aufm Summer Jam 2001
RootZ: Wie könntest
Du Dir die Wiedergutmachung vorstellen, denkst Du dabei eher an die Rückführung
nach Afrika oder an eine kommerzielle Wiedergutmachung?

Prez. Brown: Es sollte der
Weg zurück nach Afrika für solche Leute geöffnet werden,
die zurück wollen. Es müsste ein Fonds bereit gestellt werden
für alle finanziell unterprivilegierten Menschen. Es gibt schließlich
immer noch viel zu viele leidende Menschen – mein Vater und meine Mutter
waren auch sehr arm. Arm im materiellen Sinne. Aber ich sehe das nicht
als schlecht an, sondern als Weg, der beschritten werden muß. Aber
es gibt Grundbedürfnisse, die befriedigt werden müssen und in
vielen Fällen ist das nicht so. 

Nun, wir sagen, die, die
nach Afrika zurückgehen möchten, sollen gehen… Schließlich
hat man sie einst mit Schiffen nach Jamaika transportiert. Es sollte offen
sein. Jeder sollte frei entscheiden können, schließlich hat
jeder seine eigene Meinung, es gibt bestimmt auch einige Leute, die Jamaika
nicht verlassen möchten. Ich möchte von meinem persönlichen
Standpunkt aus auch nicht nach Afrika gehen als jemand der dort leidet.
Ich möchte aufbauen, investieren in etwas, das Dinge bewegt. In Arbeit
und Beschäftigung zum Beispiel, ich möchte nicht nach Afrika
gehen und nur zuschauen. 

RootZ: Was erwarten die Leute
von Afrika?

Prez. Brown: Manchmal gibt
es Leute unter den Rastas, die nicht viel zur Schule gegangen sind, Du
findest auch einige sehr ignorante unter ihnen. Die sitzen auf Jamaika
und denken, dass sie wegen der Sklaverei leiden. sie denken über Rückführung
nach. Aber sie denken nicht sehr ökonomisch. Ich habe selbst einen
Freund in Ghana wohnen, Capleton wohnt auch zeitweise in Ghana und hat
sein „African Star“ Soundsystem und alles nach Afrika verschifft. Es sind
Bewegungen wie diese, die ich gerne sehe. 

RootZ: Was denkst Du überhaupt
über die Situation in Afrika: Es gibt so viel Korruption, so viele
Bürgerkriege, soviel Hunger…

Prez. Brown: Kolonialisierung
und Unverständnis – nun ich möchte nicht pauschal sein, weil
Jah auch nicht pauschal ist. So sehe ich das: alles ist dort beeinflusst
von Kolonialisierung und Unverständnis. Wenn man sich die Geschichte
des Sklavenhandels anschaut, dann waren es auch einige Afrikaner, die ihre
Brüder und Schwestern verkauft haben – also kann ich nicht pauschalisieren:
wenn ich rede, erzähle ich nicht vom bösen weißen Mann,
der alles alleine schuld ist. Ich bin nicht jemand, der sich im „understanding“
übt, sondern im „overstanding“. Es gibt auch welche von uns Africans,
die genauso unersättlich sind. Und auch in der heutigen Gesellschaft
unserer Brüder und Schwestern gibt es Probleme wie diese. Ich bin
nicht hier, um einen weißen, grünen, gelben oder roten Mann
zu beschuldigen. 

RootZ: Was denkst Du, ist
das Schlimmste in der jetzigen globalen Situation?

Prez. Brown: Die Führer
sind das schlimmste Problem – ich mache einen Song: „Die Quelle des Stromes
ist dreckig, also wird auch kein sauberes Wasser in den Gully fließen.“
Die Führer sind das Problem – sie bertrachten Menschen als Tiere,
ich mache da keine Unterscheidungen: wenn die Führer sich unterhalten,
reden die nicht über Menschen sondern über Nummern – man muss
das wissen! Ich bin eigentlich nicht gegen Fortschritt und Technologie,
aber manche Leute gehen einfach zu weit. Wir müssen wieder Respekt
aufbauen vor der Natur, Ehrfurcht bekommen vor den Jahreszeiten: Frühling,
Sommer, Herbst und Winter. Jeder kommt auf die Erde und sieht das automatisch,
jeder muss das respektieren, denn wenn Du Dich gegen die Natur stellst,
stellst Du Dich gegen die Schöpfung. Wir stören den Kreislauf
der Natur!

RootZ: Wir reden über
Genmanipulation, oder…

 

Prez. Brown: Yeah, man!
Es nicht gut, diese Dinge zu stören! Ich meine, ich habe wirklich
nichts gegen Fortschritt, aber ich behaupte, diese Leute gehen einfach
zu weit. Warum sollte ich mich selbst klonen wollen? Ich möchte mit
meiner Frau zusammensein, Liebe machen und ein Rasta-Baby natürlich
auf die Welt bringen. Entweder ein Mädchen oder einen Jungen, das
entweder so aussieht wie ich oder als wäre es Bob Marleys Kind…
Warum sollte ich mich also gegen unseren Schöpfer richten?

RootZ: Hast Du schon von
der jüdischen Sekte gehört, die Hitler klonen will, um in vor
Gericht zu bringen?

Prez. Brown: (lacht, wiederholt,
was Max gesagt hat) Es ist eine lustige Vorstellung, aber die Realität
ist, daß Hitler tot ist und die ganzen Sachen Vergangenheit sind.
Wir sollten nicht in der Vergangenheit leben, sondern im Jetzt! Das ist
auch der Punkt, über den ich mit vielen Weißen spreche, die
mich fragen, wo ich stehe, weil sie wissen, das es viele Rastas gibt, die
Weiße verachten… Ich habe keine Zeit für so was! 





PK mit Patrice aufm Summer
Jam 2001

Ich weiß, dass sich
das ereignet hat, aber kann ich zu Dir persönlich ankommen und sagen,
Du bist schuld daran, was mir oder meinen Vorfahren passiert ist? Das wäre
verrückt! Das bringt einen nirgendwohin! Von der Hautfarbe kann man
eh nichts ableiten – man muß jemanden anhand seiner Taten beurteilen.
Wenn Du schlechte Dinge tust, arbeitest Du für den Teufel, dann ist
es egal, ob Du weiß oder schwarz bist. Ich sage zu Euch Weißen
nicht: „Ihr seid die Teufel!“, weil ich ebenso viele Schwarze sehe, die
genauso sind. Gerade im Musikbusiness sehe ich so viele böse Leute…
Denen ist es egal, ob Deine Kinder vor Hunger krepieren, Hauptsache die
kriegen ihre Kohle. Ich sehe das individuell unterschiedlich.

RootZ: Das ist das, was die
Leute hier nicht verstehen…

Prez. Brown: Jaaaa, ich möchte
ja Geschäfte mit dem weißen Mann machen. Ich bin Musiker und
die Weißen mögen es: Also kommt es zum Business. Das ist halt
Business: Wenn Du daher kommst, willst rares Material veröffentlichen,
warum sollte ich Dir also nicht gönnen, daß Du Geld damit machst?
Du investierst ja dann auch. Und warum solltest Du nicht wollen, daß
ich auch Geld bekomme, wenn ich das rare Material nun einmal produziere?
Es gibt aber leider immer Wölfe im Business. 

Ich habe einen Vertrag mit
„Island Records“ gemacht. Ich komme vom Land, ich war nicht so smart, habe
mich noch nicht so ausgekannt mit den Geschäftsstrukturen. Aber ich
habe sie sehr überrascht, als ich einen Rechtsanwalt eingeschaltet
habe. Ich habe damals (1996) einen Zweijahresvertrag unterzeichnet. Ich
kam gerade groß ins Geschäft. Dann habe ich mir einen Rechtsanwalt
aus London genommen – aus London deshalb, weil der nicht gekauft werden
kann – ich weiß, die waren sehr überrascht darüber. Sie
haben einen normalen, kleinen, käuflichen Anwalt aus Jamaika erwartet. 

RootZ: Wie hast Du das Geschäft
dann abgewickelt, über Fax oder…

 







Live World of Reggae,
Köln, 18.08.01
Prez. Brown: Nein, gute
Freunde sind unersetzbar. Ich habe einen guten Freund, der gleichzeitig
auch einer meiner größten Fans ist: Jack Radics. Er war schon
etwas früher im Business als ich. Er weiß schon einiges mehr
als ich, deshalb ist er einer meiner größten Ratgeber. Er ist
zu mir gekommen, hat mir seinen Vertrag gezeigt und gesagt: „So musst Du
es machen!“ 

RootZ: „Lass uns zu Rasta
zurückkommen: Aus moralischer Hinsicht, was würdest Du den Leuten
sagen, was wichtig für die Rasta ist?

Prez. Brown: Was für
den Rastaman wirklich wichtig ist, ist Familie, Einstellung, richtiges
Essen; 

wenn Du Dir den Menschen
anschaust, seine Zähne und alles, sind wir eigentlich Vegetarier.
Wenn Du Dir den Darm von einem fleischfressenden Tier anschaust, dann ist
der 3 mal länger als sein Körper, wenn Du Dir den eines Menschen
anschaust, dann ist der 12 mal länger als sein Körper. Wenn Du
Fleisch ißt, ist der Prozeß des Ausscheidens also eigentlich
viel zu langsam; es macht Dich krank. Von dieser Warte aus gesehen ist
das so, außerdem ist das Tier, was Du tötest, Leben! Wenn ich
in meine Hand schneide, fließt Blut und wenn ich ein Tier töte,
fließt auch Blut. Es mag seltsam klingen, aber ein Tier hat doch
eine Seele! Ich habe eine Ziege auf einem Dance um Gnade wimmern hören,
weil sie wusste, sie musste sterben. Das ist wichtig für einen Rastaman. 

Sich um die Familie zu kümmern
und den Kindern die Welt zu zeigen, damit sie nicht, wenn sie älter
sind, getrennt von der Realität leben. Das ist sehr wichtig!

RootZ: Von dem familiären
Standpunkt: was denkst Du über die heiße Diskussion ums Battyboy-
Business?

Prez. Brown: Nun ja, Gleiches
stößt sich ab, Gegensätze ziehen sich an. Aber jeder Mann
und jede Frau muß sein oder ihr Leben leben können, ich kann
nicht darüber entscheiden, wie andere ihr Leben gestalten. Ich persönlich
bin nicht für irgendwelche Schwulenangelegenheiten, aber ich bin nicht
in der Position, darüber urteilen zu können, dass jemand sterben
sollte, der schwul ist. Ich will alle Urteile Jah überlassen, ich
bin selbst nur ein Zeuge. Jeder muß sich mit seinem eigenen Urteil
konfrontieren, wenn die richtige Zeit kommt. Ich will nicht Richter spielen:
ich weiß nur, daß sich Gleiches abstößt und Gegensätze
anziehen. 

Ich habe mal einen Tune,
der immer noch die Dancehall rockt, gemacht, der heißt „Parable“.
In dem Text singe ich:“ When I’m talking straight, them say I am terrible,
that’s why I tell it in a parable.” Wenn das nun jemand hört, der
smart genug ist, das zu verstehen, der lacht wahrscheinlich nur. Ich möchte
keinen dazu veranlassen, andere Leute umzubringen…

RootZ: Du versuchst es, positiv
auszudrücken, humoristisch…

Prez. Brown: Ich möchte
nur ausdrücken, was ich persönlich von den Dingen halte. Aber
das ist auch ein Thema, es gibt vielleicht wichtigere Dinge, über
die man reden sollte, statt ständig darüber zu diskutieren, ob
jemand schwul ist oder nicht.

RootZ: Schwule haben hier
jetzt gleiche Rechte wie Heteros…

Prez. Brown: Nun ja, Gleiches
stößt sich ab, Gegensätze ziehen sich an, das ist alles,
was mir dazu einfällt. Check, was ich Dir sage. Ich weiß nicht
was in anderen Menschen vorgeht. Wenn jemand sich mit einem anderen Mann
verheiraten will, ist das immer noch komisch für mich, aber ich würde
nicht sagen, dass die Leute sterben müssen. Das wäre der falsche
Weg. Sex existiert für mich für die menschliche Reproduktion.
Das ist für mich das wichtige. Ich bin nur ein Zeuge.

RootZ: Eher nur ein Zeuge
oder vielleicht auch ein Stück weit etwas aktiver als Lehrer?

Prez. Brown: Ein aktiver
Zeuge, der zum Gericht hingeht, um zu sagen, was er und dass er gesehen
hat… Aber ich beobachte nur. 

RootZ: Wie lange bist Du
schon in Deutschland oder besser gesagt: in Europa?

Prez. Brown: Seit dem 18.
Juni 2001. Das ist die längste Periode, die ich hier bin, wegen der
Record-Company. Ich mache hier Promotion und will Dinge ans Laufen bekommen.

RootZ: Was denkst Du über
den derzeitigen Reggae- Hype in Deutschland?

Prez. Brown: Yeaahh, ich
sehe, daß sich die Dinge noch entwickeln. Wir sind im Jahr 2001,
2000 hat ein neuer Abschnitt angefangen, also schauen wir mal. Wir schauen
noch. Aber ich mag den Vibe. Ich war überrascht, wie viele Soundsystems
es gibt in Deutschland. 

Aber was ich mag, ist die
Einigkeit. Wenn in Jamaika eine Dubplate Session gemacht wird, ist das
immer eine geschlossene Gesellschaft. Hier haben wir Sessions mit mehreren
Soundsystems gemacht. Ein Bredrin aus Berlin hat mich angerufen, er möchte
noch zwei Specials machen, bevor ich abreise. Wir haben also noch über
den Preis verhandelt, dann sagte er, wir können event. vier machen.
Dann sagte ich: „Ja, ich kann Dir einen guten Pauschalpreis machen.“ Dann
sagte er, er wolle seinen Freund anrufen, der habe einen anderen Sound,
mit dem sollen die Aufnahmen zusammen und im selben Studio laufen. Sie
haben mich auch zusammen bezahlt… 

RootZ. Vielen Dank für
das Klassegespräch, go well.


Copyright Bilder:
Diverse / Text: Holger / Doc Highüz /  Layout: Doc Highüz
2002
Zum Seitenanfang

Scroll to Top