RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 03.03.08

BIZARRER KONGRESS

Konferenz der Klimawandel-Leugner

Von Jens Lubbadeh

Die Welt hat die Notwendigkeit

erkannt, etwas gegen den Klimawandel zu tun. Nur eine kleine Zahl selbsternannter

Wissenschaftler und Lobbyisten bestreitet, dass die Erwärmung ein

Problem ist. Derzeit konferieren sie in New York – mit absurden Thesen

und Teilnehmern.

Der Dezember 2007 war dramatisch:

Bei der Weltklimakonferenz in Bali stritten Vertreter von 187 Staaten um

ein Abkommen zum Klimaschutz. Es wurde geschrien, es wurde geweint, und

zeitweise drohte die ganze Konferenz sogar zu platzen. Die ganze Welt atmete

auf, als die US-Delegation schließlich einlenkte (mehr…). Auch

wenn Bali nicht der große Wurf war, die Botschaft war klar: Der Klimawandel

ist eine reale Bedrohung. Es muss etwas passieren.

Tausende Wissenschaftler

hatten jahrelang an dem Hunderte Seiten umfassenden Report des Weltklimarats

gearbeitet, der im Jahr 2007 für so viel Aufsehen gesorgt hatte. Das

Thema Klimawandel enthält eine Menge politischen und ökonomischen

Sprengstoff. Die großen Energiekonzerne fürchten um ihre Umsätze

in einer Welt, die sich zunehmend unabhängiger machen möchte

von Erdöl, Gas und Kohle. So kommt es zu unheiligen Allianzen zwischen

Wissenschaftlern, Politikern und Wirtschaft. Das Ziel: die Verharmlosung

oder gar Leugnung des Klimawandels. Die Motive: Ignoranz, Populismus und

ökonomische Interessen.

Derzeit findet in New York

eine solche Konferenz der Klimaskeptiker statt. Schon der Titel soll Seriosität

suggerieren: ” International Conference On Climate Change”. Veranstaltet

wird sie vom Heartland Institute, einer nach eigenen Angaben gemeinnützigen

Forschungs- und Bildungsorganisation, die ihre Ziele auf ihrer Webseite

so benennt: “Heartlands Mission ist es, Lösungen für soziale

und ökonomische Probleme zu finden, zu entwickeln und voranzutreiben,

die auf freier Marktwirtschaft basieren.”

Das 1984 gegründete

Heartland Institute ist umtriebig. Laut www.sourcewatch.org setzt es sich

für eine Deregulierung der nationalen Gesundheitsversorgung in den

USA, für eine Privatisierung öffentlicher Dienste und für

die Rechte der Raucher ein – und kämpft auch gegen die vermeintliche

Hysterie um die globale Erwärmung. Dabei lässt sich das Institut

gern von Konzernen als Lobbyistengruppe einspannen – zum Beispiel von der

Tabakindustrie.

Die immer gleichen Namen

mit den immer gleichen Thesen

Wie eine einfache Suche in

der Legacy Tobacco Documents Library, die interne Dokumente der Tabakindustrie

enthält, zeigt, hat das Heartland Institute in der Vergangenheit oft

Interessen der Tabakindustrie vertreten. Unter anderem sollte es wissenschaftliche

Diskussionsrunden veranstalten, die das Problem des Passivrauchens relativieren

sollten. In diesem Rahmen sollten die Risiken des Passivrauchens im Vergleich

zu anderen Problemen wie Pestiziden, Asbest oder saurem Regen relativiert

werden.

“Es sind die immer gleichen

Namen, die seit Jahren diese Thesen vertreten”, kommentiert Stefan Rahmstorf

vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung im Gespräch mit

SPIEGEL ONLINE die Teilnehmerliste. Die ist bunt: Václav Klaus,

Präsident Tschechiens, referiert beispielsweise unter dem Titel “Wir

sollten keine großen Fehler beim Klimawandel machen.” Klaus ist ein

bekannter Quertreiber in der Klimapolitik (mehr…). “Die Theorie, dass

der CO2-Ausstoß die Ursache für den relativ kleinen Klimawandel

bildet, ist für mich absolut falsch”, sagte er vor wenigen Wochen

in einem Interview mit dem “Handelsblatt”. “Das ist keine bestätigte

wissenschaftliche Hypothese. Das ist nur eine politische Idee.”

Der Konferenz einen seriösen

Anstrich verleihen soll womöglich Yuri A. Izrael – der ist einer der

drei stellvertretenden Vorsitzenden des Uno-Klimarats IPCC. In seinem Konferenzprogramm

zitiert das Heartland Institute den US-Sender CNN, um Izrael als “einflussreichsten

wissenschaftlichen Berater” des russischen Noch-Präsidenten Putin

vorzustellen. Izrael hatte in der Vergangenheit für Aufsehen gesorgt,

weil er das Kyoto-Protokoll als “überteuert”, schädlich für

die russische Wirtschaft und basierend auf “schlechter Wissenschaft” bezeichnete.

Heartland zahlt den Rednern

Honorare

Auch die Methoden des Heartland

Institutes sprechen für sich: Den nach New York eingeladenen Wissenschaftlern

wurde ein Honorar angeboten, berichtet Rahmstorf, der selbst auch eine

Einladung erhielt. Wie auf dem Klimaforscher-Blog www.realclimate.orgberichtet

wird, lag die Höhe des Honorars bei 1000 Dollar – Kosten für

Anreise und Unterkunft würden ebenfalls vom Heartland Institute übernommen.

“Ungewöhnlich” sei das, meint Rahmstorf. Normalerweise würden

Wissenschaftler keine Honorare für Vorträge auf wissenschaftlichen

Konferenzen erhalten. Bei der Zahl von rund 100 geladenen Sprechern in

New York dürfte einiges an Honoraren zusammenkommen.

Nicht weniger merkwürdig

mutet die Themenliste der “International Conference on Climate Change”

an. Ein Ausschnitt aus den Vortragstiteln:

    * “Zukünftiges

Klima ist kein Anlass zur Besorgnis”

    * “Der

NIPCC Report: Natur, nicht menschliche Aktivität, beherrscht das Klima”

(was das NIPCC ist, 

      

verrät das Programm nicht)

    * “Verteidigung

von Bürgerrechten: Angestrebte Gesetze zur Verhinderung des Klimawandels 

      

machen Bürgerrechte rückgängig”

    * “Die

natürlichen Ursachen des Klimawandels”

    * “Die

Ozeane, nicht Kohlendioxid, steuern das Klima”

    * “Wir

sollten keine großen Änderungen wegen des Klimawandels anstrengen”

    * “Politik

zur globalen Erwärmung und Lehren aus der Atomindustrie”

Im Jahr 2006 entschloss sich

die Royal Society, die britische Akademie der Wissenschaften, zu einem

höchst ungewöhnlichen Schritt veranlasst sah: In einem Brief

forderte sie ExxonMobil auf, damit aufzuhören, Gruppen zu unterstützen,

die den wissenschaftlichen Konsens über den Klimawandel unterminieren.

Der Konzern, so die Royal Society, unterstütze nach eigenen Angaben

39 Gruppen, die “Informationen verbreiten, die die Wissenschaft des Klimawandels

falsch darstellen.”. 

 

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