The HIGH Society



Albert Hofmann
Im klassisch naturwissenschaftlichen Weltbild unsere Zeit ist kein
Raum für übernatürliche Kräfte. Doch auch eingefleischte
Rationalisten, die die Realität des unter dem Einfluss von Haluzinogenen
Erlebten leugnen, müssen die Bedeutung dieser Erlebnisse für
sich selbst eingestehen. Diese tiefe Bedeutung von psychedelischen Erlebnissen
für einen selbst bildete den Grundkonsens der Konferenzteilnehmer,
deren Spektrum ansonsten ausgesprochen vielfältig war und von Naturwissenschaftlern
über Psycho- und Ethnologen bis hin zu Vertretern spiritueller Kulte
reichte.

So gab es medizinisch/psychotherapeutische Vorträge über
die Wirkung von Fliegenpilz und den Einsatz von LSD bei Alkoholismus, Ethnologen
berichteten von Gebräuchen und Riten der Schamanen im Himalaya, Mexiko
und Afrika, und Künstler demonstrierten den Einfluss von psychoaktiven
Stoffen auf ihre Kunst. So begleitete die Konferenz eine kleine aber feine
Ausstellung mit Werken von Alex Grey und Donna Torres, sowie traditioneller
Kunst der Huichol-Indianer aus Mexiko.



Traditionelle Kunst der Huichol
Die Huichol leben in Zentral-Mexiko und haben bis heute den traditionellen
Gebrauch von Peyote beibehalten. Das Überleben dieser Kultur ist jedoch
immer stärker gefährdet, seit durch die Existenz der zapatistischen
Befreiungsbewegung (EZLN) das Misstrauen der Militärs gegenüber
Indios enorm gestiegen ist. Der Besitz von Peyote dient nun allzu oft als
Vorwand für vorläufige Verhaftungen. Zudem gehen die natürlichen
Vorkommen des echten Peyote-Kaktus immer stärker zurück.

Solidarität mit den ursprünglichen Kulturen, die uns diese
Pflanzen (wieder) zugänglich gemacht haben, war darum eine häufig
gestellte Forderung in den Diskussionen. Als Beispiel indigenen Wissens
kann das aus dem brasilianischen Urwald stammende Ayahuasca dienen. Ayahuasca
oder Jurema preta ist ein psychoaktives Getränk, welches aus zwei
verschiedenen Pflanzen hergestellt wird. Das Besondere daran ist, das die
eine Pflanze einen psychoaktiven Stoff (DMT = Dimethyltryptamin) enthält,
der jedoch vom Körper metabolisiert wird, bevor er ins Hirn gelangt,
und somit nicht mehr wirksam ist.

Erst in Kombination mit dem Wirkstoff (b-Carolin) der zweiten Pflanze,
welcher diese Umwandlung verhindert, entfaltet sich die Wirkung. Weltweit
sind inzwischen weit über hundert Pflanzen bekannt, die DMT enthalten
und MonoAminoOxidase-Inhibitoren (MAOI), die Stoffgruppe, zu der auch b-Carolin
gehört, finden in der Behandlung von Depressionen Anwendung. MAOI
sind dabei nicht für sich wirksam, sondern verhindern nur den Abbau
körpereigene Wirkstoffe wie Serotonin und Noradrenalin. Da aber auch
der Abbau anderer Stoffe unterbunden wird, kann unter dem Einfluß
von MAOI der Genuß von Käse, Rotwein und anderer gealterter
oder fermentierter Nahrung lebensgefährlich sein. Ähnlich gefährlich
kann die Verwechslung von Pilzen sein.

Psilocybinhaltige Pilze sind, dank der gut gedüngten und gepflegten
Rasenflächen vor den Regierungsgebäuden dieser Welt, weltweit
auf dem Vormarsch. Der klassische “Psilo” ist dabei vor Verwechslung
relativ sicher, aber der sehr potente Inocybe aaegurinascens hat einige
hochgiftige Brüder, die oft direkt neben ihm sprießen. Nur schwach
wirksam aber kaum zu Verwechseln sind Pilze der Gattung Düngelinge
(Panaeolus).


Psilocybe cubensis

Nun wurde diese Konferenz nicht nur von der Wissenschaftlerin Claudia
Müller-Ebeling, sondern auf von dem Geschäftsmann Hans van den
Hurk veranstaltet. Hans van den Hurk kam vor 5 Jahren auf die Idee, das
nach niederländischem Recht zwar Psilocybin verboten ist, nicht jedoch
psilocybinhaltige Pilze. 1993 eröffnete er “Conscious Dreams”,
den ersten Smart-Shop der Niederlande, und begann den Handel mit Pilzen,
Kakteen und anderen psychoaktiven Pflanzen. Und so war keiner der Konferenzteilnehmer
auf ungenau bestimmte Pilze von der Wiese oder gar unberechenbare Pillen
vom Schwarzmarkt für die am Rande der Konferenz stattfindenden psychedelischen
Experimente angewiesen. Es standen verschiedene Präparate mit bekannter
Wirkstoffkonzentration sowie die Erfahrung der Experten zur Verfügung.
Der Experte der Experten war dabei natürlich Albert Hofmann, der in
seinem Vortrag ein bewegendes Plädoyer für die Erhaltung der
Natur hielt. Sein beinahe biblisches Alter merkte man in dabei nicht an
und noch nachts um 2 Uhr sah man ihn in intensiver wissenschaftlicher Diskussion
oder gar zu Techno tanzend. Er strahlte dabei den “spirit” aus,
den einige Teilnehmer zu Anfang etwas vermißt hatten, der jedoch
in den warmherzigen und offenen Gesprächen am Rande der Vorträge
allenthalben zu spüren war.

Epilog:
Nach meiner Rückkehr aus Amsterdam unternahm ich ein Experiment mit
Salvia divinorum, dem mazatekischen Wahrsagersalbei. Nach zwei tiefen Zügen
befand ich mich in einem Zustand, der starke Assoziationen mit “Alice
im Spiegelland” hervorrief. Wie aus einem Traum erwacht schien sich
vor meinen Augen das Rad des Schicksals zu drehen. Das Erlebnis war sehr
beeindruckend aber nicht wirklich angenehm und so war ich froh, als sich
nach 10 Minuten mein Zustand wieder normalisierte.


v.l.n.r.: H. Hurk, A. Adelaars, C. Müller-Ebeling,
J. Ott

Im weiteren Verlauf des Abends hatte ich einige starke deja vu-Erlebnisse,
die den Namen Wahrsagersalbei nur zu berechtigt erschienen ließen.


Copyright Text: Arend Streit / Bilder: Heike
Tonn / Uwe Gräwe / Layout: Dr. Igüz 1999

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