RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 14.12.07

BALI-KONFERENZ

Clash der Klimakämpfer

Von Christian Stöcker

Endet die Uno-Konferenz im

Eklat – oder mit einem faulen Kompromiss? Der Klimaschutzgipfel auf Bali

gerät zum Showdown zwischen der Regierung Bush und den Europäern.

Öko-Guru Al Gore zürnt: “Meine Heimat ist das größte

Hindernis.”

Der Klimagipfel in Bali steht

auf der Kippe – im Kern gibt es nur noch zwei Möglichkeiten, wie die

Verhandlungen enden können. Die Vertreter der USA und anderer Bremser-Länder

sind offenkundig mit dem Ziel angetreten, sich nicht festzulegen. Den Delegierten

bleibt damit nur die Wahl zwischen einem diplomatisch-unverbindlichen Abschlussdokument

ohne handfeste Vorgaben, in dem alle Beteiligten den Willen zum Weiterverhandeln

bekunden. Oder einem Eklat, der die Welt auf absehbare Zeit in Klimaschützer

und Nicht-Klimaschützer teilt.

Al Gore, der am Montag erst

seinen Friedensnobelpreis in Stockholm abgeholt hatte, brachte es in einer

Rede vor Delegierten auf Bali auf den Punkt: “Mein eigenes Land, die Vereinigten

Staaten, sind das größte Hindernis für den Prozess hier

auf Bali. Wir alle wissen das.” Er empfahl seinen Zuhörern, die USA

schlicht auszublenden und sich ohne sie auf ein Abkommen zu einigen. Schließlich

werde in gut einem Jahr ein neuer Präsident gewählt. Er könne

zwar nicht versprechen, dass dieser eine andere Position in Sachen Klima

vertreten werde, sagte Gore – “aber ich glaube, dass das recht wahrscheinlich

ist”.

Die USA argumentieren, dass

konkrete Ergebnisse auf Bali den folgenden Verhandlungen vorgreifen würden,

die in ein Nachfolgeabkommen für den 2012 auslaufenden Kyoto-Pakt

münden sollen. Die Vertreter der EU-Staaten reagieren auf diese Haltung

zusehends erbost und selbstbewusst (mehr…). Sie drohen mit einem Boykott

des Major Economies Meeting (MEM) – den von US-Präsident George W.

Bush initiierten Gesprächen der großen Verschmutzerstaaten über

CO2-Begrenzungen im kommenden Jahr auf Hawaii. Die Europäer wollen

dort nicht teilnehmen, wenn die USA sich auf Bali nicht bewegen.

Bundesumweltminister Sigmar

Gabriel (SPD) sagte, inzwischen gebe es eine “klare Positionierung der

Europäischen Union”: “Kein Ergebnis in Bali heißt kein MEM”,

sagte Gabriel. “Ich wüsste auch nicht, was man da bereden sollte ohne

Zielvorgabe.” Gabriel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) heute telefonisch

über den Stand der Verhandlungen unterrichtet. Danach ließ sie

mitteilen: Sie gehe davon aus, dass die USA in der Schlussphase auf Bali

an ihre konstruktive Haltung anknüpfen, die sie beim G-8-Gipfel im

Sommer in Heiligendamm eingenommen hätten.

“Das ist Logik, keine Erpressung”

Die von Bush angeregten Verhandlungen

der größten Verschmutzerstaaten hatten im September begonnen.

Humberto Rosa, portugiesischer Umwelt-Staatssekretär, kündigte

deren drohendes Ende noch knapper an als Gabriel: “Ohne Bali kein MEM.

Das ist Logik, keine Erpressung.”

“Stellungnahmen wie diese

sind nicht sehr konstruktiv”, antwortete Kristin Hellmer, eine Sprecherin

des US-Präsidialamtes. “Wir arbeiten hart daran, eine gemeinsame Grundlage

für Fortschritte zu finden.” James Connaughton, Vorsitzender des Umweltrates

im US-Präsidialamt, warf der EU vor, die Gespräche mit ihren

Forderungen zu blockieren.

Die Europäer sind nicht

zuletzt deshalb verärgert, weil die US-Delegation plötzlich wissenschaftliche

Aussagen in Zweifel zieht, die sie zuvor akzeptiert hatte. Die USA verhielten

sich so, als hätte es die neuen Berichte des Uno-Klimarats IPCC nicht

gegeben, sagte Gabriel.

Die Bali-Blockade der Regierung

Bush hat aus Sicht der Kritiker System. US-Unterhändler Connaughton

hatte einem Kongresskomittee-Bericht zufolge mit seinem “Council on Environmental

Quality” jahrelang hart daran gearbeitet, die amerikanische Öffentlichkeit

über den Klimawandel und seine Folgen in die Irre zu führen (mehr…).

Das Anzweifeln oder Unterschlagen wissenschaftlicher Erkenntnisse gehörte

demnach zum Standardrepertoire. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass

Connaughton und Delegationsleiterin Paula Dobriansky nun tatsächlich

mit einem Mandat nach Bali gekommen sind, das ihnen die Festlegung auf

konkrete Emissionsbeschränkungen erlauben würde.

Die Bremserstaaten emittieren

mehr statt weniger

Die EU fordert dagegen eine

Festlegung der Industrienationen zur CO2-Minderung um 25 bis 40 Prozent

bis 2020 – gegenüber 1990. Hätten die USA das Kyoto-Protokoll

ratifiziert, hätten sie schon bis 2012 ihre Treibhausgasemissionen

um sieben Prozent reduzieren müssen. Tatsächlich haben die Emissionen

seit 1990 aber um 16 Prozent zugenommen.

Andere Bremser-Staaten scharen

sich inzwischen um die USA – zum Beispiel Kanada, dessen Emissionen im

Vergleich zu 1990 um 54 Prozent gestiegen sind. “Tiefe Einschnitte bei

den Emissionen sind nötig”, sagt Umweltminister John Baird, ohne aber

echte Vorschläge dafür zu machen. Kanada will Ölsand in

der Provinz Alberta unter hohem Energieeinsatz kommerziell erschließen.

Da stünden verbindliche CO2-Ziele im Weg.

 

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