>>Hanf |
Breit im Namen seiner Majestät
1884. Afrika. Drückende Hitze. An einem der Quellflüße des Kongo, dem Lulua, kämpfen sich der preussischer Offizier Hermann v. Wissmann und der Forscher Paul Pogge zusammen mit einer Gruppe einheimischer Träger durch den Dschungel. Offizielles Ziel ist die Durchquerung Afrikas von Ost nach West sowie die Klärung von Fragen zur Kartografierung. Doch dahinter stecken handfeste Interessen, speziell die Einrichtung neuer Handelswege und die Erschließung von Bodenschätzen. Daher ist es natürlich auch wichtig zu erfahren, mit welchen Problemen von Seiten der Eingeborenen zu Rechnen ist. Wir befinden uns schließlich in der Hochzeit des Kolonialismus. < Hermann von Wissmann |
In der Region Lubuku trifft die Expedition auf den Stamm der Bena Riamba,
einer mächtigen Volksgruppe mit vergleichsweise großen Einflußgebiet.
Diese unterscheiden sich in vielfältigerweise von ihren Nachbarn:
Statt an Ahnen und Fetische zu glauben wird hier das gesammte Leben und
Zusammenleben von Riamba, dem Hanf, geprägt, der eine Art Seelenwanderung
ermöglicht. Es herrscht die Vorstellung, das Leben ohne Hanf nicht
möglich ist. Alle wichtigen gesellschaftlichen und familiäre
Ereignisse, wie Vertragsschlüsse oder Eheschließungen, werden
mit Hanfrauchen besiegelt.
Nie trennen sich die Bena Riamba, übersetzt “Söhne des Hanfs”,
von ihren Wasserpfeifen, die sie aus getrockneten Flaschenkürbissen
herstellen. Verpönt sind hingegen der Genuß von Alkohol und
Fleisch, jegliches Blutvergiessen gilt als verwerflich. Auch Vergehen werden
mit Hanf bestraft: Der Delinquent muß Rauchen, bis er ohnmächtig
wird, dabei wird der beschimpft und schikaniert. Alles Unbekannte ist für
die Bena Riamba eine Herausforderung, dem sie sich mit Neugier und Ausdauer
widmen. Sinnvolle Gebräuche werden in das kulturelle Leben integriert.
Die Bena Riamba werden von einem mächtigen Herrscher kontrolliert:
Kalamba. Er benutzt Riamba als Mittel zur Durchsetzung seiner Macht, seine
Schwester Sangula Meta ist die Hohepriesterin des Kultes, der nach exessivem
Rauchem in einem gemeinschaftlichen Tanz einmündet.
Entsprechend werden die beiden deutschen Forschungsreisenden empfangen. Man hält sie für die zurückgekehrten Seelen der beiden Vermissten Kassongo und Kabassu Babu. Neugierig wird das europäische Essbesteck ausprobiert. Kassongo und Kabassu Babu waren als starke Raucher bekannt, so wird zu Ehren ihrer Rückkehr so manche Pfeife geraucht: “Bei meiner Ankunft in Lubuku (Land der Freundschaft) begrüßte mich Sangula Meta, die Schwester Kalambas und Kalamba Mwena, der Thronfolger. Erstere ist die Priesterin des Hanfs. |
^ Riambatanz |
Ihre Bewillkommnung bestand darin, daß sie mir Stirn und
Hände mit Hanfasche einrieb und mir dann mit weißem Thon, Pemba
genannt, einen Strich auf den Rock machte. Kassongo, der Neffe Kalambas,
erschien mit neun seiner festlich geschmückten Weiber, um mich seiner
Freundschaft durch ein großes Hanfrauchen zu versichern. Die jungen,
zum Theil recht hübschen Mädchen brachten eine große Pfeife
herbei, die im Kreise herumging, und aus der jeder einige Züge thun
mußte; auch mein Bruder und ich waren genöthigt, uns hierbei
zu betheiligen, obwohl es gerade keine Annehmlichkeit war, mit der ganzen
schwarzen Sippschaft dieselbe Pfeife zu benutzen.” Danach beginnt ein rauschendes
Fest. “Rings im Kreise um Häuptling Ischingenge, ließen sich
die kahlköpfigen, tätowierten, langen, mageren Burschen nieder
und begannen, ihre Pfeifen anzuzünden.
(…) Vier gut gestimmte Trommeln fielen ein, und die Versammlung erhob eine aus sieben Tönen zusammengesetzte, sich stets wiederholende Melodie. Pfeifen, Klappern und Rasseln, Prusten in das Mundloch der mächtigen Pfeifen und die langgezogenen melancholischen Töne des Elfenbeinhorns vereinigten sich mit dem Gesange zu einem unbeschreiblichen Getöse. |
Bei einigen war die Wirkung des Hanfes schon acut geworden, sie sprangen
auf und tanzten mit zurückgeworfenem Kopfe, stieren Blicks, die wiegende,
brechende Bewegung der Hüften mit Schwingen der ausgestreckten
Arme und ausgespreizten Finger begleitend, oder stampften im
Takte mit den Füßen, wild ins Weite stierend, die einförmige,
bald einlullende, bald aufjubelnde Melodie singend.”
Kalamba und Wissmann, alias Kassongo, beschliessen schnell Blutsbrüder
zu werden. Doch während der Zeremonie erklärt Kalamba Mwene,
der Sohn Kalambas plötzlich: “Wenn wir gegenseitig nach alter Sitte
unser Blut trinken, wird das Volk sagen, wir seien keine Söhne des
Riamba mehr, sondern blutrünstig geworden. Das Feuer ist die höchste
Macht der Erde, und Riamba das einzige Mittel für Gesundheit und Leben!
Wenn wir Kischila nun vom Feuer mit Riamba trinken, so ist dies unverbrüchlich.
Wer es dann wagen wird, sein Wort zu brechen, dem wird kein Feuer mehr
brennen und leuchten und Riamba nicht mehr helfen.” Dann werden die Blutstropfen
durch Hanfsamen symbolisiert. Dennoch bleibt der Konsum von Hanf dem strammen
Preußen suspekt, auch wenn er weit weniger negative Auswirkungen
feststellen kann, als er erwartet hatte. Zumindest seinen kolonialistischen
Plänen der Gefügigmachung scheint ihm Hanf geeignet, da es “die
unstäte Wildheit (…) mildert und den Neger zugänglicher und
brauchbarer für Cultur und Civilisation macht”.
Pogge vestirb recht bald. Aber Wissmann verweilt insgesamt 5 Jahre
bei den Bena Riamba und wird eine Art Berater Kassongos. Auf seine Anordnung
hin wird die Haustierhaltung wieder eingeführt, das vegetarische Esen
scheint ihm nicht zu schmecken: “Sämtliche Hausthiere bis auf Tauben
waren bei unserer Ankunft dem Hanfraucher zu halten verboten. Pogge und
ich hoben sofort diese für uns höchst unangenehme Bestimmung
auf.”
Kalamba zieht andere Vorteile aus der Verbindung: Die von den Europäern
mitgebrachten Waffen stellen einen bedeutenden Faktor im örtlichen
Machtgefüge dar. Nach Unterwerfung des abtrünnigen Häuptlings
Katende erklärt dieser: “Bedenke, daß ich nicht vor dir stehen
würde, wenn du ohne die Hülfe des weißen Mannes gekämpft
hättest!” Worauf Kalamba ihn erst einmal kräftig Riamba rauchen
läßt.
Eine andere furchterregende Waffe Kalambas ist seine Schwester Sangula Meta: „Sangula begleitet ihren Bruder Kalamba auf allen seinen Kriegszügen. Das Gefühl der Furcht ist ihr fremd, und sie tritt oft mit einem Büschel grünen Hanfes in der Hand unbewaffnet den Feinden entgegen, um eine drohende Anrede zu halten. Scheint diese keinen Eindruck zu machen, so sucht sie durch heftige Gesten und plötzliches Ablegen ihres einzigen Hüfttuches dem Gegner ihre Verachtung zu zeigen und ihre Krieger zum Kampfe anzufeuern.” < Sangula Meta |
Kalamba verfaßte auch einen Brief an Kaiser Wilhem II. König
von Preußen und Kaiser von Deutschland:
“Muene kum maji Kallungo kabatu bosso (Großer aus dem Wasser,
Beherrscher aller Völker)
Bringe Pulver und viele Gewehre, schöne Zeuge. Auch Deine Weiber
bringe mit, um hier ganz zu bleiben, Deine Begleiter (Söhne), da wir
sie alle lieben. Und glaube mir auch, daß das Gehöft Kassongos
(Wißmanns) gesichert ist. Es soll nicht verändert werden. Wenn
Du reisen willst mit mir, bin ich bereit, Dich zu begleiten. Wenn Du nicht
reisen willst, bleiben wir hier. Ich will Dich gut behandeln mit Deinen
Söhnen, die Du mitbringst.
Kalamba Mukenge”
Was wäre wohl aus Deutschland und Europa geworden, wenn Kaiser
Wilhelm diese Einladung ernst und angenommen hätte?
Copyright Text: Arend Streit / Grafiken
/ Layout: Dr. Igüz 2000