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Der Krieg gegen die Drogen
Interview mit Bill Clinton (Auszug)

^ Mr. President on board Air Force One

Sollte jemand, der kleine Mengen Marihuana besitzt, konsumiert oder auch verkauft, dafür ins Gefängnis gehen? Ist das angemessen?

Clinton: Nun, zunächst einmal denke ich...

Dieses Interview erscheint erst nach der Wahl.

Clinton: Das weiß ich. In einigen Staaten ist der Besitz kleiner Mengen Marihuana mittlerweile nicht mehr strafbar. Ich halte das für richtig.
Wir müssen die Maßstäbe, nach denen Menschen bei uns inhaftiert werden, unbedingt und bald überdenken. Es gibt Menschen, die andere absichtlich verletzen, und wer so etwas tut, der gehört ins Gefängnis, weil  man ihn nicht frei herumlaufen lassen kann. Es gibt Menschen, die derart schwere Verbrechen begehen, dass man sie ins Gefängnis schicken muss, um andere damit  abzuschrecken, Ähnliches zu tun.

Viele Menschen sitzen heute aber im Gefängnis, weil sie Drogen- oder Alkoholprobleme haben. Und viel zu viele von ihnen werden wieder entlassen – besonders aus dem staatlichen Strafvollzug – ohne Therapie, ohne Schulabschluss, ohne Ausbildung, ohne irgendwelche ernsthaften Anstrengungen, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. In unseren Gefängnissen wimmelt es heute von Leuten, die keine Gewaltverbrechen begangen haben – Leute, die aufgrund von Drogendelikten verurteilt wurden, die in direktem Zusammenhang mit ihren eigenen Drogenproblemen stehen.

Sollten gewaltlose Drogendelikte überhaupt zu einer Gefängnisstrafe führen? Wären Therapieprogramme in solchen Fällen nicht geeigneter?

Clinton: Das hängt davon ab, was diese Leute getan haben. Ich habe da gewisse persönliche Erfahrungen. Mein Bruder, den ich liebe und auf den ich sehr stolz bin, hat eine schlimme Kokainabhängigkeit überwunden. Zum Schluss brauchte er vier Gramm pro Tag. Er hat Glück gehabt – wenn er nicht stark wie ein Ochse gewesen wäre, hätte er es vermutlich nicht überlebt.
Ich glaube, wenn er nicht ins Gefängnis gekommen wäre, wenn man ihn nicht mit Gewalt aus dem Verkehr gezogen hätte, hätte er es wahrscheinlich nicht geschafft. Er hat seine Abhängigkeit immer geleugnet, bis zu dem Tag, an dem er verurteilt wurde. Ich bin also nicht sicher, ob Inhaftierung grundsätzlich schlecht ist, nicht mal bei Drogendelikten. Es hängt von den Umständen ab. Ich denke, es gibt einige...

Ich will eigentlich auf etwas anderes hinaus...

Clinton: Lassen Sie mich ausreden. Meiner Meinung nach sind die Strafen bei gewaltlosen Delikten in vielen Fällen zu lang, und der Strafvollzug ist nicht darauf ausgelegt, diesen Leuten optimale Voraussetzungen nach ihrer Entlassungen zu bieten. Man darf nicht vergessen, 90 Prozent der Leute, die ins Gefängnis kommen, kommen irgendwann wieder raus. Es liegt also im Interesse der Gesellschaft, die Chancen zu maximieren, dass jemand nach seiner Entlassung wieder ein produktives Leben führt – einen Job findet, Steuern zahlt, ein guter Vater oder eine gute Mutter ist. Über diese Dinge müssen wir nachdenken.

Würden Sie verbindlich Mindeststrafen abschaffen?

Clinton: Die meisten Richter sind der Auffassung, dass wir das tun sollten. Auf jeden Fall sollten wir sie einer genauen Prüfung unterzeihen. Es wird zum Beispiel immer noch unverhältnismäßig zwischen Crack und Pulverkokain unterschieden. Ich habe versucht, das zu ändern. Der republikanische Kongress war bereit, diese Unterschiede zu verringern, nicht aber, sie völlig abzuschaffen. Man vertrat die Auffassung, Leute, die Crack nehmen, seien gewaltbereiter als Leute, die Kokain nehmen. In Wirklichkeit bedeutet das: Leute, die Crack nehmen, sind meist arm – und zufällig auch schwarz oder braun. Deshalb haben sie kein Geld.
 Die Leute, die Kokain nehmen, sind meist wohlhabender, können für den Stoff bezahlen und machen daher keinen Ärger.
Wir müssen uns ernsthaft überlegen, wie es uns gelingen kann, unsere Gesellschaft friedliebender und produktiver zu machen. Unsere Gefängnispolitik ist kontraproduktiv. Es gibt in Amerika viele Orte, deren Wirtschaft vor dem Aufschwung fast völlig vom Bau von Gefängnissen abhängig war und an denen neue Arbeitsplätze zum großen Teil in Gefängnissen geschaffen wurden.

Finden Sie es richtig, dass jemand das Recht auf Ausbildungsförderung verliert, weil er wegen Haschisch-Konsums verurteilt wurde? Das ist mittlerweile Gesetz.

Clinton: Nein
(Rolling Stone D 01/01)
Das Interview wurde noch während Clinton's Präsidentschaft geführt (Anm. d. Red.)


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