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                 Martin (21/Name geändert) aus Meckenheim war heiß.
                 Quälend heiß. So entledigte er sich all seiner Klamotten.
                 Spazierte nackt bis auf die Unterhose an einem Fußweg
                 neben der Autobahn A 565. Blutend, weil er sich selbst
                 verletzt hatte, in Brombeersträucher gefallen war. Eine 
                 Spaziergängerin rief die Polizei. Die schaute Martin nur 
                 kurz in die Augen und wusste. Der Junge ist auf
                 einem Horrortrip. Martin war im Blümchenrausch.
                 Durchlebte furchtbare Halluzinationen. Hatte sich mit
                 einem Tee aus Engelstrompete bedröhnt. Einer der
                 Natur-Drogen, die Ärzte und Polizisten immer häufiger
                 beschäftigen. „Bio“ - jetzt auch bei Suchtmitteln „in“.

                 Experten schlagen Alarm. Beim Bonner Giftnotruf (Tel.
                 0228/19420), zuständig für ganz NRW, steigen die
                 Nachfragen. Professor Hinderk Emrich (Uni Hannover)
                 berichtet von „mehr und mehr Fällen“.

                 Biologe Klaus Berkefeld, der beim Landeskriminalamt in
                 Mainz die bundesweit einzige Statistik über Naturdrogen
                 führt, zum EXPRESS: „In den letzten Jahren hat sich nur
                 bei uns in Rheinland-Pfalz die Zahl der Fälle auf rund 120
                 verdreifacht.“ 

                 Die Dunkelziffer ist hoch. Wer den Rausch übersteht,
                 meldet sich kaum freiwillig. Das grüne Gift aus Mutter
                 Natur. Es wird roh gekaut, geraucht oder als Tee
                 getrunken. „Vor allem die Engelstrompete ist zurzeit sehr
                 verbreitet“, weiß Dr. Frank Löhrer, Ärztlicher Leiter der
                 „Klinik am Waldsee“, die in Rieden/Eifel jugendliche
                 Süchtige behandelt. 

                 Ein Drittel seiner Patienten habe Erfahrung mit Biodrogen.
                 „Die meisten fangen mit Haschisch an, experimentieren
                 dann weiter.“ Die jüngsten Patienten: gerade 13 Jahre alt.
 
 
Zwei Gruppen von Naturdrogen machen Sorge: Sogenannte „Magische Pilze“ (chemischer Wirkstoff: Psilocybin) - Verkauf verboten, aber übers Internet zu beziehen. Und Nachtschattengewächse wie Engelstrompete, Tollkirsche oder Stechapfel (Wirkstoffe: Atropin oder Scopolamin, die momentan in voller Blüte stehen. 

Dazu kommt noch die Muskatnuss, die in hoher Dosierung ebenfalls high macht. Die Wirkung der scheinbar harmlosen Pflanzen:  verheerend. Verwirrung, gestörte Wahrnehmung wie etwa schwitzen, Psychosen. Berkefeld: „Mit schönem Rausch hat das nichts zu tun. Opfer enden als sabbernde, hilflose Monster.“ 

Auch Todesfälle hats schon gegeben. Direkte durch Vergiftungen. Indirekte wie Selbstmorde im Drogenwahn. Tollkirsche und Co. halten Experten inzwischen für gefährlicher als Heroin. Grund, so Löhrer: „Sie sind nicht zu dosieren und nicht zu kontrollieren.“ Denn man kann sie in jedem Gartencenter legal kaufen. Obendrein wachsen Stechäpfel noch in der freien Natur. Martin aus Meckenheim hat seinen Drogenrausch überlebt. Er ist in einer Klinik. Kalter Entzug von Mutter Natur…

Was Eltern tun können

Weit aufgerissene Pupillen, Schweißausbrüche, Desorientierung, plötzliches Interesse für Botanik. Auf diese Symptome kann man achten. Doch wenn sie bemerkt werden, ists oft schon zu spät. Dr. Frank Löhrer: „Eigentlich müsste schon in der Grundschule vor den Naturdrogen gewarnt werden.“ Biologielehrer hätten aber oft keine Ahnung. Und die Politik offenbar kein Interesse. Löhrer, Autor des Ratgebers „Biogene Suchtmittel“ (AFV-Verlag, Aachen): „Alles, was Eltern tun können, setzt voraus, dass man mit seinen Kindern noch reden kann.“ In Zweifelsfall solle man sich aber an den nächsten Gift-Notruf wenden, im  akuten Ernstfall sofort ins Krankenhaus. Löhrers Tipp an Eltern, die ihr Kind des Missbrauchs verdächtigen: „Nehmen Sie Kontakt zu einem Elternkreis auf.“ Davon gibts in jeder größeren Stadt einen. 

Express 06.08.2001


Engelstrompete

Muskatnuss

Stechapfel

Tollkirsche


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