Zigarettenhändler keine Drogendealer

Kassel.

In Kneipen und Zügen darf nicht mehr geraucht werden, auf jeder Zigarettenschachtel

prangt eine riesige Warnung vor den Gefahren des Nikotinkonsums. Der Staat

zahlt aber all jenen keine Berufsunfähigkeitsrente, die noch als “Zigarettenautomatenauffüller”

arbeiten könnten. Ein Widerspruch? Offensichtlich. Aber trotzdem rechtmäßig.

Das meint jedenfalls das Bundessozialgericht (BSG). Am Dienstag entschieden

die Kasseler Richter, dass das Bestücken dieser Automaten auch in

Zeiten zunehmenden Nichtraucherschutzes keine unzumutbare Tätigkeit

sei – und auch kein Einstieg in den Drogenhandel.

“Es

ist den Versicherten nicht möglich, sich gegen eine Beschäftigung

zu wehren, die in diesem Bereich angesiedelt ist”, heißt es in der

Urteilsbegründung. “Der Gesetzgeber hat die Entscheidung dem Konsumenten

überlassen, ob er sich mit Nikotin schädigen will.”

Geklagt

hatten zwei ehemalige Bergleute aus Gelsenkirchen, denen die Knappschaft-Bahn-See

die Berufsunfähigkeitsrente verweigert hatte: Die 41 und 45 Jahre

alten Männer könnten noch als Verkaufsfahrer für Tabakhändler

arbeiten, hieß es.

Rädchen

im Tabakhandel

Klägeranwalt

Günther Becker machte dagegen verfassungsrechtliche Bedenken geltend:

“Die Teilnahme am, wenn auch legalen, Handeln mit einer gefährlichen

Droge kann nicht zugemutet werden.” Auch eine legale Droge sei eine Droge.

Die Rentenkasse dürfe von seinen Mandanten nicht verlangen, sich zum

“Rädchen im Tabakhandel und in der Abhängigmachung der Menschen

von der Droge Nikotin” zu machen. “Derselbe Staat, der Werbung macht gegen

Tabakkonsum, darf nicht auf diesem Weg Geld sparen in der Sozialversicherung.”

Dieser

Sicht schlossen sich Deutschlands oberste Sozialrichter nicht an. Sie verwiesen

die Klage zurück an die Vorinstanz. Möglicherweise sind die früheren

Kumpel für den Job überqualifiziert. Ob ihnen das Auffüllen

von Automaten nicht nur moralisch, sondern auch sozial zugemutet werden

kann, muss nun das nordrhein-westfälische Landessozialgericht in Essen

klären.

 

 
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