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Interview mit Anthony B
 
1998
Das Gespräch mit Anthony B wurde von mehreren auf dem Summer Jam anwesenden JournalistInnen geführt und von RootZ mitgeschnitten. Besonderer Dank gilt den Leuten für die extravagante Auswahl von Fragen und die Sensibilität, wie die Thematik behandelt wurde. Dank auch an NMr. Fabulous, daß er die Geduld bei der Übersetzung des heavy Patois behalten hat. Jah Guide.

RootZ: Da einige Leute in Europa nicht wissen, daß es diesen Unterschied gibt zwischen den ganzen Rasta-Kirchen in Jamaika wie den Bobos, was denkst Du ist der Unterschied der Bobos verglichen mit den anderen Rasta-Kirchen?

Anthony B: Kein Unterschied! Wir sind Rastas, weißt Du, einfach alle Rastas!


RootZ: Also warum hast Du dann beschlossen, ein Bobo zu werden? Auf deinem ersten Albumcover trägst Du Deine Locken offen...
 
Anthony B: Weil ich da noch jung war, noch in den Rasta-Glauben hereinkam, auf der Suche. Ich brauchte Führung zum Glauben hin, deshalb wurde ich Nyahbinghi. I`n`I sagen, Bobo kann dich Durch die Zukunft und durch das Leben führen, da es die priesterlichen Gesetze sind. Denn Johannes sagt, er sah ihn kommen in Gewand und Turban... Es ist, als ob sich die Prophezeiung des Johannes Markus erfüllt. Schau dir die Prophezeiungen an, weil Johannes Markus dir davon erzählt. Sie besagt, daß dieser Mann aufsteht, um die Leute zu befreien, die Repatriation, die Erlösung zu bringen. So sehe ich das Bobo Camp, das Heim Immanuels(?). King Selassie kam nach Jamaika und begrüßte diesen Mann.

RootZ: Ja, einige Leute kennen auch nicht Prince Immanuel.

Anthony B: Ja, er ist der Mann, der diesen Glauben geprägt hat. Er belebte die Tradition neu in unserer Zeit, downtown in Tivoli.

RootZ: Würdest Du ihn wie Garvey und King Selassie sehen?

Anthony B: Nun, King Selassie ist der König und durch den König bekommt man das Leben. Durch Markus Garvey bekommt man die Vision, weil Marcus Garvey der Prophet ist.
Prince Immanuel ist der Priester, der in der Dämmerung kommt und dir den großartigen Wechsel zeigt, hin zur ‚Immanuel order’, der ‚salvation order‘. Er ist der Mann, der mich die Macht der Dreifaltigkeit hören ließ. King Selassie ist der König, der gepriesen sei. Prince Immanuel ist der Mann, der aus der Dämmerung kommt und dir den Weg zum Leben zeigt, den Weg zur Errettung, um den Sabbat zu kennen und die Kraft zu haben, für Stunden Nyahbinghi-Chants zu singen und den Allmächtigen zu preisen. Diese drei, er ist einer von diesen dreien. Drei Mann für eine Aufgabe, mit drei verschiedenen Teilen davon. Rasta ist einig. Es gibt keine Vorschriften, um ein Rasta zu sein. Aber man braucht Anweisungen um geleitet zu werden. Die priesterlichen Gesetze kommen vom Prince. Du hörst auf den Propheten und du hörst auf den Priester. Man braucht beide, um es zu schaffen. So sehe ich die priesterliche Tradition...

RootZ: Kannst Du uns Dein Alter verraten? Wie alt bist Du?

Anthony B: 21.

RootZ: Wann bist Du in die Musikszene eingestiegen?

Antony B: Mit 15, 16.

RootZ: Und davor, was hast Du da gemacht?

Anthony B: Nun, ich ging zur Schule. Von der Schule aus kam ich direkt zur Musik. (Lachen)

RootZ: Wie würdest Du dich sehen im Vergleich zu schwarzen Künstlern wie Garnett Silk, als ein Über...
 
 
Anthony B: Es ist ein Werk, viele Leute arbeiten an einer Sache zusammen. Man braucht viele Leute um es zu schaffen, weil- ich meine- so wie eine Generation kommt und geht, und Leute von der einen zur anderen Generation mit der selben Sache beschäftigt sind. Pele war der größte Fußballspieler seiner Generation, du hast auch jetzt großartige Spieler, also wird es niemals enden. Garnett Silk, Bob Marley, Peter Tosh, Anthony B, Sizzla, Buju Banton, Luciana, wir alle arbeiten an einem Werk. Wir sind alle Botschafter des Allmächtigen.

RootZ: Du erwähntest Peter Tosh und in der Show hast Du ein paar seiner Songs gesungen. Ist da eine besondere Verbindung?

Anthony B: Peter Tosh ist mein Vorbild, ein Künstler, zu dem ich wirklich aufschaue. Für mich ist er wie ein Engel. Hör dir Peter Tosh an und du siehst, daß Peter Tosh war sehr militant und hat die Worte ausgesprochen. In diesen Zeiten hat er sich nicht gebeugt und. Jetzt ist eine andere Zeit, denn die Leute realisieren, sind aufgeklärt, sie lesen mehr, sie können mehr Sprachen verstehen als jemals zuvor. Die Leute gehen direkt in die Kultur eines anderen Volkes und finden so die wirkliche Wahrheit.

RootZ: Wie wichtig sind Richard Bell und die „Star Trail“-Familie bei Deinem Erfolg, weil er ja Dein Album produziert hat?

Anthony B: Er ist der Vater der Familie, das ist wichtig. Wie ein Vater zu einem Sohn, das ist sehr wichtig.

RootZ: Also siehst Du ihn mehr als einen Freund als einen Geschäftspartner?

Anthony B: Ja.

RootZ: Du hast Erfolg mit intelligenten Texten, strengen „conscious lyrics“ in der gleichen Art wie Sizzla, Capleton und andere. Wie würdest Du Deine Musik umschreiben? Ist es Ragga oder... Was ist es, weil es tatsächlich doch sehr einzigartig ist?
 
Anthony B: Einfach Holiness, - einfach Holiness und Militancy, einfach Immanuels Worte, die Worte Selassie I`s.

RootZ: Manche sagen, daß es Roots-Musik ist. Würdest Du sagen, es sei Roots Musik?

Anthony B: Es ist Roots, weißt Du, weil alles um Deine Roots geht, und es ist Musik für die Zukunft, weil... Hör es dir heute an, es ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es ist eine Musik, die dich leiten kann. Es ist eine Musik, die dich befreien kann. Es ist eine Musik, die dir von diesem Zeitalter erzählt, dem Zeitalter Immanuels. Es ist eine Musik, die bewußt macht. Es geht alles um Consciousness.

RootZ: Wenn wir die 70er betrachten, kann man sagen, daß Rasta die Musik der 70er bestimmt hat. Wenn man die 90er betrachtet, gibt es einen Unterschied. Was hat sich verändert? In den 80ern war die Consciousness vorbei, aber Slackness beherrschte offenbar die ganze Musik und die Jugend. Heute kommt die jüngere Generation, schwarze Menschen wie Sizzla, Capleton und sie alle, um die Botschaft in der Tradition der 70er zu verbreiten. Aber ich denke, daß sich in den 90ern etwas verändert haben muß.

Anthony B: Ja, weil die Leute während der 80er gemerkt haben, daß sie nach einer Lösung für das neue Jahrtausend suchen, nach einer neue Wende hin zu einem neuen Leben, nach einem besseren Weg. In den 80ern haben sie gemerkt, daß in der Zukunft nichts besser sein wird. Also haben sie sich zurückbesinnt auf das, was ihnen bekannt war. Du mußt dich auf die Lehren deiner Eltern, auf das Leben deiner Großeltern, auf die Zeit, bevor man das Gewehr erfand, besinnen. Die Leute haben gemerkt, daß sie nicht weiter kommen können ohne nach hinten zu schauen. Also besinnt man sich auf das, was man kennt, und lebt nach den Worten dieser guten Zeit.

RootZ: Lebst Du auf dem Lande?

Anthony B: Nein, in Portland. Aber ursprünglich komme ich vom Land.
 
RootZ: Es gab nämlich eine Zeit, als viele Leute nach Kingston gezogen sind in der Hoffnung, ein gutes Leben dort zu führen. Jetzt scheint es so als ob besonders die jüngeren Künstler wieder über das Land singen und auf das Land zurückkehren.

Anthony B: Weil es das Land ist, wo das Leben entsteht. Die größeren Möglichkeiten sind in der Stadt. Auf dem Land kannst du nicht deine Musik singen und in der Gegend einen Tune aufnehmen. Du mußt dazu in die Stadt gehen, weil dort die Studios und die Künstler sind. Das Land ist das Leben.

RootZ: Du bezeichnest Dich selbst als „real revolutionary“. Was heißt es Deiner Meinung nach, ein Revolutionär zu sein?

Anthony B: Nun, die Leute müssen es einfach leid sein. (Lachen)

RootZ: Laß uns über die Vergangenheit reden. Deine Großmutter war Mitglied der Revivalists und Deine Mutter hatte mit den 7th Adventists zu tun. Wie würdest Du Religionen wie 7th Adventists mit Rasta und dem heutigen, Technik bezogenen Leben vergleichen?

Anthony B: Als ich noch als Jugendlicher zur Kirche ging, fand ich heraus, daß die Kirche nicht ehrlich ist. Denn du gehst zur  Kirche und der Pastor erzählt dir nicht immer über diesen Mann, der kommen wird um dich zu retten. Er erzählt dir von einer anderen Kirche, sagt dir, daß diese Kirche eine böse Kirche ist. Fünf, sechs Leute können einen Mann verehren und sie alle kämpfen gegeneinander während sie ihn verehren.
Als ein junger Rasta begann ich Ras Tafari kennenzulernen und in die Bibel zu schauen. Mir selbst überlassen fand ich heraus, daß meine Eltern selbst gar nicht wirklich die Bibel gelesen hatten. Sie haben Anweisungen bekommen um sie zu lesen. Der Pastor sagt: Lest Offenbarung 5, und sie lesen Offenbarung 5. Die Wahrheit ist also da für sie, aber sie lesen sie nicht. Denn, wenn die Kirche vorbei ist, schließen sie die Bibel und lesen nicht weiter.

RootZ: Eine letzte Frage: Was denkst Du über das deutsche Publikum und Deine heutige Performance?
 
Anthony B: Die Deutschen sind immer nett. Ich denke, die Zeiten ändern sich. Die Leute leben nicht in der Zeit, in der man ihnen Anweisungen geben kann, weil man ihr Führer ist, und ihnen sagen kann, was gerade abläuft. Die Leute suchen selbst und sie fühlen diese Macht. Sie lernen eine andere Sprache, so daß sie, wenn ein Führer sagt: dieser Mann hat das gesagt, es nicht glauben müssen. Sie hören es selbst. Die Zeiten ändern sich.


Copyright Text: Summer Jam PK / Fabian@Fireball  /  Fotos: Holger / Summer Jam Team / Layout : Dr. Igüz 2000