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Interview mit Robie Scheermann
Inhaber von Fotofon Köln Weiden, 19. Juli 2000 RootZ: RobieScheermann, Inhaber, Geschäftsführer, Gründer
von Fotofon - ich wünsche einen guten Tag. Erzähl uns doch mal
etwas über die Geschichte von Fotofon, wie sich das entwickelt hat,
wie lange es schon Fotofon gibt.
Robie: Ich hatte vorher einen Musikclub in Köln. Da habe ich angefangen Reggaemusik zu spielen, was allerdings nur in dem Rahmen von etwa 25 Prozent des Programms ging. Ich wollte mich aber mehr mit Reggaemusik befassen und habe dann den Club zugemacht, bin mit meiner Familie nach Belgien ausgewandert und habe angefangen mit einem Reggaevertrieb- von heute auf morgen. Das war im Oktober 1980. Seit dem lebe ich von Reggaemusik, also bin seit dem Profi in der Richtung. Das ging erst sehr langsam los denn, wenn man so etwas anfängt, dann hat man erstmal einen Kunden, dann zwei, dann drei und so geht es ganz langsam aufwärts. Dann sind wir nach knapp zwei Jahren wieder nach Deutschland zurückgekommen und haben in Aachen einen Laden aufgemacht mit gleichzeitigem Vertrieb. Aber ein Reggaeladen in Aachen war auch nicht möglich zu der Zeit. Aachen ist dafür zu klein. Dann haben wir den Laden wieder zugemacht und seitdem machen wir nur noch den Vertrieb. Wir sind mehrmals umgezogen, aber da wir im Großhandel sind, spielt das überhaupt keine Rolle, unsere Kunden werden immer weiterbeliefert. Wir haben von Anfang an das Glück gehabt, ein paar Großkunden in Deutschland zu haben. Der erste war damals Boots Plattenladen in Hannover. Den gibt es schon lange nicht mehr. Oder Ringpo das war die Zeit der deutschen Welle und da waren sehr viele Leute aufgeschlossen und manche hatten auch viel Geld verdient und einige davon waren Reggaefans und investierten auch in Reggaeplatten und präsentierten die in ihren Läden. Es war eine gute Zeit um damit anzufangen. Wir haben also in der gleichen Zeit angefangen, wie quasi alle deutschen Independentvertriebe, wie die Vorläufe von Efa , die dann auch später Indigo gegründet haben. RootZ: Erzähl mir mal etwas über euer Sortiment. Wie ist das geschichtet, und wieso Du das so schichtest? Robie: Also ich gehe in erster Linie von meinem Konzept aus, daß
Reggae eine alternative Popmusik ist, die vor allen Dingen andere Inhalte
bringt.
RootZ: Wo Du gerade über Inhalte sprichst. Gehst Du davon aus, daß das deutsche Reggaepublikum sich überhaupt mit den Inhalten beschäftigt? Robie: Ja, das tun sie. Viele, natürlich nicht alle. Es gibt
tolle Reggaefans, die kein Englisch verstehen. Ich weiß auch nicht
wie die das machen, aber, die Deutschen sind besonders kritisch bzgl. Reggae.
Sie sind strenger im Geschmack als bspw. das Publikum in England.
RootZ: Zum Vertrieb zurückkommend. Wieviel setzt ihr so um. Also nicht an Geld. Gib mir doch mal so ne Idee, wie groß der Vertrieb ist. Ich will keine Betriebsgeheimnisse wissen, aber einfach um ne Idee zu bekommen, wie der Laden brummt. Robie: Also Brummen kann man das nicht nennen. Mit Reggae kann man
nicht schnell reich werden.Das haben schon etliche versucht und deshalb
sind wir die Erfolgreichsten, weil wir es nie versucht haben. Die Leute
die versuchten wie mit Rock oder Heavy Metal im Reggae reich zu werden,
die sind alle gescheitert. Heutzutage können wir von guten Titeln
ein paar Hundert verkaufen - CDs oder LPs. Früher waren es vielleicht
200 und dann haben wir ja außerdem noch ein Outlet über einen
Major-Independant, früher Efa, heute Indigo, die also ein Teil unseres
Programms im größeren Stückzahlen verkaufen. Das sind dann
Zahlen bis zu 5000 und manchmal sogar noch drüber.
Wirtschaftlich gibt es keine Probleme. Reggae ist eine zuverlässige Quelle. Das hat mir vor 20 Jahren keiner glauben wollen. In meiner Familie haben die Leute gesagt " Du bist ja bekloppt, wie kann man nur mit so einer exotischen Musik als Lebensunterhalt existieren?" Ich habe gesagt "Wartet mal ab, ihr werdet schon sehen", und ich habe Recht behalten. Reggae ist eine unheimlich langlebige Sache. Und das habe ich damals schon gemerkt. Aber es ist keine Sache wo man reich mit wird. Und die anderen sind auch nicht richtig reich. Die Leute wie Twinkle Brothers oder Mad Professor. Mit Rockmusik wird man schneller reich oder mit anderen Sachen, vielleicht mit HipHop. RootZ: Erzähl mir etwas über die Struktur von Fotofon. Wer macht das? Mit wem arbeitet Ihr zusammen? Sind das mehr Jamaikaner, mehr Briten, sind es beide, sind es die Amis? Robie: Ursprünglich bin ich nach London gefahren und habe in
London in der sehr starken jamaikanischen Community in der Reggaeszene
die Sachen eingekauft. Die Londoner Reggaelabels waren damals sehr wichtig
und sehr bedeutend. Bspw. das D- ROY Label brachte als erstes in Europa
eine LP von Black Uhuru raus. Dann fuhr ich nach London und kaufte
die , und war der einzige, der die zu einem Preis hatte, um sie an Großläden
zu verkaufen.
Zu den Kunden: Unsere besten Kunden sind ganz normale Großläden wie WOM, Saturn, die ganz normalen guten Plattenläden, die ein gutes Reggaesortiment haben wollen und sich auf unser Programm stützen. Weil wir eine Auswahl treffen, die nicht unbedingt für den inneren Kreis der Reggaefans ist, sondern für die Allgemeinheit, die sich für Reggae interessiert. Das war unser Konzept von Anfang an. Weil ich selber einen Club hatte, war ich immer interessiert, Reggaeplatten zu finden, die die Leute gut finden, sogenannte Crossoverplatten. Die erste war Black Uhuru- Showcase, die ich entdeckt habe, und so habe ich viele Crossoverplatten entdeckt, und als erster in die Läden gebracht. Die Läden mögen das, wenn sie Reggae haben, daß sie Platten haben, die mal auch ein Rockfan kauft, nicht nur die Reggaesammler. Dafür gibt es ja sowieso genug Spezialfirmen die diese Leute bedienen, Listen rumschicken. Es gibt Listen, da jucken mir selber die Finger, was zu bestellen. Ich sammle ja selber keine Platten, das will ich doch mal ganz klar sagen. Ich bin kein Plattensammler, da ich auf dem Standpunkt stehe , wenn ich eine Platte habe, und ein Kunde sie kaufen will, so kann er sie kaufen. Das ist mein Prinzip. Ich gebe dem Kunden immer den Vortritt und mir hat das nie Leid getan. Ich habe immer genug gute Reggaeplatten gehabt. RootZ: Und aus welchen Leuten besteht Fotofon? Robie: Das ist ein Familienbetrieb.
RootZ: Ihr müßt eigentlich ein immenses Lager haben, wenn
ihr so große Kunden wie Saturn, Wom usw. habt.
Und dann hatten wir sehr viel Erfolg mit Mad Professor gehabt.
Mit Macka B sehr viel. Anfangs auch viel Lee Perry unterschiedliche Titel.
Manche waren schon mal da gewesen aber immer fand man gute Lee Perry
Platten, die noch nicht da waren. Ja warte mal das ist eine schwierige
Frage, weil das geht ja über fast zwanzig Jahre. Was war denn
da noch zwischendurch?
Heute sind die Platten 50 bis 100 Mark wert. Einzelne Alben wurden
immer zu Kultplatten.
RootZ: Ja ich meine bei den Majors stellt man ja auch fest, daß sie in der Regel nicht wissen, welche Pferde sie im Stall haben. Robie: Ja das war wirklich absurd, also das ist das verrückteste: ich habe bei Caroline, das ist eine Tochter von Virgin in London, Platten gerkauft und sie in Deutschland an Virgin weiterverkauft, ja. Als Zwischenhändler. Wir haben auch ein eigenes Label; wir veröffentlichen aber nur
gelegentlich eine Platte, wenn uns zufällig etwas Gutes unter die
Finger kommt. Da haben wir ein Lee Perry Album, "Dub Net Philosophy", ebenso
die Dub Crusaders, das Album heißt "Universal Spirit Warrior", es
ist eins der richtungsweisenden Alben. Dann haben wir Iqulah, "Live
in Switzerland", zwei Live CDs und eine LP.
Und deshalb habe ich alles, was es gibt, schon gemacht. Nur als Dj habe ich noch nicht gearbeitet, das, was jetzt so in ist, diese Reggae-Djs mit Ihren Singles, das Scratchen, das aus dem HipHop kommt. Das ist das einzige, das werde ich auch noch mal ausprobieren... RootZ: Persönliche Frage: Wie hat dich Reggae eingefangen? Robie: Ich war davor Fan von normaler Rockmusik, und Mitte der 70er
Jahre war ziemlich Ebbe. Und plötzlich hörte ich, wie Bob Marley
lief und merkte, da ist was ganz anders in Gange. Das ging dann sehr schnell.
Ich war auf der Suche, das muß ich ganz klar sagen.
Während die Gladiators sangen: "This is 1976 we don´t
want no war!" Ne Zeitansage, ne Jahreszahl in nem Song. Das hat mich unheimlich
fasziniert. Das war meine Vorstellung von guten Liedern. Singen, was Sache
ist, und nicht irgendeinen Schmu. So kam ich dazu.
Mit dem Computer wird die Musik nur anders produziert. Da gibt es einige technischen Fortschritte. Aber das Konzept der Reggaemusik ist heutzutage auf jeden Fall noch nicht veraltet. HipHop wird genauso gemacht wie Reggae. Fast kein Unterschied. Es sind nur andere Leute, die das machen. Teils sogar dieselben unter verschiedenen Namen. House wird auch so gemacht. RootZ: Und Techno. Robie: Techno auch größten Teils. Nur ein bischen mehr computerisiert. Ist sogar kompatibel mit Reggae. Der Technobeat und der Reggaebeat auch der HipHop-Beat - sie sind alle deckungsgleich. Man kann die in einem Song nachträglich austauschen mit dem Computer. Das sind die Dinge, warum ich mich mit der Herstellung der Musik beschäftige. Um so etwas zu verstehen, wie man am Computer Beats produziert, wie man Beats programmiert, wie man die Computerprogramme in den Songs austauschen kann. Das ist das moderne Konzept. Auch Dub - Dub könnte man von jeder Musik machen. Warum machen es nur die Reggaeleute? Die anderen haben es noch nicht gemerkt. Die sind uns eben einiges voraus gewesen, die Jamaikaner, um fast 20 Jahre. RootZ: Wo wir beim Dub sind, es gibt verschiedenste Varianten wie Dub entstanden ist. Welche Variante kennst Du? Robie: Also ich favorisiere diese Geschichte, daß King Tubby wirklich per Zufall auf die Idee gekommen ist, eine Single zu machen, wo er den Gesang einfach ein- und ausblendet und mit ein bißchen Echo versieht. Es war damals üblich, daß sie eine einzige Single machten, die sie dann direkt im Soundsystem testeten, und gemerkt haben: Wow, das Publikum fährt darauf ab. Und das ist auch irgendwie logisch. Die Leute kennen ja den Song. Die Platte, die fängt erst an- und sie glauben, das ist die Musik, die sie am Abend zuvor gehört haben - aber plötzlich ist der Gesang weg. Wow, Wow,Wow, das ist ein unheimlicher Kick, wenn man das zum ersten mal hört. Das merkt jeder, das war Wahnsinn! Und da in Jamaika jeder jeden imitiert, dauerte es im Grunde nur Wochen, bis das jeder gemacht hat, und nachher sagte jeder, er hätte es erfunden. Aber ich glaube wirklich, daß King Tubby der erste war. Lee Perry hat sich erst später drangehangen. Wenn er es wirklich erfunden hätte, dann hätte er es schon 10 Jahre vorher erfinden können. Denn im Studio One hatten sie ja schon diese backings gebracht auf der Rückseite der Single. Aber ohne diese Effekte. Einfach das backing, wo der Sänger darauf singt. Und das haben sie später dann als Dub verkauft, aber das ist kein Dub! RootZ: Das ist ne Version Robie: Genau. Ich glaube, daß es so stimmt. Ich kann es nicht beweisen. King Tubby lebt nicht mehr. Der Mad Professor glaubt das auch. RootZ: Also Du gehst davon aus, daß es ein bewußt gesteuerter Prozeß war, weil es gibt ja auch Leute, die argumentieren, es war ein Unfall. Robie: Wieso? RootZ:Da hat wohl irgendeiner bekifft am Mischpult rumgespielt, und aus Versehen... Robie: Ich glaube auch nicht, daß King Tubby ein Kiffer gewesen ist. RootZ: Ja, okay, ich habe ja jetzt auch nicht King Tubby gesagt. Ich habe ja irgendwer gesagt. Robie: Nee, nee, nee. Ich will mal ganz klip und klar folgendes sagen: Das Ganja spielt eine viel unwesentlichere Rolle, als die deutschen Reggaefans glauben. Reggae gab es schon, bevor ein Reggaemusiker angefangen hat, Ganja zu rauchen. Das hieß noch nicht Reggae, sondern Rocksteady. Aber es ist die gleiche Musik, ganz eindeutig. Ska Leute haben auch kein Ganja geraucht. Leute wie Coxonne rauchen auch nicht. Leute wie Bob Marley haben das zum Kult gemacht. Sehr viel Dinge hat Bob Marley in den Reggae reingebracht. Und weil er der Superstar wurde, haben die Leute im Nachherein geglaubt, es muß so sein. Auch Rasta hat mit Reggae eigentlich nichts zu tun. Es gibt sehr viele Reggaemusiker, die dem Rastakult angehören. Aber es gibt auch sehr viele, die kurze Haare haben, und Bier trinken. Die gibt es nicht in Deutschland, aber die gibt es in Brixton und in Jamaika. Z.B. Delroy Wilson ist so ein Typ. Er ist ein großer Reggaesänger , aber er hat weder was mit Rasta, noch was mit Ganja zu tun. Ist bei uns nicht bekannt, aber ist trotzdem ein toller Sänger. Und es gibt immer mehr Leute, die das entdecken. RootZ: Ne abschließnde Frage. Was hältst Du vom Internet in Bezug auf Reggae, auf das Musikbusiness im allgemeinen? Robie: Also ich würde sagen, das Internet ist nicht unbedingt
in der gleichen Richtung wie Reggae . Das Internet hat im Grunde mit allem
was zu tun. Aber Reggae ist nicht die spezifische Kultur, die sich gut
im Internet präsentiert. Nur weil das Internet so allgegenwärtig
ist, muß Reggae da auch präsent sein. Ich nenne das eine Korrelation.
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