The Rebelites Köln Tunnels 18. Dezember 1998


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The Rebelites
Köln Tunnels
18. Dezember 1998
Wenn ich in den vergangenen Monaten rausgegangen bin, um
mich von guter Musik unterhalten zu lassen, habe ich fast immer einen leichten
Schock bekommen und bei dem derzeitigen Zustand des “Reggae-Biz”
fällt mir nur eins ein: wir müssen den Trend zu einer Erosion
der Reggaeszene in Deutschland aufhalten, vielleicht durch ein konsequentes
“let’s go back to the roots”. Warum müssen die Entertainer
immer aus Jamaika, den Staaten oder England stammen, wenn es gute, lokale
Reggaebands gibt? Meistens haben die weniger bekannten Combos aus der Umgebung
ein ebenbürtiges Programm und sind viel mehr szeneverwurzelt, als
die jamaikanischen Superstars, denen das Pulver noch aus der Nase rieselt
und die meistens nur noch ein stereotypes Herunterspulen ihres Programms
absolvieren und das teilweise zu horrenden Preisen. Da lobe ich mir doch
eine Veranstaltung, wie den Abend im Tunnels. Eine Band und zwei Soundsystem,
alle aus der Gegend, keine abgehobenen Überflieger und trotzdem ein
gutes Programm.

Eröffnet wurde die Veranstaltung mit dem Dubpart des ersten
Soundsystems “Syndicate Sound” um Holger den Tanzbären und
Dr. Igüz. Schwere Bässe waberten durch die Gewölbe vom Tunnels
und in allen Ecken und Winkeln beugten sich die Leute über längliche,
an einer Seite gummierte Papierfetzen, die sie mit einer grünen Substanz
bedeckten und dann zu konischen Tüten formten. Angezündet verbreiteten
diese Glimmstengel einen angenehm süßlich-herben Geruch und
sie wurden in solchen Mengen konsumiert, daß eine Nebelmaschine für
nette Lichteffekte an dem Abend nicht nötig gewesen wäre.

Nach ungefähr einer Stunde mit sphärischen Klängen
und Sub-Bässen von Syndicate Sound wurde es Zeit für den Hauptact,
die Rebelites. Fast alle Bandmitglieder stammen aus dem Köln-Bonner
Raum, das Sängerduett, bestehend aus “Ras Tabani”, einem
erfahrenen Vokalisten aus Simbabwe und seiner Frau “Kune Zuva”,
was soviel, wie “es gibt Sonne” bedeutet, hat allerdings schon
internationale Banderfahrung gesammelt.

Und so wurden den einhundertundfünfzig Zuschauern modern interpretierte
Roots Reggae Songs geboten, die von der Band gut rübergebracht wurden.
Ras Tabani achtete von der ersten Note darauf, ein gutes Verhältnis
zum Publikum aufzubauen und war immer im Dialog mit den Leuten, die in
Reggae mehr sehen, als nur gut tanzbare Beats, sondern auch die eine oder
andere Message haben wollten. Und davon gibt es in dieser unruhigen Zeit
jede Menge. Sistren Kune Zuva sprach beispielsweise an dem Abend ganz aktuell
die Problematik mit der Bombardierung Iraks an.

Das Liveprogramm der Rebelites wurde von einer tragenden Fünfzehn-Minuten-Version
des King Jammy Klassikers “Jump Song” eröffnet, der das
Publikum in den richtigen Zustand für den Rest der Show grooven ließ.
Und so ging es dann auch in relaxtem Stil weiter: ruhige, fließende
Beats, ‘mal Eigenkompositionen, ‘mal neue Interpretationen alter Riddims,
wie den “Joy Riddim”, “General Riddim” oder “Hot
Gal Riddim”. Akzente gesetzt wurden von einer coolen Sologitarre,
Keyboardeffekten und einer Posaune, die immer für Erdverbundenheit
sorgte, wenn der Sound ‘mal zu spacig werden sollte. Die Arrangements stimmten
und die Show war lebendig und fesselnd – dank der unermüdlichen Frontmannarbeit
von Ras Tabani. Nach zwei Stunden Livemusik und einigen Zugaben mußte
mensch es den Rebelites daher zugestehen, sich in den Backstagebereich
zurückzuziehen. Das Programm war damit ja auch noch nicht zu Ende,
die Sounds kamen im Anschluß wieder vom Soundsystem aus der Konserve.

Und zwar gab sich Holger mit dem zweiten Set von Syndicate Sound
die Ehre, die neuesten Songs aus den Dancehalls Jamaikas unter das Volk,
beziehungsweise an deren Ohren zu bringen. Seine Spezialität sind
Version Excursions auf die neuesten Riddims, aber auch auf alte Roots-
und Dancehalltunes. An diesem Abend wurde Syndicate Sound durch den MC
Ras Daniel aus Eritrea verstärkt, der leider aufgrund einer bösen
Grippe nur Teile seiner sonst gut funktionierenden Stimmbänder zum
Schwingen brachte, der Rest war durch einen zähen Schleim verklebt
und verhinderte eine Full Power Performance.

Als Abschluß des Abends wurde das zweite Kölner Soundsystem
präsentiert: “One Blood Sound”, international besetzt mit
Patrique aus Algerien und einem Kollegen aus Ghana. Die zwei Jungs sind
so etwas, wie Multitalente: Wenn der eine von ihnen den “Selector”
macht, die Platten auf dem Teller kreisen läßt und die Nadel
an der richtigen Stelle zum richtigen Zeitpunkt in die Rille versenkt,
dann ist der andere der “Toaster”, oder umgekehrt. Nein, von
einem Toaster wird nicht das After-Show-Frühstück vorbereitet,
der Toaster übernimmt bei einem Soundsystem den Livepart. Dafür
braucht er ein Mikrophon und ein paar gute Einfälle, um den vom Selector
ausgewählten Song anzukündigen, die Texte zu ergänzen, oder
über einem Dubplate ganz neue Vocals zu erschaffen.

Diese beiden Funktionen wurden von den zwei Mitgliedern von One Blood meisterhaft
ausgeführt und auch der fliegende Wechsel von Toaster zu Selector
und zurück klappte zwischen ihnen ohne jedes Problem, die üblichen
Tunes bekamen durch den Liveeinsatz ihren letzten Schliff und wurden in
der Dancehall mit viel Begeisterung aufgenommen, so daß das Publikum
gegen drei Uhr zufrieden nach Hause gegangen ist.


Copyright: Dr. Igüz 1999

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