RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 26.08.07

WALDBRÄNDE

Die programmierte Katastrophe

Von Holger Dambeck

Italien, Kanaren, jetzt die

Feuerhölle in Griechenland: Die Waldbrände in Südeuropa

werden immer verheerender. Schuld ist ein verhängnisvolles Zusammenspiel

von skrupellosen Brandstiftern, miserabler Waldwirtschaft und untätigen

Politikern.

Waldbrände können

ein Segen sein. Die nordamerikanische Lodgepolekiefer beispielsweise benötigt

die Hitze des Feuers als Impuls, damit sich die Zapfen öffnen und

die Samen für die neuen Waldgenerationen freisetzen. Durch Brände

finden die Keimlinge und jungen Bäumchen optimale Wuchsbedingungen,

da die Konkurrenz durch andere Pflanzenarten noch gering ist und genügend

Nährstoffe zur Verfügung stehen. Nach einer Studie der Umweltschutzorganisation

WWF vom Juli sind 46 Prozent der Ökoregionen weltweit vom Feuer abhängig

oder beeinflusst. Waldbrände sind in diesen Regionen für Flora

und Fauna genauso wichtig wie Regen oder Sonnenschein.

Doch was derzeit in Griechenland

passiert – das hat mit natürlichen Prozessen, die der Erhaltung des

Waldes dienen, nichts mehr zu tun. Genau wie bei den anderen Bränden

in jüngster Zeit in Europas südlichen Ländern, ob in Italien

oder auf den Kanaren.

Die geballt auf der Halbinsel

Peloponnes auftretenden Brände deuten auf gezielte Brandstiftungen

hin, so sieht es auch der griechische Ministerpräsident Kostas Karamanlis

(mehr…). Vier mutmaßliche Zündler wurden bereits am gestrigen

Samstag festgenommen. Warum aber brennt es in den vergangenen Jahren immer

häufiger und immer schwerer in Griechenland, auf den Kanaren, Portugal

und anderswo im Mittelmeerraum?

Nach Angaben der Welternährungsorganisation

FAO gibt es in den mediterranen Wäldern jedes Jahr mindestens 50.000

Brände, 700.000 bis eine Million Hektar werden dabei zerstört.

Dies entspricht der Fläche Kretas oder Korsikas. Experten erschreckt

insbesondere die extreme Zunahme großflächiger Brände in

den vergangenen Jahrzehnten. Die durchschnittliche jährliche Waldbrandfläche

habe sich seit den sechziger Jahren vervierfacht, heißt es in der

WWF-Studie. Betroffen sind vor allem Spanien, Portugal, Italien und Griechenland,

wo seit Freitag riesige Flächen in Flammen stehen.

Weil die Wälder in Südeuropa

leicht ein Opfer der Flammen werden können, haben Länder wie

Frankreich spezielle Feuerwehren eingerichtet, die über das erforderliche

Know-how verfügen, um Waldbrände im unwegsamen Gelände bekämpfen

zu können.

Eine besonders große

Gefahr geht von starken, häufig ihre Richtung wechselnden Winden aus.

Diese verhindern derzeit auch auf dem Peloponnes eine effektive Brandbekämpfung.

Feuerwehrleute kann der Wechsel der Windrichtung das Leben kosten, wenn

eine Feuerwalze plötzlich und unerwartet auf sie zurollt.

Dass die Brände immer

größer und schlimmer werden, überrascht Waldbrandforscher

wie Johann Goldammer von der Universität Freiburg kaum. Die Struktur

des ländlichen Raumes habe sich geändert, sagte er in einem Interview

mit der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”. Immer mehr Menschen würden

das Land verlassen, Höfe lägen brach. Flächen zwischen den

Wäldern wucherten zu. Bewirtschaftete Felder, die wie Schneisen das

Überspringen der Flammen von einem Wald zum anderen verhinderten,

verschwinden.

Und auch der Wald selbst

hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. “Niemand sammelt

mehr Feuerholz”, beklagte Goldammer. Wenn es dann zum Brand komme, würden

die Feuer heißer, als es je in der Geschichte der Kulturlandschaft

der Fall war.

Wissenschaftler Goldammer

empfiehlt als Vorsichtsmaßnahme sogar das kontrollierte Abbrennen

des Waldbodens – allerdings nicht während des extrem trockenen Sommers.

Abgestorbene Äste, Reisig und Buschwerk würden so beseitigt und

könnten keine Feuerbrücke mehr zu den Baumkronen bilden. Brennt

der Wald dann doch noch einmal, hat das Feuer weniger Nahrung und die Bäume

selbst bleiben verschont.

Die WWF-Expertin Nina Griesshammer

glaubt, dass ein Großteil aller weltweiten Waldbrände verhindert

werden könnte. Nur noch vier Prozent aller Brände hätten

eine natürliche Ursache wie zum Beispiel Blitzschlag. “In allen anderen

Fällen ist der Mensch verantwortlich”, sagt Griesshammer. “Allein

mit gescheiter Waldbewirtschaftung könnten hunderttausende Bäume

jährlich vor den Flammen bewahrt werden.”

Die Hauptursachen für

die verheerenden Waldbrände seien Brandstiftung und künstlich

angelegte Wälder, gefolgt von Hitzewellen und Wassermangel. Der WWF

fordert ein Ende der Monokultur-Wälder, die Rückkehr zu heimischen

Baumarten sowie die konsequente Strafverfolgung von Brandstiftern.

Dass Menschen überhaupt

auf die Idee kommen, Feuer zu legen, hängt für den WWF klar mit

wirtschaftlicher Not zusammen. Der Marktwert von Holz sei stark gesunken.

Landbesitzer müssten sich neue Einkommensquellen erschließen.

Sie versuchten das Land, auf legale oder illegale Weise in Bauland zu verwandeln.

Der WWF forderte bereits im Juli angesichts der verheerenden Waldbrände

in Europa ein Gesetz auf EU-Ebene, das es verbietet, auf abgebrannten Waldflächen

zu bauen.

Kriminelle Machenschaften

Der spanische Umweltschützer

Juan Jesús González vermutet hinter Bränden, die Ende

Juli auf den Kanaren schwere Schäden anrichteten, sogar Unternehmen,

die mit der Wiederaufforstung oder der Brandbekämpfung Geld verdienen.

“Davon lebt schließlich eine ganze Industrie”, sagte er kürzlich

nach den verheerenden Waldbränden auf den Kanaren im Gespräch

mit SPIEGEL ONLINE.

In Italien erklärten

die zuständigen Behörden unumwunden, dass hinter den Bränden

der jüngsten Zeit Kriminelle steckten, vielleicht sogar die Mafia.

Die wird schon seit Jahren verdächtigt, so die Umwandlung etwa von

Olivenhainen in Bauland zu erzwingen. Von den Abruzzen bis Apulien, von

Latium bis nach Kalabrien waren der Zeitung “La Repubblica” zufolge nun

in nur einer Woche 750 Feuer entstanden.

In den kommenden Jahren und

Jahrzehnten dürfte sich die Lage in Südeuropa kaum verbessern,

wenn die betroffenen Länder nicht entschlossen gegen die Feuerteufel

vorgehen. Aufgrund des Klimawandels werden Dürren und extreme Hitzewellen

zunehmen. “Wir müssen deshalb schnell weg von eintönigen Baumreihen,

in denen sich Feuer rasend schnell ausbreiten”, sagt Griesshammer. Man

müsse auf Kahlschläge und das Anpflanzen fremdländischer

Bäume verzichten, fordert sie. Ein prominentes Negativ-Beispiel seien

die Eukalyptus-Monokulturen in Portugal, die die ehemals verbreiteten und

feuerfesten Korkeichen verdrängt haben. “Deshalb nimmt Portugal heute

den europäischen Spitzenplatz bei der Waldbrandgefahr ein.”

 

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