RootZ Aktion – Täp Nakon Bantöng Sin Concert Luk Tung Malam – Sissi Et, 30.12.2002



 


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Aktion
 

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Täp
Nakon Bantöng Sin


Concert
Luk Tung Malam


Sissi Et, Thailand,
30.12.2002

Der Abend war mit ca. 20
°C erstaunlich kühl für ein tropisches Land, wie Thailand
es ist. Wir befinden uns in der bäuerlichen Provinz Isaan im Nordosten
des Landes. Wer unbedingt auf der Karte finden will, wo das ist, orientiert
sich am besten an der nächstgrößten Provinzstadt Roi Et.
Im 40 km entfernten kleinen Kaff Sissi Et, das vielleicht 300 – 400 Seelen
beherbergt, wurde eine Wiese, auf der sonst Kühe weiden, das Open
Air Event des ausklingenden Jahres vorbereitet. 

Man hatte nicht gespart und
eine immense Logistik aufgefahren: eine 20 m breite und 10 m tiefe Bühne,
über die mancher Musiker, der in europäischen Clubs auftritt,
neidisch wäre, dazu eine P.A., die sich noch als Ohrenputzer herausstellen
sollte. 


 



typische Isaanlandschaft
Ärmlich
hingegen waren Deko und Licht. Ersteres bestand mehr oder weniger aus dem
Schriftzug des endlos langen Veranstaltungsnamen und einem Torbogen aus
Presspappe, der später, während der Action, eine zentrale Bedeutung
einnehmen soll. Und die Beleuchtung bestand aus ein paar Halogenscheinwerfern
plus fünf überdimensionierten Glühbirnen, von denen drei
gar nicht erst ihre Aufgabe wahrnahmen. 

Schon den ganzen Nachmittag
über zeigten die Boxen der Veranstalter, was sie können: Soundcheck
und nasal vorgetragene Werbung für das Event konnten man in der völlig
flachen Gegend noch Kilometer weiter hören. Als wir gegen 22 Uhr auf
dem fußballfeldgroßen Gelände eintrafen, waren dort ca.
500 Menschen versammelt, die Veranstaltung hat also Publikum über
die Dorfgrenzen hinweg gezogen. Was nicht verwunderlich ist, denn es ist
eine völlig verschlafene Gegend und die Thai sind neugierig und partywütig.
Da wird eine seltene Veranstaltung, wie diese natürlich vom überwiegend
jüngeren Publikum unter 35 nicht ausgelassen. Ich mußte mit
41 und als einziger Falang („Langnase“, wie Europäer hier liebevoll
genannt werden) weit und breit natürlich wieder eine Sonderrolle einnehmen.
Manchmal hatte ich das Gefühl, daß ich mehr im Fokus der Betrachtung
stand, als die sich redlich bemühenden Künstler auf der Bühne.
Glücklicherweise bleibt es in solchen Fällen beim „dezenten“
Observieren, andere nennen es gaffen, man wird nicht laufend angequatscht,
wie ich es aus anderen Ländern kenne. Laßt es mich so ausdrücken:
nach einer Schamperiode, die zu überwinden ist, bemerkt man es kaum
noch. 


 

Bei dem Thema noch ein Hinweis:
verzeiht mir die Qualität der Bilder, wäre ich noch rumgelaufen
und hätte vor der Bühne Closeups etc geschossen, anstelle aus
der „anonymen Masse“ zu fotografieren, wäre der Veranstalter verständlicherweise
sauer geworden, wer läßt sich schon gerne die Show stehlen?
Und sogar meine Frau, selbst Thai, war zu schüchtern, ein paar Sensationsfotos
für RootZ.net einzufangen. Aber zurück zur Action: 


 

Zwischen Bühne
und den sitzenden Leuten bestand eine Leerzone von ca. 15 Metern. Überhaupt
mußte ich mich als Konsument von europäischen und amerikanischen
Shows an ein paar Sachen gewöhnen, die anders abliefen: 

Links: 2 x Gitarre
und Schlagzeug

Die Band spielte in zwei
geteilt hinter der Ballustrade mit dem Schriftzug, der in pinken Thailettern
die Veranstaltung benannte. Auf der Linken standen Rhythmus- und Sologitarre
plus das Schlagzeug, rechts vom trennenden Presspapptorbogen standen der
Keyboarder und der Bassist. 

Rechts: Keyboards
und Bass
 

Das Programm bestand hauptsächlich
aus Covers, eine Sache, die in Thailand gang und gäbe ist, fragt mich
jetzt nicht, wie das mit den Tantiemen ist. Ich hatte mich schon ein bißchen
in CDs mit Isaanmusik reingehört und kannte jedenfalls ungefähr
jeden zweiten Song. Unangenehm für europäische Ohren war das
immer wieder auftretende Zwischengequatsche des Promoters, der sich mit
seinem Funkmikro irgendwo hinter der Bühne versteckt hielt. Und so
war es auch mit den ersten Vokalinterpreten: da wurden Songs gespielt und
Texte vorgetragen, aber Sänger oder Sängerin, bzw. „Ladyboy“
(da komme ich später noch ausführlich zu) waren nirgends zu erblicken.
Vielleicht war das noch der Anheizpart. 


 

Nach einer halben Stunde
war es dann aber so weit: kein suchender Blick nach der Quelle von Lyrix
war mehr nötig, das Auge wurde von der wahrlich exotischern Action
auf der Bühne gefangengenommen. Da stand plötzlich eine Sängerin,
umgeben von mehr als zehn in Glitzerkostümchen leicht bekleideten
Tänzerinnen. Diese führten eine Choreographie auf, die ich in
dieser prüden und konservativen Bauernregion nicht erwartet habe.
Eindeutig kreisende Beckenbewegungen und auch mal nen Griff an die Muschi
wechselten sich ab mit den für Asien typischen, schlängelnden
Armbewegungen und expressiven Fingerübungen. 


 



Wo haben sich die 2 Ladyboys
versteckt?
Und das Ratespiel
ging los: meine Frau mit für den Aspekt schärferen Augen meinte,
„auf der Bühne sind vier Ladyboys – so wird hier ne Schwuchtel genannt.
Allerdings ist auch das hier anders, als in der westlichen „Zivilisation“,
denn hier lassen diese Menschen sich gerne bei für einen Sexchange
„erschwinglichen“ Preisen tatsächlich zur Frau umoperieren, sind also
eher ne perfekte Transe, geben sich völlig tussihaft und sind häufig
nur an ihrem ausgeprägteren Kehlkopf zu erkennen. 

Thailand bereisende Typen
aufgepaßt: schon mancher hat gedacht, einen Superschuß kennengelernt
zu haben und hat im Hotelzimmer den Horror bekommen, meist sehen die Ladyboys
aus, wie konkurrenzlos hübsche Frauen. – Doc Highgood’s Auge ist nicht
so geübt, auch wenn glücklicherweise noch kein Hotelzimmerabenteuer
passiert ist, in diesem Falle habe ich drei von vier erkennen können. 

Aber weg von Peripherem und
hin zum Fokus des Geschehens: es war eineindeutiges Muster zu erkennen,
die TänzerInnengruppe blieb immer nur für einen Song auf der
Bühne, dann drängten alle durch besagtes Presspapptor, das damit
seine immens wichtige Bedeutung aufnahm. Jedes Mal an Ende des Liedes entstand
dort ein Verkehrsstau aus Körpern in schrillen Kostümen. Die
Öffnung des „Zentralausgangs“ war übrigens mit einem blauen Vorhang,
der mit Glitzer (so wie vieles an diesem Abend Licht reflektierend blinkte)
übersäht war, verhangen. Dahinter befand sich quasi die Garderobe. 


 

„Glückliche
Bandmitglieder“ ist mir bei intensiverer Betrachtung der einen oder anderen
Tänzerin (wie gesagt ’Tänzerin’, da war ich mir sicher, daß
ich auf keine Schwuchtel abgefahren bin) durch den Kopf geschossen, „da
würde ich auch gerne beim Umziehen zugucken können“. Okay, zugegebenerweise
Machodenke, aber wer die lieblichen Mädels dieses Landes kennt und
sich dann noch zur Musik bewegen gesehen hat, wird mich bestens verstehen…


Das Tor zur Umkleidezone

Ich schrieb von Muster, von
Song zu Song wechselte Frauengruppe zu Männergruppe, der dritte Tune
wurde dann von einem Mix aus beiden bestritten. Interessant war die Reaktion
des Publikums: geklatscht wurde eigentlich recht wenig. Zuerst dachte ich,
das liegt vielleicht an dem für die Thai „winterlichen Klima“, viele
saßen in Wolldecken eingehüllt auf der Wiese und ich war der
Einzige im kurzärmeligen T-Shirt, aber dann konnte ich sehen, daß
die Begeisterung hierzulande anders ausgedrückt wurde. 


 

War jemand von den häufig
wechselnden Vokalinterpreten überzeugt, ging er nach vorne und drückte
dem „Star“ eine kleine Summe Geld in die Hand. Das werden die Sängerinnen
und Sänger auch brauchen, meine Frau meinte, für einen Auftritt
bekommt eine Tänzerin 2.50 €, ein Sänger kommt auf sagenhafte
5 €. Das sind allerdings nicht die „Superstarkurse“. Zum Vergleich:
eine warme Mahlzeit ist hier für 0.50 € zu haben, es ist also
wenigstens kein Hungerlohn. 


 

Nach dem Choreographiepart
kam die Musikkomödie. Fragt mich bitte nicht nach Inhalten, aber das
Publikum war begeistert. Figuren waren eine schwangere Frau, dargestellt
von einem Ladyboy, ein buddhistischer Priester und ein Typ, der rumlief
und Spökes machte. Songparts und Komödie wechselten sichab und
gingen ineinander über. 


 

< Der Priester Der Spökesmann
>

Zum Abschluß
der Show kam der Veranstalter auf die Bühne und stellte ein paar Nachwuchstalente
vor. Dabei wurde die thailändische Liebe zu Zwillingen offensichtlich,
als zwei Zwillingsschwestern ein paar Songs vortrugen. 


 

Der Veranstalter > 

Ja, und die Musik, wie hört
die sich an? Wie gesagt, die Instrumentierung ist mit Gitarre, Keyboard,
Baß und Schlagzeug Standard. Was die Musiker dann aus ihren Werkzeugen
rausholten, klingt für das westliche Ohr bestimmt gewöhnungsbedürftig.
Für das Reggaepuplikum ist der Baß noch am vertrautesten, denn
die Läufe, die auf dem Instrument gespielt werden, sind recht rootzy.
Ansonsten dominieren das Keyboard und der Gesang, der oft mit getragener
Stimme in für uns ungewohnten Tonlagen vorgetragen wird. 


 

Ich muß sagen, diese
Show war musikalisch mit das Exotischste, was ich je gesehen habe. Und
ich frage mich, was den oder die Designer der Kostüme bewegt hat,
die Outfits in der Weise zusammenzustellen, wie sie an diesem Abend zu
sehen waren. Auf jeden Fall war es für mich ein weiterer Blick auf
eine der vielen Facetten der so fremden Thaikultur. 


Copyright Bilder: Pichit
Rungwisai / Doc Highgoods / Text  / Layout: Doc Highgoods 2003
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