Plexiq/ 22 Pistepirko


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Album Bambi Dragon
Don’tSpit No Fire

Plexiq/
22 Pistepirko
Köln, Stadtgarten

16. März 1999

Es war ein
angenehmer Frühlingsabend, den sich die Hamburger Kombo “Plexiq”
ausgesucht hatte, um hier im Rheinland ihren Gig für eine Rockpalastaufzeichnung
abzuliefern. Es sollte eine EFA-Nacht werden, das deutsche Indie-Label
lieferte neben besagten Fischköpp auch den Opener des Abends: “22
Pistepirko”, ein Trio aus Finnland. Der Stadtgarten war an diesem
Abend zwar nur spärlich gefüllt, aber die Leute, die ihren Weg
zu der Veranstaltung fanden, wurden mit zwei guten Acts belohnt.

22 Pistepirko rockten mit Drums, Keys und Gitarre auf einer mit Samples,
Effekten und Beats gespickten Retrowelle, ein satter Sound, der durch die
Art der Musiker auf der Bühne einen fast mystischen Touch bekam. Der
Keyboarder wiegte seinen Körper mit schiefliegendem Kopf über
seiner Tastatur, wie eine Gottesanbeterin im Liebestanz, der Gitarrist
machte insgesamt keine Bewegung zu viel und der Drummer haute den Beat
so präzise auf seinen Fellen, als sei er per Schnittstelle mit irgendeiner
Beatbox verkabelt. Manchmal brachte die Musik einen Touch von Velvet Underground
rüber, aber auch andere Bands der Ära ließen sich bei 22
Pistepirkos Sound wiederfinden, wenn mensch denn wollte.

Primär geht es hier aber um Plexiq, dem zweiten Act an dem Abend.
Sie kommen in einer fast klassischen Rockbesetzung: Schlagzeug, Bass, Keyboards,
Vocals…. aber die Gitarre fehlt, sie wird, wenn der Sound ‘mal benötigt
wird, per Sample ersetzt. “Autsch”, sagt da jetzt bestimmt der
eine oder andere “Purist”, oder wie sich die Leute nennen, die
gern musikalische Schubladen aufmachen. Kann er ruhig sagen und gleich
mit der Laubsäge und die für Plexiq passende Schublade zimmern,
denn finden wird er keine fertige. “Handgemachte Housemusik”,
“Elektronik meets Rock”, “Drum ‘n’ Bass mit Discotouch”,
ich weiß es nicht, auf jeden Fall ist es live, wie von Tonträger
eine Musik, die abgeht und in sich viele Elemente, Zitate und Techniken
Verschiedener Stilrichtungen trägt.

Das wichtigste an Plexiqs Soundkonzept ist wohl, daß der Mann
am Mischpult mit seinen Reglern und Effektgeräten zu einem weiteren,
voll in den Fluß der Musik integrierten Bandmitglied geworden ist.
Seine Mischtechnik, die eingespielten Samples und die eingeschliffenen
Effekte sind schon jetzt ein tragender Teil des Sounds der Kombo.

Auf der Bühne geht es so richtig ab. Der Drummer muß ein
Tier sein, anders kann ich mir eine Kondition, die es ihm erlaubt, sieben
Minuten einen recht flotten Housebeat mit allen dazugehörigen Breaks
zu schlagen, nicht erklären. Der Bassist ist sowieso ein Tier, wie
er da in seiner Ecke mit aufgeblähten Wangen auf die dicken Saiten
eindrischt, knackige Basslines mit groovenden Improvisationen, zusammen
mit dem Trommlerkollegen ein hundertprozentig stimmendes Rhythmusgespann.
In der anderen Ecke ist Mr Sounds zu finden. Auf diversen Tastenkästen,
die auf allen möglichen Ebenen um ihn herum drapiert waren und teilweise
schon von anno pief stammten, ließ er seine Finger tanzen und holte
gar wunderliche Klänge aus diesen Kisten, übrigens noch ein für
den Sound von Plexiq typisches Element.

Der Frontmann
ist, wie meist üblich, verantwortlich für die Stimme, die er
gerne auf verschiedensten Ebenen in die Musik einbringt, mal dominant im
Vordergrund, dann aber auch fast zu einem Effekt im Hintergrung verkümmerte
Gesangsfragmente, teilweise verfremdet durch die Kontrolle über die
eingenen Stimmbänder, aber auch mit technischen Hilfsmitteln, wie
Megaphon oder Effektgerät. Dazu bearbeitet er das zweite Tasteninstrument
von Plexiq, zwei Keyboards schaffen es ganz gut, die schon ober erwähnte,
gfehlende Gitarre nicht zu vermissen. An dem Abend des Rockpalast kamen
die fünf Musiker mit Verstärkung, die eine angenehme Überraschung
für Auge und Ohr produzierte: ein dreiköpfiger Bläsersatz,
Trompete, Posaune und Sax setzten den Grooves teilweise noch passende,
deepe und soulige Spitzen hinzu, wodurch die Songs von Plexiq noch lebendiger
wurden und sich sehr angenehm von der stampfenden, maschinenerzeugten House-
und New Electronic-Musik absetzt. Handarbeit ist hald doch besser, als
virtuelle Klänge.

Neunzig Minuten Musik, die sich weder als Funk, noch als Disco oder
House, Dub oder Jungle, Techno oder Industrial, Indie oder Elektronik abtun
läßt, aber eins ist sicher: den Zuschauern geht der Sound von
Plexiq in die Beine und läßt sie nicht mehr still stehen. Ich
kann mir vorstellen, daß wir von den fünf Jungs noch einiges
hören werden, mich würde es freuen, wenn es genau so frisch ist,
wie ihr gerade erschienenes Album “Bambi Dragon Don’t Spit No Fire”.
Wer einen Auftritt der Band in seiner Umgebung verpaßt, ist es selbst
schuld.


Copyright Photos: EFA / Text: Dr. Igüz
1999

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