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Mauritius, die „kosmopolitischste
Insel unter der Sonne“ oder…..
Wer weiß schon etwas über
Rastas und Reggae auf Mauritius?
von Heidi ID
Im Oktober 1998 kam ich als ziemlich unbedarfter Touri das erste
Mal nach Mauritius.
Ermutigt hatte mich eine ehemalige Arbeitskollegin, die inzwischen
dort lebt, und mir erklärt hatte, daß man nicht unbedingt im
Lotto gewonnen haben muß, um sich einen Urlaub auf der Insel im Indischen
Ozean leisten zu können.
Ich habe mir also im Internet ein nettes und günstiges Apartment
im Norden der Insel ausgesucht, gleich per Fax gebucht, eine Freundin zum
Mitkommen überredet und noch 2 Plätze bei Air France ergattert.
Die sind bei Flügen nach Mauritius, allerdings über Paris, unschlagbar
günstig, dafür ist ihr Service aber auch ebenso schlecht. Egal,
man ist ja genügsam und was braucht man bei einem Nachtflug schon
Service.
Brav habe ich mir zu Hause mit Hilfe ein paar Reiseführer noch
allerhand Wissen über die Insel angeeignet:
Mauritius, mitten im Indischen Ozean, fast komplett von Korallenriff
umgeben, gehört zur Inselgruppe der Maskarenen, ist ca. 68km lang
und 45km breit und vulkanischen Ursprungs. 1518 von den Portugiesen entdeckt,
bemächtigten sich 1598 als erstes die Holländer der damals unbewohnten
und komplett mit Wald bedeckten Insel. Nach den Holländern kamen die
Franzosen, die Wälder mußten Zuckerrohr-, Kokosnuß- und
Bananenplantagen weichen, und auch so manche Tierart fiel ihnen zum Opfer,
z.B. der legendäre Dodo-Vogel. Aber man kennt ja die eigenartigen
Eßgewohnheiten der Franzosen. Dafür brachten sie Schweine und
Hirsche mit ………und afrikanische Sklaven!
1810 wurde Mauritius nach heftigen Kämpfen von den Engländern
erobert. Die schafften die Sklaverei ab und im Zusammenhang damit kam es
zu den tragischen Ereignissen am Morne Brabant, ein steiler, weit ins Meer
ragender Felsen im Südwesten der Insel.
Dorthin hatten sich entflohene Sklaven zurückgezogen. Als die Engländer auf den Berg kamen, um ihnen die frohe Kunde ihrer Befreiung mitzuteilen, stürzten sich die Flüchtlinge, im Glauben festgenommen zu werden, ins Meer. Das war am 01.02.1835, dieses Datum wird von den Mauritius-Creolen als Tag der Sklavenbefreiung gefeiert, der Morne steht als Symbol dafür. |
Morne Brabant |
Da es also nun keine Sklaven mehr gab und die Zahl der Plantagen
immer größer wurden, holten sich die Engländer billige
Arbeitskräfte aus Indien und später mit der ersten Textilindustrie
auch Chinesen.
Und so setzen sich die ca. 1,2 Mio Einwohner auf Mauritius heute
zusammen aus:
66 % Inder und Pakistani
30% Creolen, abstammend von den afrikanischen Sklaven, die sich,
vermutlich nicht freiwillig, mit der weißen Kolonialbevölkerung
vermischt haben.
3% Chinesen
1,5% Weiße Franko-Mauritianer, vorwiegend „Zuckerbarone“
In etwa gleichem Verhältnis teilen sich die Religionen in Hindus
und Tamulen, Christen und Buddhisten, zudem gibt es einen kleinen
Anteil Moslems.
Die Inder bestimmen Handel und Politik, die Kreolen sind Fischer,
Bauern, Arbeiter oder arbeitslos, die Chinesen nehmen immer mehr das Dienstleistungsgewerbe
in ihre Hände. (Quelle: Marco Polo)
Besonders hervorgehoben wird, daß dieses „fröhliche Völkergemisch“
einträchtig nebeneinander lebt. Die mauritianische Regierung legt
Wert auf die Bezeichnung „Mauritius, die kosmopolitischste Insel unter
der Sonne“!!!. Lediglich im „Marco Polo“ wird auf einen „versteckten Rassismus“
hingewiesen.
Mauritius ist seit 1968 selbständig, die Regierung besteht ausschließlich
aus Indern.
Die Amtssprache ist Englisch, im täglichen Leben wird aber
ausschließlich Französisch bzw. Creol gesprochen.
Ich wußte jetzt alles, was man wissen mußte, jetzt konnte
gar nichts mehr schiefgehen.
(Im Nachhinein betrachtet, hätten mir diese Infos allerdings
schon zu denken geben müssen und wieviel Problematik hinter diesen
paar Zahlen im Reiseführer steckte, sollte ich noch erfahren)
So sind wir beiden bajuwarischen Mädls also das erste Mal über
den eigenen Kontinent hinaus gekommen und am Morgen des 26. Oktober bei
Plaisance, auf dem Flugplatz mit einem unaussprechbaren indischen Namen
(benannt nach dem ersten Premierminister der mauritianischen Republik),
im Süden von Mauritius gelandet. Und der erste Eindruck enttäuschte
mich nicht: Türkisfarbenes Meer, bizarre Berge, saftig-grüne
Zuckerrohrfelder und 28°C. Da kann man über den grimmig dreinblickenden
Inder an der Immigration locker hinwegsehen.
Meine Ex-Kollegin und Neu-Mauritianerin wartete schon mit einem Freund
und seinem etwas klapprigen Auto am Ausgang. Und nach ausgiebiger Begrüßung
gings dann quer über die ganze Insel in den Norden nach Péreybère.
Auf dem Weg dorthin kam dann die erste Ernüchterung. Nicht wegen
des Linksverkehrs, der auf mich durch die vielen Kreisverkehre und das
häufige Fehlen von Gehwegen noch chaotischer wirkte.
Aber: Gehören am Straßenrand verstreute Plastiktüten,
Coca-Cola-Polyirgendwas-Flaschen und Bierdosen zum vielbeschriebenen Paradies?
In Port Louis dann Verkehrsinfarkt, und ein paar Banken und Fluggesellschaften
haben sich bemüht die Skyline (sowieso ein etwas hochtrabender Begriff
für eine Städtchen mit ca. 150.000 Einwohnern) mit ein paar Hochhäusern
im 70er-Jahre Stil völlig zu verschandeln. Dabei hätte Port Louis,
direkt am Meer und eingekesselt von Bergen, durchaus eine idyllische Lage.
Nach ca. eineinhalb Stunden kamen wir nach Grand Baie, und man glaubt
kaum wie sich das Bild plötzlich ändert: Strandpromenade, Yachthafen,
kleine Boutiquen mit teuren Designerklamotten, Sunset-Cafe, Kneipen, Restaurants,
Bars, alles peinlichst sauber…. und nur weiße, schlendernde, bummelnde
Touris. Wo sind die kleinen urigen Gemischtwarenläden, die Frauen
mit den bunten Saris, die Creolen mit den kleinen fahrbaren Imbißständen,
die ich auf dem Weg hierhin gesehen habe? Da hätte je ein Ticket nach
Mallorca auch gereicht!
Aber 3km später in Péreybère, dem Ziel unserer
Fahrt, war ich wieder versöhnt. Dieser kleine Ort ganz im Norden von
Mauritius ist auch auf Tourismus ausgerichtet, es gibt kleine Läden,
ein paar Restaurants und eine Bar, aber alles viel, viel einfacher und
ursprünglicher als in Grand Baie. Die meisten der Touristen in Péreybère
sind Wiederholungstäter und kommen teilweise schon seit über
10 Jahren, viele sind Langzeiturlauber auf der Flucht vor dem europäischen
Winter und allesamt haben mit einem 5-Sterne-Hotel-Urlaub nichts am Hut.
Wir haben also schnell unser Apartment bezogen und ab an den beliebtesten
Public Beach der Insel. Und das merkt man: Dort findet man nämlich
mindestens genauso viele Mauritianer wie sonnenbrandige Touris und
sonntags, wenn die Inselbewohner ihrem liebsten Hobby nachgehen, ein Picknick
am Beach, fällt man mit seinem europäisch-blassen Teint schnell
auf.
Es gibt übrigens auf Mauritius keine Privatstrände, jeder Beach, auch der vor dem teuersten Hotel, muß für jeden zugänglich bleiben. Versteht sich aber fast von selbst, daß ein keinen Spaß macht unter den pikierten Blicken der Hotelgäste und unter Aufsicht der Security sein sonntägliches Grillen im Familienkreis zu veranstalten. Also geht der Mauritianer an die Strände, wo kein teueres Hotel davor thront, eben an den sog. Public Beach wie z.B. in Péreybère. |
Sonntag am Public Beach |
Wir wollten aber nicht nur faul am Strand liegen und so haben wir
uns ein knackiges Programm für unsere 16 Tage Urlaub auferlegt, um
in dieser kurzen Zeit möglichst viel zu sehen: Coloured Earth, Chamarel-Wasserfälle,
Rochester-Falls, Gris-Gris, Pamplemousses Garden, natürlich Port Louis,
Grand Bassin, Cap Malheureux, etc., etc., einfach alles, was der Reiseführer
so empfiehlt. Die Insel ist schon wirklich sehenswert und die Landschaft
sehr abwechslungsreich, auch wenn man sich erst einmal daran gewöhnen
muß, daß alles etwas kleiner ist, als man es sich laut Beschreibung
vorstellt. Berge, Wasserfälle, Tempel etc. kommen einem auf den ersten
Blick vor wie aus einem Zwergenland., sind aber trotzdem sehr reizvoll.
Nur leider stolpert man auf Schritt und Tritt über irgendwelche Abfälle.
Das kann selbst die üppige und farbenfrohe Flora oftmals nur schwer
verdecken.
Für die Ziele, die weiter in den Süden liegen, haben wir
eine Minibus-Tour gebucht. Die werden einem quasi an jeder Ecke sehr günstig
angeboten, dafür haben sie dann auch den Flair einer Kaffeefahrt,
T-Shirt-, Glas- und Modellschiffmanufakturen statt Natur pur. In
so einen Bus passen nur 8 Personen, das ist aber schon zuviel, wenn man
ihn mit ungehobelten Italienern und Franzosen teilen muß.
Da waren die Fahrten mit dem öffentlichem Bus schon viel ergiebiger
und spannender. Das Bus-Netz auf Mauritius ist klasse ausgebaut und hat
man nur genügend Zeit, kommt man fast überall hin.
Auf einer dieser Fahrten machten wir eine Entdeckung, von der im
Reiseführer so gar nichts stand: Wellblechhüttensiedlungen!!
Und das im Paradies, der „Perle des Indischen Ozeans“!!
Da haben wir erst mal recht betröpfelt dreingeschaut. Die Frage,
wer dort wohnt und warum blieb allerdings erst einmal unbeantwortet.
Wenige Tage später, an einem Relax-Tag am Strand, haben wir
dann die ersten Rastas kennengelernt! „Habt Ihr Lust auf eine Tour mit
dem Glass Bottom Boat zum Riff? Oder wollt Ihr einen Tagesausflug auf die
Ile d´Ambre mitmachen, mit Barbecue und so? Kostet gar nicht viel
und macht Spaß!“ Ein tiefer Blick in die Augen und es war klar, daß
das sogar ganz sicher Spaß macht. Viel besser als auf den anderen
Booten mit einer Horde Rentner. Also gleich gebucht und natürlich
nicht bereut! Auf der ca. eineinhalb-stündigen Fahrt zur Ausflugsinsel
lag stets ein angenehmer Duft über dem Boot!!!! Die Rastas haben sich
total Mühe gegeben, Fisch gegrillt, Salat gemacht, alles super lecker.,
aber auch völlig relaxed, „doucement, doucement“, langsam, langsam!
Aber übrigens: Rastas auf Mauritius?? Wo standen denn die in meiner Bevölkerungs- /Religionenübersicht (s.o.)? Da hat mir also der Reiseführer ein weiteres wichtiges Detail vorenthalten. Tatsächlich leben auf Mauritius einige Tausend „Rastafarien“. Es gibt, z.B. im Süden bei Chamarel, ganze Siedlungen von Rastafamilien. < Charamel |
Sie leben dort sehr einfach und zurückgezogen, äußerst
zurückhaltend gegenüber Fremden, dazu haben sie wohl auch allen
Grund, aber nicht unhöflich. Die Rastaphilosphie wird von den Rastafarien
auf der Insel teilweise recht unterschiedlich ausgelegt und –gelebt und
so ist es mit der großen Einigkeit unter den Rastas leider nicht
sehr weit her. Verbindend ist allerdings die Musik. Die Rastas pflegen
die Reggae-Musik und haben in den 80er Jahren den Seggae entwickelt, eine
Mischung aus dem traditionellen Sega und dem Reggae.
Bemerkenswert fand ich auch das Engagement dieser Leute für
Umwelt- und Naturschutz, z.B. ihre Aufräumaktionen auf den kleinen
müllüberhäuften Ausflugsinseln oder die Protestaktionen
gegen ein weiteres 5-Sterne-Hotel inkl. Golfplatz im Naturschutzgebiet.
Und so waren es auch unsere neuen Rasta-Freunde, die uns neben kleinen
Unterweisungen in die Rastaphilosophie, den Reggae und Seggae nahebrachten.
Ich muß gestehen, ich hatte bis dahin nicht allzu viel mit Reggae
am Hut.
Überhaupt die Musik:
Wo man auch hinkam begegnete einem dieser Rhythmus. Schulklassen
beim Ausflug an den Strand oder die besagten Sonntagsausflügler sangen
und trommelten was das Zeug hielt. In unserer kleinen Bar in Péreybère
spielte fast jeden Abend eine Liveband alle bekannten Bob Marley Songs
rauf und runter, besonders beliebt: „No woman no cry“. Und wußte
man nicht, was man am Abend tun sollte, brauchte man nur an den Strand
zu gehen und man traf unweigerlich auf ein paar Menschen, die mit Gitarre
und Ravanne oder einfach ein paar Plastikflaschen und Stöcken musizierend
am Lagerfeuer saßen.
Reggae selbst im Supermarkt und im Restaurant: Bob war allgegenwärtig!
Nur wenn man die offensichtliche Benachteiligung der Creolen, das
Verhältnis zu den Indern, die Existenz von Slums hinterfragte, bekam
man nur ausweichende Antworten. Ja, natürlich gäbe es Probleme,
aber na ja, nicht so schlimm, man lebt, und überhaupt: „Enjoy your
holiday“!
Und ich dachte noch: Cool, wie die Leute damit umgehen.
Weit gefehlt!
Auf jeden Fall war klar, daß ich wieder kommen mußte.
Ich hatte eine klasse Zeit gehabt, tolle Leute kennen- und den Reggae schätzen
gelernt.
Zu Hause lief die Planung für den Urlaub 99 dann auch gleich auf Hochtouren. Im Februar 99 traf mich dann die Nachricht von Kayas Ermordung und den anschließenden Unruhen. (Siehe News „Hindukiller im Paradies der Neckermänner“) Da war ich doch ziemlich schockiert. Ich wußte auch nicht, ob „meine“ Rastas alle heil davongekommen sind.
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^ Kaya |
Ende November 99 flog ich wieder nach Mauritius, diesmal für 3 Wochen, im Glauben ich könnte den Urlaub vom letzten Jahr quasi wiederholen. Doch gleich nach meiner Ankunft traf es mich wie eine Keule. Man spürte die veränderte Stimmung sofort. Ein Land im Schockzustand! Nichts war mehr da von der scheinbar unbekümmerten Fröhlichkeit vom letzten Jahr. Und plötzlich drängte dir jeder seine Meinung über die Zustände auf Mauritius förmlich auf. Da bekam ich plötzlich Sachen zu hören: Ein weißer Mauritianer mußte sich unbedingt darüber mitteilen, wie faul doch die Creolen sind und daß die daran schuld sind, wenn Mauritius keinen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. „Nichts arbeiten wollen und nur immer Kinder in die Welt setzen, das sind die Creolen!“ Eine vernünftige Diskussion war natürlich nicht möglich. |
Tatsächlich befinden sich die Creolen ja in einem Teufelskreis,
und haben nicht wirklich eine Chance. Die meisten Eltern können ihren
Kindern keine weiterführende Schule finanzieren, also bleiben nur
5 oder 6 Jahre Schulzeit, wenn diese überhaupt abgesessen werden,
weil es genügend Jugendliche gibt, die arbeiten müssen, um die
Familie zu unterstützen. Ohne vernünftige Englisch-Kenntnisse
aber keine ordentlichen Jobs oder gar Ausbildungsplätze. Was bleibt
sind Hilfsarbeiterjobs auf dem Bau, in Textilfabriken oder auf den Zuckerrohrfeldern,
Arbeiten, wie sie bereits ihre versklavten Vorfahren verrichtet haben.
Und die Inder sitzen überheblich und ihrer Macht bewusst in
den Ämtern und Behörden und schikanieren die Leute mit ihrem
Bürokratismus:
Sämtliche Formulare sind auf Englisch ausgestellt, es gibt
keine französischen Ausfüllhilfen dazu. Auch in rechtlichen Angelegenheiten
haben es die Creolen schwer: Eine Zeugenaussage zum Beispiel wird zwar
in Französisch oder Creol gemacht, das zu unterschreibende Protokoll
dazu wird aber in Englisch erstellt. Und anstatt an dieser Stelle Erleichterung
zu schaffen, gibt es Bestrebungen, Hindi als Schulfach einzuführen.
Der nette Fahrer, der mich auch schon 98 über die Insel chauffiert
hatte, wartet seit fast 2 Jahren auf eine Taxilizenz, ein Inder bekommt
sie innerhalb von wenigen Wochen.
Generell ist aber auf den Ämtern und Behörden alles möglich
und erlaubt……, wenn du es dir leisten kannst!!!!
Aber am meisten unter diesen Zuständen haben die Rastas zu leiden:
Einer meiner Bekannten (zum Glück alle am Leben und gesund!)
erzählte mir von einem Vorfall mit der Polizei. Innerhalb von 10 Minuten
wurde er zweimal von den selben 4(!) Polizisten auf der Straße aufgehalten
und komplett durchsucht. Er mußte alle Taschen ausleeren und sogar
die Haare hat man ihm durchwühlt. Die Rastas haben richtig Angst nach
Einbruch der Dunkelheit auf die Straße zu gehen. Ist das nicht bestürzend,
wenn ein erwachsener Mann einen bittet, ihn abends auf dem Weg zur Kneipe
zu begleiten, weil die Polizei ihm nichts tut, solange eine Weiße
bei ihm ist!!!!!
„Weißt Du, das Leben ist gefährlich geworden für
uns!“
Rastakindern sollen vor der Einschulung die Dreadlocks abgeschnitten werden!!! Oder die Rastafariens werden von den indisch-Mauritianern einfach geschnitten, im Bus, im Supermarkt etc. |
Als wir, das heißt 4 Franzosen und ich, mit Daniel, Rasta und
Gitarrist der Band Fight Again, in Grand Baie in eine Kneipe gingen, wurden
wir nicht bedient! Das indische Mädl, das dort arbeitet, hat uns einfach
ignoriert.
Ebenso erging es mir mir einem indischen Taxifahrer, der gesehen
hat wie ich mich von Daniel mit dem üblichen Bussi links, Bussi rechts
verabschiedet habe. Der hat sich geweigert mit mir zu reden und wollte
mir am Ziel der Fahrt noch nicht einmal den Preis sagen, hat sich nur von
meinem Bekannten bezahlen lassen.
Mit meiner Urlaubsstimmung wars erstmal vorbei, stattdessen blankes
Entsetzen.
Letzter Hoffnungsschimmer war ein relaxter Abend mit Reggae-Musik.
Denkste:
Wo letztes Jahr noch die Live-Bands spielten, lief jetzt ein Band
mit Pop- und Schlagermusik (99 Luftballons!!), europäischen top-ten
und ähnlichem Müll. Live-Musik gibt’s nur noch Mittwoch und Freitag.
Aber die spielten dann dasselbe Zeug wie auf dem Standard-Band!
Ab und zu versuchten ein paar Reggae-Musiker an diesen Tagen die
Chance, daß die Instrumente aufgebaut waren, zu nutzen, und wollten
in einer Pause oder nach Mitternacht ein paar Songs spielen. Wir saßen
dann immer und warteten brav, hofften auf ein paar vertraute Klänge.
Aber entweder der Besitzer der Kneipe hatte gleich ein paar fadenscheinige
Ausreden oder sie fingen um zwölf/ halb eins mal an, dann konnte man
aber sicher sein, daß nach spätestens 2 Songs die Polizei auf
der Matte stand: Aufhören, zu laut!
Übrigens: Seit „No woman no cry“ auf der großen
Trauerfeier für Kaya gespielt wurde, hört man diesen Song auf
Mauritius nicht mehr.
Und abends am Strand: Nichts, Totenstille!!
Ich versuchte ein paar Mal eine Beach-Party auf die Füße
zu stellen, aber keiner wollte mitziehen: „Wir wollen keinen Ärger
mit der Polizei. Wenn du am Beach Musik machst, kommen die Bullen. Die
sagen das ist zu laut, wir stören die Touristen.“
Wie bitte?????
^ Inder und Rastaman |
Man muß natürlich schon auch erwähnen, daß es auch noch ein paar normal denkende Menschen auf Mauritius gibt, z.B. Inder, die unsere Rasta-Freunde mit der gleichen Gastfreundlichkeit aufnehmen wie uns oder gerne auf ein gutes Gespräch vorbeikommen. Doch die Großwetterlage sieht leider anders aus, und die Regierung schürt unter dem Deckmäntelchen von Demokratie und Gleichheit fleißig den gegenseitigen Haß aufeinander. |
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was mich ob dieser Zustände
dazu bewegte, bereits 6 Wochen nach meine Rückkehr einen Last-Minute-Flug
zu schnappen und Ende Januar 2000 gleich wieder nach Mauritius zurückzukommen.
Antwort: Eine handvoll Menschen, die mir inzwischen wichtig, sozusagen
richtig ans Herz gewachsen, sind.
Und ich möchte nichts von dem missen, was ich in dieser Zeit
erlebt habe (na ja auf den Cyclon hätte ich schon ganz gut verzichten
können):
Die nächtelangen Gespräche mit einem Mitglied der „Association
socio-culturelle Rastafari (ASCR)“. Dabei handelt es sich um eine offizielle
und ernstgemeinte Vereinigung von Rastas, die sich um Umwelt- und Naturschutz,
kulturelle Veranstaltungen, etc. kümmern. Das hört sich klasse
an, wäre es auch, wenn die Regierung die ASCR auch wirklich ernst
nehmen würde. Tatsächlich wird aber nur nach außen hin
der Schein gewahrt, daß auch die Rastas ein politisches Mitspracherecht
haben.
Z.B. Thema Morne Brabant (siehe Einleitung):
Es ist geplant dort eine Seilbahn, ein Museum und ein Restaurant
zu bauen. Die ASCR protestiert dagegen, diesen für sie spirituellen
Ort für den Tourismus zu vermarkten. Außerdem würde die
teilweise endemische Vegetation auf dem Morne darunter leiden.
Es finden also mehrere Treffen zwischen der ASCR und dem Kulturminister
statt, man läßt die Teilnehmer sogar im Polizeihubschrauber
zur Ortsbesichtigung fliegen, die UNESCO wird eingeschaltet. Währenddessen
werden aber bereits die ersten Bäume gefällt und Pfeiler in den
Boden gerammt!!!
Oder:
Die ASCR hat die Genehmigung kulturelle Veranstaltungen und Konzerte
zu organisieren. Meistens werden diese Events aber im letzten Moment durch
Polizei oder Bürgermeiser wieder abgesagt bzw. verboten.
Doch zurück zu meinen Erlebnissen:
Schön und interessant war auch der Besuch in einem Rastadorf.
Und komisch, obwohl mit ständig was anderes erzählt wurde: Dort
haben mich keine Ratten angesprungen, noch nicht einmal Flöhe oder
Läuse. Ich mußte mich auch nicht durch den Müll wühlen
und auch sonst war nichts zum grausen.
Das Highlight war allerdings die Bandprobe der Rastagruppe „Fight Again“. Nach einer fast zweistündigen Busfahrt bei 40°C stand ich |
^ Logo von Fight Again |
Wenn aber schon aus der Probe nichts wurde, wollten sie nicht auch noch
ihre Gäste enttäuschen und haben, ans Improvisieren gewohnt,
einfach die Besetzung ein wenig umgestellt. Bis ich die ersten Reggae-Klänge
hörte, verging allerdings noch eine Stunde, denn jetzt wurde erst
einmal für die „vibrations“ gesorgt. Das Warten hat sich aber gelohnt.
Die Band spielte ein paar selbstgeschriebene Reggae-Songs, die mit ihrem nächsten Album veröffentlicht werden sollen. Allerdings fehlt derzeit leider das Geld um dieses Album fertigzustellen. Sozusagen als Zugabe gabs dann noch Natural Mystic mit creolischem Text, Gänsehaut!!!! Leider möchte Fight Again derzeit aber keine Marley-Songs mit creolischen Übersetzungen veröffentlichen. Einige sehen darin eine Verletzung in Marleys Ehre, seine Lieder in creolisch zu singen. Schade! Neben hervorragender Reggae-Musik macht „Fight Again“ aber auch Seggae. Und weil der auf den Inseln im Indischen Ozean sehr populär ist, haben sie mit „Nuvo Refleksyon“ ein Seggae-Album auf Mauritius und Reunion veröffentlicht. < Cover Nuvo Refleksyon |
Nach Kayas Ermordung und dem Tod des Seggae-Sängers Berger Agathe während der Unruhen im Februar 99 ist Fight Again die derzeit einzige ernsthaft arbeitende und produzierende Reggae-/Seggae-Band auf Mauritius.
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Fotos und Biographie der Band
Vielleicht kann man ja den Jungs zu etwas Publicity und Erfolg verhelfen Wenn Ihr an mehr Infos interessiert seid oder „Fight Again“ Heidi ID |
Copyright Fotos / Text: Heidi Bauer /
Layout: Dr. Igüz 2000