RoottZ Aktion – s.o.m.a. Festival, Köln, Jugendpark, 9. – 11.08.2002


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Aktion
 

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Köln,
Jugendpark

9.
– 11.08.2002

 

Vor den Toren
Kölns, genau gesagt, auf der Wasserburg Geretzhoven, fand vor fünf
Jahren das erste s.o.m.a. Festival statt. Es sollte sich zu einem Hippiegathering
der besonderen Art entwickeln. Denn dieses Festival hat ein Konzept, das
über die Musikberieselung inklusive Konsummöglichkeiten normanler
Veranstaltungen dieser Art hinaus geht. Hier werden alle Sinne angeregt
und der Besucher bekommt nicht nur was auf die Ohren, sondern kann Augen,
Nase, Geschmack, Gefühl und Gehirn bei Bedarf gleich mitanimieren
lassen. 

Nunja und jetzt ist das s.o.m.a.
ins Herz der Domstadt am Rhein, in den Jugendpark gezogen. Nach dem letztjährigen
Festival hat es in der Organisatorencrew unüberbrückbare Differenzen
gegeben und als Folge gibt es halt zwei derartige Veranstaltungen, nachdem
auf der Wasserburg das n.o.m.a.d. Festival mit einem sehr ähnlichen
Konzept vor einigen Wochen erstmalig stattgefunden hat. Darüber kann
man sich als Musikliebhaber eigentlich nur freuen und hoffen, daß
zwei derartige Festivals sich auch rechnen und uns damit länger erhalten
bleiben. 

 

 

An reinem Platz
hat der Jugendpark, zwischen Väterchen Rhein und dem Mülheimer
Hafen gelegen, mehr zu bieten. Die Burgtürme wurden eingetauscht durch
mächtige Kastanien und Weiden, der Schotterplatz gegen eine Asphaltfläche,
der Obstgarten gegen Sandstrand. Wasser umspült den Veranstaltungsort
hie wie da. 

s.o.m.a. zum Fünften.
Nachdem es am Freitagnachmittag noch wie aus Eimern gekübelt hat,
so daß man sogar aus der Ferne Mitleid mit der gerade die Infrastruktur
aufbauenden Technikercrew bekam, blieb es am Abend mit Start des offiziellen
Programmes glücklichenrweise trocken. Die letzten Regenlöcher
wurden mithilfe eines Caterpillars mit Rheinsand aufgefüllt, die Dächer
der Stände festgezurrt und dann konnten die Massen kommen. 

Der Freitagnachmittag war
ein beschauliches Ankommen der Leute, die sich auf dem riesigen Campingareal
einrichteten, von Händlern, die ihre Stände aufbauten und Ware
auslegten, die Gaumen und Augen erfreuten und von Technikern, die Hand
an letzte Verkabelungen und Bühnenverstrebungen legten. 

 

Das Programm auf der Hauptbühne
begann pünktlich um 18 Uhr mit den Computer Jockeys. Zwei Jungs mit
Laptop mischten nicht nur ihre Soundfiles zu einem funkig housigen Klangteppich,
sondern auch die paar Dutzend Zuschauer, die sich schon eingefunden hatten,
kräftig auf. Schrauben von Beats und Klangteppichen auf höchstem
Niveau! 

 



Computer Jockeys


Abassi Hi Powa Sound


Artist Stage

Während der unvermeidbaren
Umbaupausen zog man weiter zu der anderen Bühne im Artist Garden,
wo ein buntes Programm zwischen Akrobatik, Berührungen mit exotischen
Musikinstrumenten und Liveperformances aufgeführt wurde. Oder man
machte es sich auf der Wiese an der Dubstation gemütlich, wo das state-of-the-art
Abassi Hi Powa Sound System von Neil Perch (Zion Train) diversen DJs zur
Verfügung stand. 

 

Nach dem Jahrhundert-Regenguss
am Nachmittag kam das Festival am Freitag nur schwer in Fahrt. Da kamen
die Goldenen Zitronen gerade recht, um die Stimmung etwas anzuheizen. Denn
die junggebliebenen Punk-war-gestern Helden machten ganz schön Dampf.
Und boten etwas fürs Auge – Schorsch Kamerun stand im silbrig-glitzernden
Coktailkleid auf der Bühne. Ja, die Zeiten, in denen

Haudrauf-Parolen wie “Keine
Macht für Niemand, macht kaputt, was euch kaputtmacht“ noch irgend

etwas vom Teller zogen,
sind eben endgültig vorbei. Heute wird der subversiven Kraft des Humors
gearbeitet. Und das wirkt – wer die Texte (akustisch wie inhaltlich) verstehen
will, der kann sich bestimmt eine Weile damit beschäftigen. Punkrock
für den denkenden Mann und, pardon, natürlich auch für die
denkende Frau von heute. Immerhin hatte die Anwesenheit der Hamburger Band
einige schrille Irokesen und Karohosen aufs Gelände gelockt. Zum Pogo-tanzenden
Punkmob kam es leider nicht, denn dazu war doch zu wenig Publikum vor der
Bühne versammelt und für alle anderen reichte die beeindruckende
Show. 

Vom Ordnungsamt wurde einmal
mehr das „Kölner Curfew“ verhängt, sprich, ab 22 Uhr gabs nur
noch leisere Klänge von der zweiten Bühne. Dafür gings aber
umso heftiger in den vier Clubareas weiter, von denen zwei sich im zum
Inkatempel umgestalteten Jugendparkgebäude und zwei im um die Ecke
liegenden Warehouse befanden. In diesen Areas drehten sich Platten mit
House, Breaks, Drum & Bass und 2Step bis zum nächsten Morgen. 

 

Samstag, der
Wettergott ist uns bisher gnädig geblieben und sogar die Pfützen
auf dem Festivalgelände verloren an Tiefe. Gegen Mittag erwachte das
Festival, man merkte es vielen, die aus ihren Zelten gekrochen kamen, jedoch
an, daß sie in den Clubs gerockt haben, bis der nächste Tag
sein morgendlich strahlendes Antlitz erhoben hat: die Augen klein, die
Ränder darunter umso tiefer und das begehrteste Getränk war Kaffee.
Aber: The Show must go on!

 

Die Hauptbühne
war an diesem Tag den Klängen exotischer Bands verschrieben. Eine
fantastische Show kam von Les Femmouzes T aus Toulouse. Zwei Frauen, ein
Tamburin, ein Akkordeon, zwei Stimmen und jede Menge Power. Es ist unvorstellbar,
was mit ein wenig elektronischer Hilfe aus einem Instrument mit Fell und
Schellen herausgeholt werden kann. Ergänzt mit einem sehr rhythmisch
gespielten Schifferklavier und einer phantastischen Beherrschung der zwei
Stimmen haben die zwei aus Brasilien und Okzitanien stammenden Ladies uns
abwechslungsweise in die französischen Pyrenäen oder auch mal
in den Amazonasdschungel entführt. Eine großartige Show. 

Als nächster Ethonact
folgte Coco Mbassi aus Kamerun, die etwas daneben, als die afrikanische
Tracy Chapman beschrieben wurde. Das wird ihr nicht gerecht, denn Coco
kann viel mehr. Unterstützt von Contrabass, Piano, Drums und zwei
Ladies an den Backgroundvocals sang sie wunderschöne afrikanische
Balladen, brachte aber auch rhythmische Tunes, bei denen sie sich immer
wieder wunderte, wie das deutsche Publikum denn so ruhig sitzen bleiben
könne. In ihrer Heimat wäre das ganz anders, aber die Kölner
Leute würden wohl einen inneren Tanz ausführen, so etwas hätte
sie schon häufiger in unseren Gefielden erlebt. 

 

Der Hauptact auf der s.o.m.a.
Bühne ist für regelmäßige Besucher dieses Festivals
kein Unbekannter: Don Abi wandelt derzeit auf Solopfaden, konnte aber schon
mit B.A.N.T.U. und Brothers Keepers bei vorigen s.o.m.a.s begrüßt
werden.  Dieser Mann lebt Musik und ist deswegen nicht aufzuhalten.
Anfang des Jahres gründete er seine Plattenfirma 96° Recordings
und arbeitet seitdem an der Fertigstellung seines Albums, das im Herbst
erscheinen soll. An diesem Abend bekamen die Besucher im Jugendpark schon
mal einen ersten Eindruck, was sie denn auf dem Longplayer erwarten können:
druckvolle Songs im Spannungsbereich zwischen Reggae, Dancehall, Soul und
Funk. Leider war die Show immer wieder von nerventötenden Feedbacks
unterbrochen, die nicht nur dem Publikum die Trommelfelle wegbeamten, sondern
auch die Band nervös machten, was aber eine allgemein gute Partystimmung
wenig eintrüben konnte. 

 

Parallel gab es schon ab
dem frühen Nachmittag bis in die späte Nacht in der Dubstation
den friendly Bassclash der Soundgiganten Iration Steppas versus DJ Perch
inklusive diverser MCs. Hier kam der eine oder andere Festivalbesucher
nicht aus dem Staunen raus, denn es war einer der feinsten Sounds im europäischen
Umland aufgefahren. 20 000 Watt hätten zur Verfügung gestanden,
aber nicht einmal die Hälfte davon kam zum Einsatz, um den Herrschaften
vom Kölner Ordnungsamt keinen Angriffspunkt zu bieten. Ob Iration
Steppas oder DJ Perch, es gab deepen conscious Reggae und Dub, mehrheitlich
aus Britannien, garniert mit dem einen oder anderen jamaikanischen Akkustikzückerchen
der basslastigen Art. 

 

Die Optik kam auch auf ihre
Kosten, insbesondere zu den Stunden, wo die Nacht ihr dunkles Gewand über
das Festivalgelände gelegt hat und überall die Lichterketten,
Diskoflashes und Feuerjonglagen losgingen. 

 

Die Bäume
waren in den buntesten Farben und mit unter die Schädeldecke gehenden
Mustern angestrahlt, aber etwas ganz Besonderes war die Feuershow, die
kurz vor 23 Uhr auf der Bühne im Artist Garden präsentiert wurde:
Unter bis zu zehn Meter hohen Feuersäulen haben sich Pyrokünstler
aus dem gesamten europäischen Umland versammelt, um dem s.o.m.a. Publikum
optisch gehörig einzuheizen. Da wurden Flammen geschluckt und gespien,
es zischten Zungen beim Ersticken des Feuers und leuchteten Kinderaugen
beim Zuschauen des Spektakels. Garniert mit Musik aus unzähligen Akkustikinstrumenten
unterschiedlichster Machart war dies sicherlich einer der Höhepunkte
des Festivals. 

Wer immer noch konnte, hatte
ab 22 Uhr wieder die Möglichkeit in den Clubs zu rocken, bis Knochen
und Gelenke nicht mehr wollten. Dort legten erneut unzählige Vinyl-Addicts
ihre Schätzchen auf rotierende Teller und gaben den Zuhörern
Beats aus den unterschiedlichsten Klangkosmen. Ganz besonders heiß
gings dabei im Dancehall-Club her, wo der Kölner Sound Fireball auf
die Detmolder Mannschaft um Soundquake traf: Ein musikalisches Armageddon
mit Temperaturen um den Siedepunkt und earthshaking Bässen aus den
bis an die Grenze belasteten Subwoofers. 

 

Ganz
trübe begann der Sonntagmorgen. Alles war grau in grau und dazu nieselte
es wie in London an einem grauen Herbstmorgen. Gefeiert wurde trotzdem
ohne sich darum zu kümmern. Die Puppetmastaz eröffneten das Programm
der Hauptbühne. Diese verrückte Show zwischen Getto-Kasperletheater
und Hip Hop Show stammt aus Berlin und ist einfach nur genial. 

Fetteste Beats werden live
vom Plattenteller gemischt, dazu gibt’s drei MCs, die hinter einem Vorhang
versteckt im wahrsten Sinne des Wortes die Puppen tanzen lassen. Zum Einsatz
kommen eine ganze Reihe von Charakteren, vom Acidhead über Mr. Malouke,
einen Maulwurf bis hin zu Turbot the Toad und anderen bizarren Charakteren.
Und auch Promis, wie Bill Gates waren als Gueststars zu sehen. Hip Hop
in Deutschland ist doch nicht so tot, wie von mir angenommen, es fehlt
vielen jedoch an dem Witz, den die Puppetmastaz zuhauf haben. 

 

Das restliche Programm auf
der s.o.m.a. Bühne wurde aufgrund von irgendwelchen Ausfällen
von DJs diverser elektronischer Richtungen abgedeckt, was mir die Möglichkeit
gab, erneut nach der reichhaltigen Sideaction Ausschau zu halten. Und was
es da nicht noch alles zu entdecken gab. 

 

Hoch hinaus
konnte man im Hochseilgarten. In mehreren hohen Bäumen waren Platformen
angelegt, zwischen ihnen verliefen Hochseile und Stege. Eine Herausforderung
für Schwindelfreie. Im Skulpturengarten konnte man die Metallgebilde
des Kölner Künstlers Achim Röderer betrachten, von zwei
Meter hohen Chromosomen über gigantische Ameisen, bis zu Haifischen,
die die Wiese durchpflügten war dort einiges zu sehen. Auf der Terrasse
kamen einige junge Talente aus der kontrovers betrachteten Sprayerszene
zusammen. Die Kölner Gruppe Casanova (www.casanova-koeln.de) versucht
seit einiger Zeit über das Motto „Fuck Kasa“, dem Kölner Leitspruch
gegen die hiesige Anti Spray Aktion (KASA) hinweg eine Diskussion zwischen
Writern, der Stadt und „betroffenen Immobilienbesitzern“ in Gang zu bringen.
Der Pinwoc Clan führte seine halsbrecherischen Breakdance Akrobatiken
auf, Bewegungsabläufe, die erstaunen. Hat schon mal jemand versucht,
aus einem Headspin wieder in den Stand zu kommen? Archaische Trommelrhythmen
erklangen aus einem Bereich der Kinderarea. Dort trafen sich immer wieder
Gruppen von Leuten, um unter Anleitung die westafrikanische Djembe zu beherrschen
und ein wenig Rhythmusgefühl zu entwickeln. Aber auch das Publikum
wartete mit nicht geplanten Aktionen auf. An verschiedenen Orten saßen
Leute, und führten ihre künstlerischen Fähigkeiten, sei
es Malen, Flechten oder Jonglieren, vor. Ein kunterbuntes Durcheinander
an Aktivitäten, die diesem Festival seinen außerordentlichen
Flair verleihen.
 

 

Der Sonntagnachmittag und
–abend standen im Zeichen des Reggae. Auf der Terasse legte Beez Sound,
das Kölner Lady-Soundsystem auf. Neben Roots Klassikern gab es ein
paar Dancehallnummern, Ausflüge ins Reggae Revival und auch ein paar
Liveparts von Jamaica Nina, die sich an Klassiker, wie den Sleng Teng-
oder Murder- Rhythm heranwagte und über sie auf Deutsch getoastet
hat. 

 



Beez Sound
Als Abschluß
des offiziellen Liveprogramms kamen gegen 20 Uhr die britischen Dubrocker
Zion Train auf die Bühne und heizten dem Publikum mit ihrem Mix aus
technoiden Beats und deepem Roots ein. Auf die übliche Stimme des
„Zuges ins Heilige Land“, Molara, mußte das Kölner Publikum
dieses Mal verzichten, sie hat gerade ein Kind bekommen und muß sich
noch etwas erholen. Das hat der Stimmung aber nicht geschadet. Zion Train
rockten bis kein Bein mehr stillstand und die Mägen sich an die tiefen
Subbässe gewöhnt hatten. 

Die musikalische Symbiose
von Zion Train war ein passender Ausklang für das fünfte s.o.m.a.
Festival, vereinen sie viele Elemente der diversen Elektronikrichtungen,
die während der drei Tage vertreten waren, in ihren Songs, um daraus
einen Mix zu schaffen, der nicht nur tanzbar ist, sondern von den Lyrix
her Upliftment verspricht. Neil Perch, der Kopf hinter Zion Traijn meint
dann auch ganz passend: „Wir machen Party. Wenn die Leute nach Hause gehen
und uplifted sind, haben wir erreicht, was wir wollen. Ich denke, an diesem
Abend haben Zion Train ihren Job exzellent gemacht und ihr Ziel nicht verfehlt.
One love!

 

Abschließend noch ne
kleine Anekdote, die meinem Kollegen Veit passiert
ist. Die Zeilen sind höchst lesenswert!


Copyright Text: Veit
König / Doc Highüz  / Bilder / Layout: Dox Highüz 2002
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