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Yard Festival  Loreley, 23.08.2003

Es war eine romantische Anfahrt zur wahrscheinlich schönsten Open Air Bühne der Republik. Von Köln durch die Eifel, über das traumhafte Moseltal, in Serpentinen runter ins Rheintal nach St. Goar, mit der Fähre rüber nach St Goarshausen und dann wieder auf das rechtsrheinische Plateau über dem Flußtal. Jedoch auf der Anfahrtsstraße zur Loreley war es dann aprupt zu Ende mit verträumten Gefühlen. Plötzlich sahen wir die jedem Autofahrer bekannte Kelle "Polizei - Bitte halten" und wir wußten schon, was kam: die alte Bllenroutine, die Besucher eines Reggaefestivals auf der Loreley zu schickanieren. Man kennt  es seit den alten Tagen es Summer Jam auf der Freilichtbühne. Dementsprechend hatte ich als "alter Hase" meine Begleitung, die allesamt das erste Mal auf der Loreley waren, gebeten, die Versorgung etwas dezent wegzupacken. Und die Stummel des auf der Fahrt verköstigten Brainfoods hatte ich auf der Fähre dezent dem Bett von Vatter Rhein übergeben. Ruhen sie friedlich!
 
Guten Mutes ließen wir also die Herren ihren Job tun, was sie auch gründlich taten. Bei der Inspektion meines Tabaks fielen dem Wachtmeister dann zwei grüne Fasern auf, die bei der letzten Bauaktion wahrscheinlich neben dem Paper gelandet sind und noch nicht einmal ausreichend für einen kleinen Zug aus ner Purpfeife gewesen wären. "Das ist ja ne Mischung", rief der eifrige Beamte entrüstet. Im Stillen mußte ich im recht geben. Ja,es war ne Mischung, ungefähr im Verhältnis 1:100000. Gut für nen Nikotinkick.

< Die "erfolgreiche" Durchsuchung

Da konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Und dann wurde der Inspektor großzügig und meinte tatsächlich: "Na, wenn das alles ist, was ich bei Ihnen finde, dann laß ich Sie laufen." Obwohl er noch feststellen mußte, daß ich ja alles Werkzeug (ein Arsenal an diversen Blättchen, Pappe) dabei hatte. Okay, Bodycheck, durchwühlen der taschen, des Autoinnenraumes, des Kofferraumes und nix. Als wir dann weiterfahren durften, war unser Grinsen (nicht nur vom vorher verköstigten Brösel) ein breites. Wie kann man nur so dämlich sein? Vier leute hatten ihre Portion dabei und nix wurde gefunden. Die von mir angebotenen Ecstacypillen wollte der Wachtmeister gar nicht erst sehen, er wüßte schließlich, was da für Leute hinfahren würden...
 
So kamen wir gegen 11 Uhr auf der Loreley an, es war noch superleer, aufgrund des Megasommers gab es nicht einen grünen Grashalm (außer in unseren Taschen natürlich) und auch die Bäume der Gegend waren durch die Trockenheit auf dem steinigen Boden, der kein Wasser speichern kann, schwer in Mitleidenschaft gezogen. Keine Reggaekultur, wie man es von den Loreley-Summer Jams kannte und die letztendlich zum Verbbot des Festivals auf dem Gelände führte, weil die Leute zu viel kaputt gemacht und zu viel Dreck hinterlassen haben. 

Blick von der Loreley ins Rheintal

 
Auf dem Festivalgelände verloren sich die Verkaufsstände, die immer einen guten Teil der Atmosphäre solcher Veranstaltungen ausmachen. Es gab ein wenig Reggaeparaphernalia, äthiopische, jamaikanische Flaggen, Blubbers, Purpfeifen, T Shirts, einen Second Hand Plattenstand, einen Tisch von MKZwo, dem Hip Hop Taschenmagazin, das nach Credibility in der Reggaeszene heischt, Bierversorgung mit irgendnem Pils an dessen Namen ich mich als Antialk nicht mehr erinnern kann und will und einen Freßtand mit Würstchen und Schweinesteaks. Nicht nur, daß dieses Futterangebot phantastisch zu nem Reggae (okay, okay - und Hip Hop Festival) paßt, bei dieser Auswahl an zuführbaren Kalorien verstehe ich die Äußerung des mitgereisten Vegie: "Das ist ein faschistoides Angebot. 

Warum war das alles so spärlich gesäht? Vorweg genommen, die wenigen Zuschauer wurden zwar mit der Zeit etwas mehr, aber füllten das Halbrund des Amphitteaters der Loreley am Ende zu vielleicht einem Fünftel, laß es 2000 Menschen gewesen sein. Der Veranstalter Contour konnte nicht schuld  der Misere sein. Dafür besitzen die Stuttgarter Macher viel zu viel Expertise und langjährige Erfahrung. War es das Programm, dieser Mix aus Reggae und Kopfnickern? Glaub ich auch nicht, denn gerade die jüngeren Musiclovers des einen oder des anderen Genres crossen gegenseitig over, wie man so schön sagt. 
 
Es lag einfach daran, daß zum gleichen Zeitpunkt zwei weitere große Reggaefestivals stattfanden: Der Chiemseee Reggae Summer hat 25000 Leute aus dem Süden abgeschöpft und in Hamm fanden die Reggae Nights von Revelation Concerts statt, von dort habe ich keine genauen Zahlen, aber mehrere Tausend dürften es auch gewesen sein. Und das "arme" Yard liegt mittendrin, zieht etwas Publikum aus der Rhein-Main-Achse, aber zu wenig, um aus der Veranstalterperspektive von einem Erfolg sprechen zu können. 
  
eine spärlich gefüllte Loreley > 

 

Curse

Curse Fanblock im Einheits-T Shirt
Curse und die Autogrammjägerinnen
Aber genug ums Drumherum palavert, es wird Zeit fürs Programm. Nachdem man Eisi Eisz, Eiszfeld, Jan Delay und wie sonst sich der Kleine noch nennt, beim flanieren beobachten konnte, wie er  gejagt von weiblichen Fans, die unbedingt ein Autogramm ergattern wollten das Gelände durchschritt, war es Zeit für den ersten Act des Tages und zwar Curse. Auch er war von den Cops durchsucht worden, wie er lamentierte. Offensichtlich hatte er ein gutes Standing in der Gegend (stammt er vielleicht von dort?), jedenfalls waren bei seinen Hip Hop Tunes 30 Hände in der Luft. Obwohl Gentleman auch auf dem Programm stand (allerdings als Headliner und nicht als Opener), gab es das auss dem Musikfernsehen bekannte Duett auf der Loreley nicht. Dafür konnte man nach Beendiung des Gigs Cursieboy mit seinem Püppchen beobachten, einem wirklich "lecker Mädsche", wie man so in Kölle sagt. Sie hatte die Aura eines Playboy Bunny, die noch stärker leuchtete durch eine ebenfalls blendend fluoreszierendes Licht ausstrahlende weiße Plüschkappe auf ihrem makellosen Haupt. Da hätte bestimmt fast jeder aus dem Publikum mal nähere Bekanntschaft gesucht. Auch Curse wurde wieder ein Opfer der gnadenlosen Autogrammjäger der weiblichen Subspezies. Allerdings waren die Damen reifer, als bei dem vorher heimgesuchten Hamburger Kollegen. Cursies Bunny hatte kein leichtes Standing bei all der Schönheit, die den Mann umgab. War die s der Grund, warum sie schon wenig später mit einem anderen Typen Übers Gelände schlenderte? Bei solch einem Verhalten, kombiniert mit ihrer biologisch gegebenen Schönheit, muß sie aufpassen, daß sie nicht innerhalb von fünf Jahren vom Zuckerpüppchen zur durchgelegenen Matratze mutiert. Sorry an dieser Stelle, daß ich aus Persönlichkeitsschutzgründen kein Foto veröffentliche.

 
Als zweite Gruppe kamen die Peuple de L'Herbe - die Ganjmenschen. Ob sie wohl von der Loreley so fasziniert waren, wie einige andere Musiker? Denn sie stammen aus Lyon, das im Rhônetal selbst ganz gute Uferbegrenzungen, sprich Berge, für den Fluß aufweisen kann. Egal, was sie von ihrer Umgebung dachten, die vier Franzosen lieferten jedenfalls einen amtlichen Sound zwischen Drum And Baß, Hip Hop und Dub, der mal sehr relaxend und dann wieder schwer tanzbar daherkam. 
  
Le Peuple de L'Herbe >

 
Dann kam der Neo-Reggae-Block auf die Bühne. Den Anfang machte Turbulence, der eng verbunden mit dem "Superstar" Sizzla häufig dessen Shows eröffnet. Aber noch mehr verbindet ihn mit seinem Kollegen. Nicht nur daß Sizzla eine Art Mentor von ihm ist/war, auch das Label X-Terminator und nicht zuletzt die Glaubensrichtung Bobo Dread werden von beiden geteilt. Erwähnenswert ist noch der Outfit des Mannes, nein, nicht daß er seine Dreads eingewickelt hat, wie es jeder ordentlich Bobo Ashanti tun muß, was ich meine, sind seine Stiefel, Hose und der dazugehörige Gürtel, die ganz offensichtlich aus den frühen Achtziger Jahren stammen. Ich möchte ihm keineswegs zu nahe treten und weiß daß siech Dreads, auch Bobos ganz gerne sehr individualistisch kleiden, aber die genannten Elemente kombiniert mit einer Polyesterjacke in Ites Gold and Green, wirkten einfach nur häßlich.

Im Gepäck hatte Turbulence die Präsentation seines aktuellen Albums "Join Us". Was ich nicht ganz verstehe ist, daß meine Kollegin ID, die Turbulence und Sizzla am gleichen Wochenende am Chiemsee gesehen hat, dem ersteren eine größeres Stimmvolumen nachsagt. An der Loreley hatte er dann offenhörlich Probleme mit seinen Stimmbändern, denn von einem "Wahnsinns-Stimmmfang" (O-Ton ID) war nix zu hören. Die RootZ Crew war sich einig: bis auf die kurze Souleinlage waren die Vocals in seinem gut dreißigminütigen Auftritt sehr ungeschliffen. Aber mit seinen treibenden Rootsnummern war er ein guter Wegbereiter für Sizzla. 

Es folgte der kleine Mann mit der großen Stimme, Time for Sizzla Kalonji. Der Veranstalter Contour hatte es tatsächlich geschafft, den Mann zum zweiten Mal nach D zu locken. Und Sizzla bot an diesem Nachmittag einen komplett überzeugenden Auftritt, in dem sich Roots und Dancehall Elemente in der Waage hielten. 
 
Am erstaunlichsten war, daß der Mann, der sonst verbal gerne verbrannte Erde hinterläßt  "wave your hands in the air" gesungen hat und in einen Dialog mit den anwesenden Weißbroten getreten ist. Die Leute machten mit und  folgten seinen wedelnden Handbewegungen. Er hatte das Publikum fest im Griff und verschoß in einem rotgelbgrünen Feuerwerk einen starken Tune auf den nächsten. Na, Sizzla, wenn's um Geldverdienen geht, sind die Weißbrote doch gar nicht so schlimm, oder?

Nachdem ich aus der Nähe Sizzlas rubinrot leuchtende Augen gesehen hatte, fragte ich mich in diesem Zusammenhang allerdings, wie er und seine Kollegen wohl  an den ordnungskräftigen Wegelagerern vorbeigekommen sind. Waren sie selbst clean und wurden von einem Festivaldealer versorgt (wieder neue Fragen: kauft ein Bobo Ganja von einem Weißen und wenn ja, wie ist der Festivaldeaer an den Cops vorbeigekommen?) Oder gab es eine einfache Lösung wie bspw eine Abmachung zwischen dem Veranstalter und den Ordnungskräften im Einsatz gegen zersetzende Drogen? Oder noch einfacher: haben die zwei einfach nur Schwein gehabt? 


 

Michael Farnti's Spearhead
Auf den Neo-Reggae folgte Intellektuellen- Hip-Hop aus den USA mit Michael Franti's Spearhead. Ja, sogar in dem, land George Bushs und Arnie Terminators gibt es im Promillebereich Leute mit Hirn, zwar nicht viele, aber ein paar Hände voll. Michael Franti, der Kopf der Gruppe kann getrost dazu gezählt werden. Allerdings scheint er seine Synapsen seit längerem auf eine Aufgabe außerhalb der Musik programmiert zu haben, oder hat er seit "Chocolatesuperhighway" aus er 2. Hälfte der 90er Jahre etwas veröffentlicht, das an mir, ohne daß ich davon Kenntnis genommen habe, vorbeigezogen ist?

Der Sound auf der Loreley war übrigens fett ohne Ende, eine sehr gute P.A. war im Einsatz, Respekt an Techniker und Veranstalter. Aber auch die trichterförmige Form des Amphittheaters liefern eine saubere Akustik bis in die entlegensten Winkeln. 
 
Wie ein paar mitgereiste Kollegen bei der Suche nach einem fehlgepaßten, sich über das Geländegitter verabschiedeten Balles herausfanden, gab es hinter der Absperrung eine Menge von Zaungästen, die auf ihren Waldplätzchen das Programm in kristallklarem Sound verfolgten. Woran etwas hätte verbessert werden  können, war der nervender Pausensound, der zwischen Loungemusic und Airportsound lag. Das war nur stimmungstötend und einlullend, für die Förderung bzw. Aufrechterhaltung des flows und der vibes hätte man besser das initiale, für uns anonym gebliebene Soundsystem weitermachen lassen sollen. 

Dann gings zurück in hiesige Gefielde, zurück zur Musik, die mir nur in Ausnahmen liegt:  ASD, - Afrob Sammy Deluxe, das sind deurschsprachige Reime afrikastämmiger Landsmänner, bei dem sich die RootZ Crew einig war: das ist nix für uns, irgendwie kam die Show viel zu asi für uns rüber. Und die Kommentare:  "Jetzt kommt Barrington Levi, kennt den einer? Das ist Foundation, die Grundlage". Gut, daß ihr wenigstens das kapiert habt!


Die Sound Controller

Massive

 

Barrington Levi
Und der kann dann auch wirklich als nächstes. Old School vom Feinsten mit Barrington Levi. Der Enddreißiger feierte seine größten Erfolge in der Mitte der Achtziger Jahre mit Hits wie "Under Mi Sensi", "Here I Come" oder "Murderer", die er an die sem frühen Abend auch allesamt an die Trommelfelle des Publikums transportierte. Meines Wissens war dies erst sein zweiter Auftritt in D, nachdem er schon aufm Splash 01 die Massen mit einem Feuerwerk seiner Tunes nach dem Motto "ach der Song ist auch von Barrington Levi" begeistert. Über eine Stunde lang lieferte der jamaikanische Veteran fetten Tune nach fettem Tune. 

Beim Start der Beginner machten wir uns auf den Heimweg. Der flüchtige Eindruck versprach eine schöne Lightshow mit einem eigenen Bühnenbild zu stark näselnden Reimen aus Hamburger Vororten. Erneut waren wir uns einig: das ist nichts für uns, brauchen wir uns nicht zu geben. 

< Lightshow der Beginner

Als Topact stand der Kölner Gentleman auf dem Programm. Fraglos ist er ein guter Künstler und hat sich für Reggae und Dancehall und die ganze Szene in Germanien verdient gemacht. Wir verstehen trotzdem nicht,  Warum er, wenn wirklich gute jamaikanische Acts anwesend sind. Immerhin ist diese Insel das Ursprungsland des Reggae und in der Ehe mit den amerikanischen Slums auch die Mutter des Kopfnickersounds. Und hat weiterhin so viele Impulse für die gesamte Musikszene produziert, wie kein anderes Genre. 
 
Warum wird Gentleman so gepusht und nicht Sizzla oder Barrington Levi? Ist es so, wie ich seit längerem behaupte, daß ein Plattenvertrag bei einer Majormusikfirma mehr bewirkt, als jeses musikalische Können oder Street Credibility? Ich schreibe hier ein unterstrichenes Ja!

Wie mir Leznub später berichtete, ganz im Einklang mit den Eindrücken von ID vom Chiemsee: Gentleman hat zwischenzeitlich eine Entwicklung durchgemacht, seine Performance ist um einiges melodiöser geworden, er wird mehr und mehr zum Singjay. 


Gentleman

Bleibt noch das Resumee: es war ein schönes Festival an einer der schönsten Locations, mit einem Toplineup, einem genüßlichen klaren Sound, durch eine frische Brise war es sogar in dem Megasommer nicht zu heiß. Nur zu haben das zu wenig Leute geahnt und sind deswegen zu hause geblieben, ins Grüne oder zu einem der anderen Veranstaltungen, die zum gleichen Zeitpunkt stattfanden, gefahren. Meine Frage nach einem Versuch der Wiederholung des Festivals im nächsten Jahr wurde vom Veranstalter nicht eindeutig beantwortet. Laßt uns hoffen, daß sie es sich überlegen und es noch mal tun, am gleichen Ort zu einem anderen Zeitpunkt.


Copyright Text: Doc Highgoods / Bilder: Lukas Schaefer / ID / Doc Highgoods / Layout: Doc Highgoods 2003 Zum Seitenanfang