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MILLENNIUM OF DUB
Seeed
Afro Celt Sound System
18.08.2001
Köln
Fühlinger See

in coop mit


 
Gutes Wetter, ein wunderschönes Open Air Gelände auf der Regattainsel im Fühlinger See und ein hochkarätiges Programm waren die Rahmenvoraussetzungen für meinen persönlichen Musikhöhepunkt auf der PopKomm. 

Ich selbst war früh, gegen 13 h, auf dem Gelände, denn schon im Vorfeld war angekündigt worden, daß der überaus medienscheue Manu Chao eine Pressekonferenz zu geben gewillt war. Und diese war auf den frühen Nachmittag vor Manu’s Soundcheck gelegt worden.

Als er dann kam, waren ca 20 Journalisten backstage versammelt, die den in Paris gebürtigen Spanier, der sich selbst als Weltenbürger sieht, mit allerlei Fragen bombardierten. Manu war gesprächig und gab bereitwillig Auskunft über alle Themenfelder, die längst nicht nur seine Musik, sondern häufig auch sein politisches Engagement und seine Reiseerfahrungen betrafen.
 
Ein weiteres großes Thema war sein Engagement für die Globalisierungsgegner. Er hatte im Vorfeld der G-8 Proteste zwei Konzerte gegeben, um die „Kriegskasse“ der Alternativbewegung zu füllen. Dadurch resultierten dann solche überzogenen Reaktionen, wie eine Durchsuchungsaktion von Virgin Italy – seiner Plattenfirma -  durch die italienische Polizei.

Nach Abschluß der PK waren noch zwei Stunden bis zum Programmbeginn zu überbrücken, was allerdings kein Problem war, denn man konnte bei dem Wetter fantastisch auf der Wiese abhängen und backstage gab es genug zu sehen, was die Zeit schnell verstreichen ließ:

Wir konnten eine kurze Fotosession mit Black Kappa – Gast MC bei Seeed und Betreiber des von seinem Vater auf Jamaika gegründeten Killa Force Sound Systems, durchführen und hatten die Gelegenheit, Seeed beim Warmup vor ihrem Gig zu erleben. Dies besteht natürlich in der guten, alten Reggaetradition aus Fußballspielen.
Naja, irgendwann landete das komplett schwarze, runde Leder auf einem der Flachdächer der Gebäude hinter der Bühne und das Training war somit erst mal beendet, was garnicht so schlimm war, denn es war kurz vor Stagetime und ...
 
Seeed beim Soccer
Black Kappa

um 16 h war es dann soweit. Das nicht ganz ausverkaufte Gelände war gut gefüllt, als Seeed zum dritten Male innerhalb einer Woche eine Kölner Bühne betrat. Bei vielen Bands bedeutet eine derartig inflationäre Stageperformance musikalischen Genickbruch, bei der Berliner Band jedoch, die durch ihren Hit „Dickes B“ längst nicht nur Reggaeheads bekannt ist, ist das kein Problem. 

Man merkt es jedem einzelnen Bandmitglied an, daß er mit viel Spaß bei der Sache ist und daß die Routine noch längst keinen Einzug gehalten hat. Und live sind die Berliner Jungs immer wieder ein Genuß. Da wird beim „Putzbattle“ auf Germaican’s World Report Riddim dancehallmäßig in den Köpfen der Zuhörer gekehrt oder es wird Vibes-Nachhilfe in Sachen Roots gegeben, wenn so alte Hits, wie Dawn Penn’s „No No No“ oder Max Romeo’s „I Chase the Devil“ auf Perry`s Police and Thieves Riddim mit „We Seeed“ treffen. Und dazu natürlich eine kräftige Prise Ragga, ein Schuß Hip Hop und heavy urban Dub. Dem mek de Reggae seeed grow to a capital plant.

Das Publikum war an diesem Nachmittag recht träge und hatte offensichtlich noch die Kater der vorangegangenen PopKommparties in den Knochen stecken, anders war die laue Resonanz auf die geballte Soundforce, die von der Bühne kam nicht zu erklären. Seeed jedenfalls gaben sich alle Mühe, ein Programm zu bieten, was nicht 0815 runtergenudelt wurde, sondern immer wieder mit neuen, live noch nicht gehörten Tunes aufgewartet hat. Schade, daß da nicht mehr wohlverdienter Applaus aufgekommen ist. 



 

Es folgte gegen 18 h das Afro Celt Sound System, welches ich gerne als Opener des Tages gesehen hätte. Mein Fall ist dieses, in den Real World Studios von Peter Gabriels World Music Factory entstandene, Projekt jedenfalls nicht. Too much düdelüdelü, you know. Ich bin ein Fan von Bass und Percussion, zweien von drei tragenden Säulen, aber die dritte Stele nämlich die keltischen Melodien, läßt das ganze House of Sound in meinen Ohren zusammenfallen.  Mir ist dabei egal, ob das düdelüdelü auf einer Kora, der westafrikanischen Harfe, auf der Querflöte oder per Keyboard die Gehörgänge penetriert. Eigentlich finde ich ja den typisch britischen Crossoversound ganz cool, aber zuviel ist zuviel. Keltische Bauernmusik gehört für mich nicht dazu.
 
Afro Celt SS

Während der Umbaupause zum Mainact des Tages konnten wir backstage noch die Bergungsaktion für das schwarze Leder von Seeed beobachten, wofür extra ein technischer Mitarbeiter per Gabelstapler auf das Dach gehievt wurde, wohin sich der Ball verirrt hatte. Kurz nach 20 h war es dann soweit: Proxima Estacion – Fühlinger See. Nachdem Manu Chao am Vorabend in Berlin ein fulminantes Konzert gegeben hat, warteten in Köln mehr als 6000 Zuschauer auf die Sounds und Messages dieses sehr engagierten Musikers. 

In der Abenddämmerung wurde langsam eine fulminante Lightshow aufgebaut, die atmosphärische Untermalung für die Tunes von Chao und Radio Bemba, der derzeitigen Backing Band des Musikers.
 
 Es war allerdings kein braves Runterleiern von Tunes der zwei Alben „Clandestino“ und „Proxima Estacion – Esperanza“, welche durch sehr eingängige Tunes mit Einflüssen aus Latino Music, Reggae und Pop, gespickt mit Jingles und Radiosniplets verbunden sind. Manu Chaos musikalisches Schaffen basiert auf der Band Mano Negra, die Ende der  Achtziger Jahre als Straßencombo ihre ersten Aufnahmen machte und Mitte der Neunziger einen großen kommerziellen Erfolg in franco- und hispanophonen Ländern hatte. 

Dementsprechend schrammelig war der vom Mano Negra Erbe resultierende Sound auf der Bühne. Kein Tune kam in seinem gewohnten Gewand und die Bandbreite der von Manu Chao verarbeiteten Styles war virtuos: Neben sehr dubbigen Reggaestrecken gab es viel Latin-Einfluß, auch wenn der Musiker das nicht gerne hört, weil er für sich den Begriff Latin nicht definieren kann. Für ihn ist das wie mit Rock, wo ein Elton John neben Metalbands für einen Begriff stehen. Auch Rock’n’Roll wurde verarbeitet, genauso wie die streckenweise nur mit Akkustikgitarre untermalten Gesänge des Spaniers. Dazu noch der gesamte Soundkosmos an Geräuschen, die Chao als Sammler akkustischer Signale aus den verschiedensten Quellen, wie Radiosendungen, Computerspielen, Werbejingles usw. gesammelt und in seine Tunes integriert hat. 
 

 
Zweieinhalb Stunden Tune um Tune in der Radio Bemba Music Show, dazu eine wirklich ausgefeilte Mega-Lichtorgel, ein begeisterungsfähigeres Publikum als bei Seeed und gutes Wetter, das die Leute erst am Ende der Veranstaltung verließ und langsam in den gewohnten Kölner Regen überging. 

Wer diese Show verpaßt hat, muß Glück haben, ihn live erleben zu können, denn bei Manu Chao ist der nächste Lebensabschnitt immer ungewiß. Nur eins ist klar: Ende August wurde die Band Radio Bemba aufgelöst, ein festgeschriebener Schritt nach dem letzten Konzert einer Tournee. Und dann wird für die nächste Etappe geplant. Ob die noch aus Musik machen besteht, konnte Manu Chao auf der PK nicht bestätigen. Nur eins gab er uns noch auf den Weg: Routine ist sein größter Feind, was ihn dazu veranlaßt, in seinem Leben die unterschiedlichsten Dinge auszuprobieren. 



Copyright Text / Photos: Doc Igüz 2001 Zum Seitenanfang