RootZ – H.I.M. – Rasta – Ein Versuch der Beschreibung eines Phänomens


Die nachfolgenden Zeilen
sind der Versuch, das Phänomen “Rasta” zu umreissen. Die
vollständige
Wiedergabe eines komplexen soziologischen Erscheinungsbildes will ich
garnicht
versuchen, denn es bedarf Hunderter von Seiten, um einem lebenden
Phänomen
gerecht zu werden. 

 

Rasta, eine
der jüngsten “Religionen” unseres Planeten und doch das Fundament
uralten Wissens, wohnt mittlerweile in den Herzen von geschätzten
fünf bis sieben  Millionen Menschen und hat sich bis in die
entlegensten
Winkel der Erde ausgebreitet. Es gibt keine Initiationszeremonie, keine
Institutionen, keine Funktionsträger und keine fixierte Lehre und
dennoch erreicht die Message unzählige Individuen, die sich mehr
oder
weniger dieser Bewegung zugehörig fühlen. Musik – Reggae –
ist
das Vehikel des Phänomens, Rastafarians sind die Botschafter und
Ganja
ist der spirituelle Katalysator. Zusammengenommen haben diese Faktoren
über die Jahrzehnte eine Bewegung geschaffen, die stetig
wächst
und nicht mehr zu ignorieren ist. 

Nur zwei Generationen von
Predigten, Prophezeihungen, Bibelinterpretationen, Protesten und Lehren
hat es gedauert, Rasta in Jamaika, in der Karibik, in Afrika und auf
der
ganzen Welt zu verbreiten, und den Menschen ein dynamisches System
religiösen
Gedankengutes und einen pragmatischen Lebensstil von Gleichheit,
Ehrlichkeit,
Naturverbundenheit und moralischen Fertigkeiten zu bringen. 

Aus der kolonialistischen,
rassistischen und sozial totenstarren Pflanzergesellschaft Jamaikas
hervorgegangen,
aber nicht an den Küsten der Insel stoppend, sondern international
Misstände erkennend und anprangernd, strebt Rasta die fundamentale
Umformung ungerechter Gesellschaftssysteme, wenn nicht gar ihre totale
Zerschlagung an. Rasta ist eine Revolution, aber nicht eine Revolution
der Revanche, der abgeschlagenen Köpfe und Verurteilungen, sondern
eine Revolution von Frieden, Liebe, Respekt, Verständnis und
Wissen,
dem einzig gangbaren Weg, um die gesteckten Ziele endgültig zu
erreichen
und fest zu etablieren. 

 

Rasta gibt den
Massen, dem Proletariat, dem kleinen Mann ein Gesicht, eine
Persönlichkeit,
eine Identität, Stolz und eine Heiligkeit mit direkter Verbindung
zu JAH, dem Schöpfer, der nicht über allem Elend thronend auf
seiner Wolke sitzt, sondern in der Person von Haile Selassie ein
Gesicht
besitzt, ein Mensch, der der zurückgekehrte Messias ist. Das
Ergebnis
dieses emanzipatorischen Entwicklungsprozesses ist ein
Bewußtsein,
das Rassismus, Gewalt und Unterdrückung ablehnt und die Würde
des Menschen, dem Kind JAHs, unterstreicht. Das so erlangte
Selbstbewußtsein
basiert auf dem unabänderlichen Fakt, daß ein Rasta in einem
Direktkontakt mit JAH steht. Selassie vermittelt ihm Kraft und so wird
der Mensch an der Peripherie der Existenz, das verschleppte Individuum,
der ausgebeutete Sklave, der konturlose Mensch in der grauen Masse, zum
Mittelpunkt des Universums, denn er ist Teil der göttlichen Kraft.
Obwohl ihn die Umwelt zu einem Nichts abstempelt, ist Gott bei ihm,
nicht
im Himmel, Gott ist kein Duppy, kein Geist, nein, er ist ein Mensch,
der
auf der Erde lebt und sich kümmert. 

Rasta erschafft seine eigene,
auf der Bibel basierende, spirituelle Erkenntnis. Das geistige Wissen
wird
durch eine selbstgeformte Sprache und Deutung, und nicht durch die
Infiltration
von Priestern, es wird durch erdgebundene Reasonings und nicht durch
hoffnungsvolle
Erwartungen im spirituellen Himmel manifestiert. Die Weltanschauung von
Rasta bietet Hoffnung in schlechten Zeiten und dient dazu, den
Babyloniern,
den Ignoranten und Unwissenden, den Spiegel vorzuhalten. Ihre
Erkenntnis
deckt die Widersprüche in der Gesellschaft, in der Welt, in
unserer
Epoche, auf. Und Rasta weiß dabei, wovon er spricht, denn das,
was
er artikuliert, hat er am eigenen Leib erfahren und durchlebt es
tagtäglich. 

Mangels dieser Erfahrung
wird es vielen Menschen schwerfallen, Rasta zu verstehen, ihre Ziele
nachzuvollziehen
und die Zusammenhänge zu erkennen. Das wird nur gelingen, wenn man
sich öffnet und zu fühlen beginnt, was es bedeutet, als
unerwünschtes
Anhängsel einer strikt gestaffelten Gesellschaft in den Slums von
Jamaika, oder anderswo in einem der vielen Elendsorte weltweit, zu
existieren.
Um zu verstehen, muß man es selbst leben, durch Erfahrungen die
subjektive
Lebenssituation eines Rasta spüren. 

 

Die Formierung
von Rasta beginnt vor zwei Menschengenerationen, als 1930 der
Jamaikaner
Marcus Garvey [mehr Infos hier]
die bedeutungsvollen Worte ausspricht: “Look to Africa, where a black
King
shall be crowned, for the day of deliverance is near.” (Schaut nach
Afrika,
wo ein schwarzer König inthronisiert werden wird, denn der Tag der
Erlösung ist nahe). Dieser Satz und sein Lebenswerk führen
dazu,
daß Garvey von Rasta als Prophet und als die Reinkarnation von
Johannes
dem Täufer gesehen wird. Die von Garvey initiierte, Anfang der
Dreißiger
Jahre erfolgte Gründung der UNIA (United Negroes Improvement
Association),
eine Organisation, die sich der Verbesserung von Lebensbedingungen
afrikastämmiger
Meschen widmet, dem Back To Africa Movement, das sich um die
Repatriierung
der verschleppten Schwarzen nach Afrika kümmert und der durch
Garvey
finanzierten Black Starliner Schiffahrtslinie, die die Repatriierung
schlußendlich
durchführen soll, lassen diesen weitblickenden Mann zum
derzeitigen
Motor der Pro-Afrika-Bewegung werden. 

Am 2. April 1930 wird Ras
Tafari zum Kaiser von Äthiopien erklärt [mehr zum Leben Haile
Selassies hier] und ca.
7
Monate später mit dem Namen Haile Selassie (Macht der
Dreifaltigkeit)
in der St. Georgs Kathedrale in Addis Abeba unter großer
internationaler
Beteiligung gekrönt. [mehr zur Krönung des Kaisers hier]

Mitte der Dreißiger
Jahre verkünden auf Jamaika Straßenprediger, u.A. Leonard
Percival
Howell [mehr Infos hier]
unabhängig
voneinander, daß Haile Selassie die Wiedergeburt Gottes, der
zurückgehrte
Messias ist. Nicht mehr der König von England sei das spirituelle
Oberhaupt der Jamaikaner, sondern ein König ihresgleichen, ein
Kaiser,
ein King of Kings aus Afrika. 

1935 besetzen die
faschistischen
Truppen Mussolinis große Teile Äthiopiens, Selassie geht
1936
ins englische Exil und der italienische König Viktor Emanuel III
wird
von Mussolini auf den äthiopischen Thron gehievt. Im selben Jahr
hält
der äthiopische Kaiser seine historische Rede vor dem
Völkerbund
(Vorläufer der UNO) in Genf. [Infos über die Geschichte
Äthiopiens hier]. 

In der Zwischenzeit hat sich
das Wissen um die Rückkehr des Messias in Gestalt von Ras Tafari
weiter
verbreitet und gefestigt. Leonard Howell, als verkündender
Protagonist
der Bewegung, hat mehrfach Auseinandersetzungen mit den
Autoritäten
Jamaikas und zieht sich schließlich mit seiner Gefolgschaft
zurück.1940
gründete er in St Catherine, Jamaika  die erste Rasta-Kommune
“Pinnacle”. Dort werden die Grundsteine der Rastaphilosophie gelegt.
Als
Pinnacle 1954 durch Polizeigewalt aufgelöst wird, ziehen die
meisten
Rasta in die Slums von Kingston, was zu einer Urbanisierung der
Bewegung
führt und Kingston als Hauptstadt der Rasta etabliert. 

1955 macht Selassie ein
großes
Geschenk: er gibt 500 Hektar Land in Äthiopien zur Repatriierung
rückkehrwilliger
Jamaikaner frei. Es entsteht u.A. die bekannte Rastasiedlung
Shashamane. 

Als Prince Edward Emmanuel,
ein prominenter Rasta, heute von vielen als ein weiterer Prophet
verehrt,
1958 in Back’o’Wall, einem stark von Rasta frequentierten Slumgebiet
Kingstons
einen dreiwöchigen Konvent mit 3000 Rasta abhält, kommt es zu
zahlreichen gewalttätigen Zusammenstößen mit der
Polizei.
Für Rasta wird es dadurch einmal mehr klar: in dieser starren
Pflanzergesellschaft
sind wir die Underdogs und haben keine Chance, uns nach unserem freien
Willen zu entwickeln. 

Aufgrund der steigenden
sozialen
Konflikte zwischen Rasta und der restlichen jamaikanischen
Bevölkerung
werden von der Regierung soziologische Studien an der Uni in Kingston
in
Auftrag gegeben. 1960 wird der Report on the Rastafari Movement von der
University of the West Indies veröffentlicht. Ein klares Ergebnis
der Studie ist, daß Rasta nach Afrika zurückkehren
möchte.
Ein Team von 8 Jamaikanern, darunter 3 Rasta, reist nach Äthiopien
und in andere afrikanische Länder, um die Möglichkeiten
für
eine Repatriierung auszuloten. 

 

Im April 1966
besucht Haile Selassie Jamaika und löst auf der Insel einen
Ansturm
auf den Flughafen in Kingston aus. Jeder, nicht nur Rasta, möchte
den lebenden Gott mit eigenen Augen sehen. Das Rollfeld um Selassies
Flugzeug
ist voller Menschen und der Kaiser soll zunächst gezögert
haben,
den Flieger zu verlassen, sagt aber im Anschluß dazu, daß
er
von dem Empfang durch die Menschen überwältigt gewesen
sei. 

In den Sechzigen und Siebziger
Jahren findet die Rasta Message immer mehr Einzug in die Songtexte der
jamaikanischen Musiker. Der internationale Erfolg einiger Songs und die
Beliebtheit einiger Interpreten führt zu einer internationalen
Verbreitung
von Anliegen und Erkenntnis der Rasta.

Im September 1974 wird der
Kaiser Äthiopiens von sozialistischen Revolutionären
abgesetzt
und in seinem Palast unter Hausarrest gehalten. Er stirbt am 27. August
1975 unter bisher ungeklärten Umständen und wird in einen
anonymen
Grab beigesetzt. Bis heute weiß niemand, wo die sterblichen
Überreste
des Kaisers verblieben sind. [Infos über das Leben von Ras Tafari hier].
Für Rasta ist ihr Gott nie gestorben. Er lebt spirituell weiter
und
hat nur seine körperliche Hülle verlassen. So führt der
Tod Ras Tafaris auch nicht zu einer Krise oder gar der Auflösung
der
Rasta, sondern lediglich zu Diskussionen über das Ereignis
selbst. 

 

Heute, drei
Jahrzehnte später, ist Rasta präsenter denn zuvor. Die
zunehmende
Popularität der Musik und Unmengen von Botschaftern, von Bob
Marley
und Peter Tosh über Misty in Roots oder Lucky Dube bis hin zu
Capleton
oder Junior Kelly haben die Message durch ihre Konzertauftritte und
Tonträger
in alle Ecken des Planeten transportiert. 

Das Internet ist zu einem
wichtigen Verknüpfungspunkt geworden und liefert eine Unmenge an
Informationen.
[weitere Infos über die Geschichte von Rasta hier]
Es ist bei der bestehenden Vielfalt von Hintergründen schwer,
einen
Prototyp von Rasta darzustellen, ich beschränke mich aus diesem
Grund
im folgenden auf eine Beschreibung einiger Charistika von Rasta aus dem
Kernland Jamaika. 
 

Capleton > 

Der Großteil der Bredren
ist zwischen 17 und 55 Jahren alt. Es gibt natürlich auch
Rastakinder,
die von klein auf von ihren Eltern im Sinne der Bewegung erzogen
werden.
Das Gros der Rasta (90 Prozent) jedoch hat in der Kindheit einen
christlichen
Hintergrund erhalten und ist erst nach der Bewußtwerdung zum
Rasta
geworden. Viele sagen von sich selbst, daß sie als Rasta geboren
wurden, daß es aber eines Denkprozesses bedurfte, bevor sie es
wußten.
In der männlich dominierten Gesellschaft Jamaikas sind die meisten
Rasta Männer, es gibt deutlich weniger Sistrens. Alte haben eine
leitende
Funktion, wobei man betonen muß, daß es keine eigentliche
Hierarchie
oder gar Funktionsträger gibt. Man findet sehr viele
Unterklässler
und frustrierte Mittelklasse-Jugendliche, die für sich in der
Gesellschaft
auf der Insel keine Zukunft sehen. Man kann behaupten, daß man
Rasta
dort findet, wo es Armut gibt. Fast 100 Prozent der Dreads sind
Afro-Jamaikaner
und ihr Zentrum ist Kingston, obwohl man sie überall auf der Insel
findet. Und, wie schon geschrieben, sind die Bredren heute überall
auf der Welt präsent. 

 

Leider wird
Rasta immer wieder zu Modeerscheinungen degradiert, es ist chic, zum
Friseur
zu gehen, ein paar Euro hinzublättern und sich Dreadlocks ins Haar
machen zu lassen oder gar künstliches Haar anzuknüpfen. Ich
will
jetzt nicht die Behauptung aufstellen, Rasta steht und fällt mit
der
Lockenpracht, es gibt bestimmt conscious Rasta ohne Dreads. Der
Gegenschluß
jedoch, daß Dreads einen Rasta machen, ist völlig irrig.
Dabei
zählen andere Fakten: Rasta glaubt nicht daran, sondern er
weiß,
daß H.I.M. Haile Selassie der zurückgekehrte Messias
ist. 

Die Farbe, die Herkunft oder
die Nationalität von Mitmenschen sind ihm egal, denn jeder Mensch
ist tief innen ein Rasta, er muß nur seine echte Identität
erkennen.
Ob der Bredren einen Bart trägt oder nicht, ob er schwarz,
weiß
gelb oder braun ist, zählt nicht. Was letztendlich entscheidet,
ist
der Inhalt des Herzens und natürlich in finaler Instanz das
Jüngste
Gericht.

Ihr Wissen entnehmen die
Bredren der Bibel, sie ist für sie die Informationsquelle
über
ihre Geschichte, die Wurzel ihrer wahren Identität und sie hat in
Leben und Ausbildung eine Vorrangstellung. Regelmäßige
Bibelstudien,
Rezitationen und Diskussionen über Passagen der Heiligen Schrift
gehören
zum alltäglichen Leben. Diese Reasonings sind nötig, denn
seit
die für Rasta autentische biblische Urschrift in Ge’ez (einer
semitischen
Sprache, dem Vorläufer des Amharischen, der offiziellen Sprache
Äthiopiens)
abgefaßt wurde, sind Jahrhunderte von Verfälschungen,
übersetzungsbedingten
Verzerrungen und Mißinterpretationen vergangen. Da kaum ein Rasta
des Ge’ez mächtig ist, wird auf die englischsprachige Version des
weißen Mannes, auf die in Jamaika übliche King James Bibel
der
Anglikanischen Kirche zurückgegriffen. Rasta weiß, daß
diese Ausgabe zensiert ist, Übersetzungsprobleme sie
verfälscht
haben und daß sie zurechtgestutzt wurde, um die Vorherrschaft des
weißen Mannes zu untermauern. Die anglikanische Bibel
läßt
die Menschen aus Sicht von Rasta lediglich glauben (believe), so
daß
sie nie wirklich wissen (know). Die Bredren lesen die Bibel mit viel
Einfühlungsvermögen
und Intuition, sie lesen zwischen den Zeilen, um sie nicht so zu
interpretieren,
wie King James seine Engländer sie verstehen lassen wollte. Sie
würden
die Bibel jedoch nie verabsolutieren. Denn nur der Kaiser
Äthiopiens
läßt die Worte der Schrift lebendig und wirklich werden, die
spirituelle Kommunikation findet mit Selassie statt, denn er ist
JAH. 

 

Die Bibel ist
nur ein Werkzeug. Der gelebte Glauben und die spirituelle Erfahrung
sind
wichtiger als das geschriebene Wort. Die Bibel ist mehr dazu da, einen
roten Faden ins Leben zu bringen und die wiederkehrenden Zyklen der
sich
wiederholenden Geschichte aufzuzeigen. Denn die Zeit ist ein
kumulatives
Ereignis, das die Distanz zwischen Vergangenheit und Zukunft
auflöst.
Im Gegensatz zu der bei den Europäern existierenden linearen
Zeitachse,
ist diese Zeitsicht ein Relikt der zirkulären Zeitvorstellungen
afrikanischer
Völker. So wiederholen sich geschichtliche Ereignisse genauso, wie
die Personen der Bibel nicht gestorben, sondern heute präsent
sind.
Und zwar in einer sehr realen Art, im Körper einer lebenden
Person.
Als Beispiel: Rasta sehen sich als den verlorenen Stamm Israels und die
Weißen Europas und Nordamerikas als den Stamm von Esau, dem
Gründervater
der als feindselig beschriebenen Edomiter, den historischen Nachbarn
und
zeitweisen Gegenspielern der Israeliten, die jedoch eine gemeinsame
Wurzel
nämlich Isaak (dessen Sohn Jakob –> Gründervater der
Israeliten,
dessen Sohn Esau Gründervater der –> Edomiter) besitzen. 

Geschichte wiederholt sich in
Zyklen und wenn die Menschen besser aus der Vergangenheit lernen
würden, könnten sie den Ablauf der Zukunft besser vorhersehen
und Fehler vermeiden. Ein Zyklus beträgt 2000 Jahre, seit dem
römischen Imperium und dem beginn der Vorherrschaft des
weißen Mannes sind ca. zwei Jahrtausende vergangen. Diese Epoche
wird bald enden und die afrikanischen Kulturen werden sich
anschließend zur Blüte erheben. Auf diese Periode kann Rasta
geduldig warten, denn sie wird in der Heiligen Schrift prophezeit und
nicht ihr Kommen, sondern nur der Zeitpunkt ist nicht auf den Tag
festzulegen

Die Zeit, ihre Ereignisse,
die Personen und ihre Handlungen sind wiederkehrende Ereignisse. Rasta
liest mit der einen Hand die Zeitung und mit der anderen die Bibel. Die
Parallelen zwischen aktuellem Ereignis und den heiligen
Geschichtsaufzeichnungen
werden analysiert und zur Interpretation der Bedeutung für die
heutige
Realität und ihre Handlungen benutzt. Die Bredren verlassen sich
auf
die biblische Prophezeihung, um die heutige Welt zu verstehen und die
Entwicklungsmöglichkeiten
der Zukunft vorauszusehen. Für sie ist die Bibel dazu gemacht,
lebenden
Personen Anleitungen zu geben, um die aktuellen Ereignisse zu verstehen
und sie hört dadurch auf, lediglich eine Aufzeichnung der toten
Vergangenheit
zu sein. Der Ernst und der Enthusiasmus die der Heiligen Schrift
entgegengebracht
werden, entstammen dem Wissen um die Identität von Rasta. Denn
ausschließlich
diese sind heute die einzig legitimen Repräsentanten der
historischen
Israeliten, deren Geschichte in der Bibel erzählt wird. Für
sie
sind die Heiligen schwarz und Rasta ist das Schwarze Haus Israels. Ihre
Sicherheit für diese Behauptungen leiten sie aus Bibelzitaten
ab. 

 


Die Sklaverei
und Verschleppung von Afrikanern in alle Winkel der Erde sind dieselbe
Buße für die Ursünden, für diejenigen Vergehen,
welche
schon zur Versklavung der Vorväter durch die Assyrer und ihre
Verschleppung
nach Babylon führten. Die heutigen “weißen” Juden sind
für
die Bredren nicht hebräisch, es ist ein Betrugsversuch des
weißen
Mannes die Quellen der Geschichte “weißzuwaschen”. Moses, David
und
Salomon, die Stammväter, waren schwarz, wie können ihre
Nachkommen
dann plötzlich weiß sein? Die Hebräer des
auserwählten
Volkes sind schwarz, Haile Selassie als direkter Nachkomme Salomos ist
schwarz. Die Hebräer des auserwählten Volkes sind Afrikaner,
sie sind in Äthiopien beim Gott im Zweiten Zion, es sind die
Fellachen,
die Juden Äthiopiens, Nachkommen des von Salomo für das
Zweite
Zion abkommandierten Hofgefolges für den neuen König
Äthiopiens
Banya Lekhem (David II). [mehr Infos zur Geschichte von Salomo hier].
Und es ist jeder Afrikaner, egal wo auch immer er auf dem Planeten
lebt. 

Zwischen JAH, H.I.M., Haile
Selassie, Ras Tafari, dem Messias, dem lebenden Gott und jedem Rasta
besteht
eine telepatische Direktverbindung, die heilige Substanz von JAH ist in
jedem Bredren. Ras Tafari spricht durch Rasta und Rasta beugt sich
keiner
anderen Autorität, denn er sieht sich als das für die
Erlösung
bestimmte Volk. Die Bredren in Jamaika leben zwar auf dem entferntesten
Außenposten der afrikanischen Zivilisation, aber sie sind es, die
in H.I.M. JAH sehen, sie haben den zurückgekehrten Messias
erkannt.
Trotz ihrer scheinbaren sozialen Bedeutungslosigkeit als das Produkt
des
Aufbegehrens gegen die Pflanzergesellschaft Jamaikas und als eine
exotische
Erscheinung an vielen Orten der Erde, weiß Rasta, daß die
Bredren
eine Rolle von weltweiter  Wichtigkeit innehaben. Sie beugen sich
keiner militärischen Macht, keiner Medienpropaganda oder der
wirtschaftlichen
Überlegenheit des Westens, sondern befolgen die Prinzipien von
Natur,
Leben und Liebe. Rasta ist dazu berufen, den Menschen Frieden zu
bringen. 

Weder der Zeitraum der seit
ihrer Verschleppung vergangenen Jahrhunderten, noch die geographische
Entfernung
von ihrem Mutterkontinent Afrika haben eine Distanz zu ihrem
Ursprungsland
geschaffen. Die Identität von Rasta ist weder national, noch
rassisch,
sie ist kontinental-afrikanisch. An diesem Fakt hat auch die
Weißwäsche,
exerziert durch Slaverei und Kolonialismus, die zum Ziel hatte, die
afrikanische
Kultur im Individuum zu zerstören, nichts geändert.
Vorgegaukelt
wurde, daß Schwarze von Wilden abstammen, aber die Bredren
wissen,
daß Afrika vor der Invasion des weißen Mannes eine reiche
und
entwickelte Kultur besaß. Je mehr ein Rasta von seiner
ursprünglichen
Kultur besitzt, desto näher ist er wieder an sein Mutterland
Afrika
herangerückt. Aus diesem Grunde sucht ein Bredren immer nach einer
afrikanisch orientierten Ausbildung für sich und seine Kinder und
strebt es an, Amharisch, die Hauptsprache Äthiopiens zu
sprechen. 

 

Wegen ihrer
Suche nach afrikanischen Inhalten, nach afrikanischer Identität
und
wegen der Betonung von “Black is beautiful” wird Rasta oft als
rassistisch
eingeschätzt. Das ist falsch, denn diese Haltung ist nicht mehr
als
ein Rassenselbstbewußtsein, das im Kontrast zur weißen
Doktrin
der Überlegenheit kaukasoider Menschen steht. Rasta kann mit allen
Menschen in Einheit und Harmonie zusammenleben, obwohl den Bredren
bewußt
ist, daß eine hundertprozentige Integration nicht möglich
ist.
Rasta sieht für jede Rasse eine eigene Identität (was sie
für
sich selbst auch in Anspruch nehmen), die weiterhin erhalten bleiben
soll.
Das weitergesteckte Ziel der Bredren jedoch ist ein Dialog zwischen den
einzelnen Rassen und Völkern und das schlußendliche
Überwinden
von jeglichem Rassismus. Denn Rassismus ist nichts als die Folge einer
langen Geschichte von Unrecht, Propaganda und politischen Machtspielen.
“Colour is only skindeep” und Rasta ist sich bewußt, daß es
schlechte schwarze und gute weiße Menschen gibt. Es geht ihnen um
mehr, als um Hautpigmente, es geht ihnen um Gerechtigkeit. Der Thron,
das
Babylon System, die Übermachstellung der Weißen ruht auf dem
Rücken unzähliger ausgebeuteter Völker und Individuen
und
muß gestürzt werden. Denn alle Menschen sind von JAH
geschaffen
und sind folglich alle gleich und bei jeder Hautfarbe gibt es gute und
schlechte Menschen. 

Babylon steht
in Jamaika als Synonym für die unterdrückerische, korrupte
Polizei,
Rasta faßt die Definition weiter: Babylon beinhaltet die Staats-
und Kirchenstrukturen der westlichen Mächte, die ihre Tentakeln
überall
in die Welt ausgestreckt haben. Babylon bezeichnet die historische
Stadt
im Zweistromland, das alttestamentarische Symbol der gegen Gott
gerichteten
Mächte. Aus dem Neuen Testament (Offenbarung) wird gelesen,
daß
diese ungöttlichen Kräfte von Rom, genauer vom Vatikan,
fortgeführt
werden. Die Römer kämpften gegen die afrikanische
Königin
Dido, gegen Karthago und Hannibal. Die Römer verfolgten glaubende
Christen und waren es nicht die Römer, die Christus hinrichten
ließen?
Sie zerstörten durch die Einführung des monetären
Systems,
einer Währung, das alte Handelssystem des Tauschens. Denn ein
Geldsystem
gibt einer Regierung die zentrale Kontrolle über und den
unbegrenzten
Zugang zu den materiellen Reichtümern eines Volkes, zum Nachteil
der
Menschen.

 


Der Turm zu Babel
Heutzutage besteht
das Römische / Babylonische Reich in Form der westlichen
Mächte
weiter. Diese Staaten benutzen das römische Ordnungssystem
(wissenschaftliche
Sprache, Alphabet, Kalender und Monatsnamen, metrisches System und
administrative
Strukturen, Expansionismus, Kolonialismus und die Unterdrückung
autochtoner
Kulturen). Zusammengefaßt ist Babylon der gesamte Komplex, der
zum
Ziel hat, schwarze und farbige Menschen in der ganzen Welt zu
versklaven
und unterdrücken. 

Kirche und Staat arbeiten
im Westen Hand in Hand gegen die Menschen. Während der Staat die
legislative,
judikative und exekutive Macht ausübt, sorgt die Kirche für
eine
nachhaltige Gehirnwäsche. Beide Institutionen sind voneinander
abhängig:
die Mächtigen, Reichen und Ausbeuter brauchen die Prediger, um die
verübten Ungerechtigkeiten zu erklären und rechtfertigen zu
lassen,
die Kirche erwartet im Gegenzug die materiellen Zuwendungen und
Vorteile,
die der Staat und die Wohlhabenden ihr freizügig zukommen lassen.
Der Zusammenschluß der beiden ist eine Konspiration mit dem Ziel
die Massen zu unterdrücken. Am meisten jedoch leiden die farbigen
Menschen weltweit, die die sekuläre Macht des (Neo-) Kolonialismus
und die destruktiven geistlichen Einflüsse der Missionare ertragen
müssen. 

Die aus dem Westen stammende
Religion wird von den Bredren abgelehnt. Diese Lehre wird als ein
Werkzeug
des Kolonialismus der Weißen mit dem Ziel der Versklavung der
Völker
der Welt gesehen. Die Geschichte lehrt: zuerst kommen die Missionare,
sie
bereiten den Weg für die landhungrigen Siedler,
Ramschhändler,
Sklavenjäger und Ausbeuter jeglicher Couleur. Missionare haben
durch
ihre Arbeit nicht nur eine rassistische Religion (weiß ist gut,
schwarz
ist schlecht) gebracht, ihr Einfluß unterminierte
funktionierende,
autochtone Strukturen, um die Etablierung der Kolonialordnung zu
erleichtern. 

Der Papst ist der Antichrist.
Er erkennt die Position von Selassie als zurückgekehrten Christus
nicht an. Denn dieses Eingeständnis würde in den
institutionalsierten
Kirchen eine Revolution auslösen und sie in ihren Grundfesten
erschüttern.
Rasta braucht keine Kirche, keine Gebäude, keine Institutionen,
keine
Prediger, die das Gehirn manipulieren. Rasta ist die Kirche, sein
Körper
der Tempel, sein Herz der Wohnsitz JAHs. Die Priester entfremden die
Menschen
von dieser, ihrer eigenen Spiritualität und führen sie weg
von
Selassie, dem irdischen Gott hin zu einem graubärtigen
Wolkenwesen.
Die Kirchen betreiben mit der Verehrung des an ein Kreuz genagelten
toten
Jesus und dem Versprechen des Paradieses nach dem Tod, einen Totenkult
und entfernen die Menschen vom wahren Leben des Hier und Jetzt in der
tatsächlichen
Existenz. Rasta wissen, daß die von den Kirchen betriebene
Religion
ein lukratives Unternehmen ist, viel zu profitabel, um es einfach zu
schließen.
Die Priester sind Geschäftsleute in Sache Seelen, sie
hypnotisieren
die Menschen, damit diese die Religion des weißen Mannes
annehmen.
Priester spielen ein Spiel mit dem Gottvertrauen der Gläubigen,
ein
Vertrauen, das von ihnen teuer bezahlt wird. 

An der vordersten Position
steht in diesem Unternehmen die Römisch Katholische Kirche mit
ihrem
Oberhaupt dem Papst, Herrscher von Rom, dem Zentrum Babylons und der
weißen
Rasse im weiteren Sinne. Die Katholiken sind weiße Kapitalisten,
die nicht davor zurückscheuen, mit den übelsten Regimes
zusammenzuarbeiten
– und dabei nicht das Interesse der Menschen vertreten. Die Katholiken
sind DAS Sinnbild des Versuches, den Völkern der Erde eine fremde
Kultur aufzudrücken, die für diese keine Vorteile aufweist.
Für
die Bredren ist der Papst mit seiner unendlichen Macht, die er gegen
die
Menschen mißbraucht, der prophezeite Antichrist. Er ist
verantwortlich
für die Jahrhunderte der Skaverei, für das Elend in Afrika,
er
ist der Kopf der Mafia, er leitet durch sein diplomatisches Geschick
den
Werdegang der westlichen Welt. 

 

Rasta läßt
sich von dieser Lehre nicht verleiten. Er weiß, daß H.I.M.
der König der Könige ist, der zurückgekehrte Messias, um
sein Urteil über die Menschen zu fällen. Er weiß es
aufgrund
seiner persönlichen Suche nach der Wahrheit, durch sein Studium
der
prophetischen Bibelpassagen, durch Reasonings (Gespräche) mit
anderen
Bredren und durch die Mediatation mithilfe des heiligen Krautes Ganja.
Er sieht sich als der auserwählte Bote dieses Wissens in einer
Welt,
die es zu retten gilt. 

Auch
wenn viele Bredren einmal
Mitglieder in einer Kirche waren (hptsl. Anglikaner und Katholiken),
gab
es in ihrem Leben irgendwann ein Erlebnis oder eine Erkenntnis, die zu
ihrer Konversion führten. Denn ein Mensch ist schon immer Rasta,
oft
muß das aber erst durch die Suche nach der Wahrheit, durch
Studien
oder Gespräche erkannt werden. 

Der Weg von Glauben der
konventionellen
Kirchen hin zum Wissen der Bredren ist eine radikale Veränderung
der
Weltanschauung und des Wertesystems des Einzelnen, es ist eine
Wiedergeburt
des Geistes. Es ist die Anerkennung, daß H.I.M. der 225.
Herrscher
der 3000 Jahre alten salomonischen Dynastie ist, in einer
ununterbrochenen
Linie seit Menelik I, dem Sohn der Königin von Saba und König
Salomo. Selassie ist die Wiedergeburt Christus, Jesus WAR, Selassie
IST.
Dies ist die logische Erfüllung dessen, was in der Heiligen
Schrift
geschrieben steht. Diese Wahrheit verlangt nach der vollständigen
Überzeugung des Einzelnen, nicht nur nach verbaler Bekenntnis,
sondern
nach einer kompletten Beugung vor Selassies Heiligkeit und nach der
Ablehnung
sämtlicher Idole und Verlockungen der westlichen Zivilisation.
Selassies
spirituelle Kraft lebt in allem, das Leben besitzt, sie lebt in den
Herzen
der Menschen, sogar in denen schlechter Menschen. Aus diesem Grund ist
jeder Mensch heilig, weil die Kraft des Schöpfers in ihm ist.
Diese
Kraft, der Geist, kann nicht ohne Materie, ohne Lebewesen existieren,
wie
der Gott der konventionellen Kirchen es tut, denn dann wäre er
nichts,
als ein Duppy (Geist). Jeder, der dies anerkennt, wird zu den
Auserwählten
gehören, die das Letzte Gericht des Armageddon überleben und
mit ewigem Leben beschenkt werden. Er wird von den Bredren als Rasta
gesehen.

Die Evolutionstheorie wird
als eine Machenschaft der westlichen Wissenschaften abgelehnt. Der
Mensch
soll vom Affen abstammen… Das wissenschaftliche System ist für
Rasta
ein System des Glaubens und Nichtwissens. Dabei muß man garnicht
danach suchen, von woher man stammt, denn, wenn man wahrhaftig
wäre,
wüßte man es: Der Mensch ist die Welt und die Welt ist der
Mensch.
Der Mensch ist die Schöpfung, er erschafft und hat das Schicksal
der
Welt in seiner Hand. 

 

Der Mensch ist
eins mit Gott, Rasta ist eins mit H.I.M., denn JAH ist in jedem
Menschen.
Jedoch muß es einen Menschen geben, der für die
Schöpfung
der Welt und der anderen Menschen verantwortlich ist: the Most High Ras
Tafari. H.I.M. ist Gott, nicht der von den Kirchen in den Wolken
lebende
Duppy, den man nach seinem Tod trifft. Der Mensch kann nur einen
anderen
Menschen als Gott haben, denn wurde er nicht nach dessen Ebenbild
geschaffen?

< Gott als Duppy
in den Wolken

Das Leben ist ein
ununterbrochenes
Kontinuum, eine Kraft, die immer da war und immer da sein wird. Und in
dieser Kraft wird der rechtschaffene Mensch ewig leben. Er
übersteigt
eine reine körperliche Existenz, er lebt in der Sphäre einer
kreativen Macht in der die Liebe für das Leben und das Leben
für
die Liebe zählt. Der Tod ist der Preis für begangene
Sünden,
er trifft diejenigen, die gegen die Kräfte des Lebens
kämpfen.
Der Tod wir von den Bredren gemieden. Denn nur schlechte Menschen
können
sterben. Beerdigungen werden um keinen Preis besucht, über den Tod
wird nicht gesprochen. Die Vorstellung, daß ein Mensch sterben
muß,
um Gott zu sehen, wird völlig abgelehnt. Der Tod und das Leben
danach
sind eine Doktrin der konventionellen Kirchen, um die Menschen vom
erleben
ihres Lebens abzulenken und ihnen zum Trost spätere, güldene
Zeiten zu versprechen. Gott ist für die Lebenden und nicht
für
die Toten. 

An die Stelle von Tod und
Auferstehung tritt das afrikanische Konzept der Wiedergeburt, die Ahnen
kehren in ihren Nachkommen zurück (meist zwei Generationen
später).
Das Leben ist eine sich immer weiter wiederholende Wiedergeburt einer
und
derselben weiterbestehenden Person über viele Generationen. So
werden
Selassie, Jesus, Salomon, David, Moses und Aaron als dieselbe Person
gesehen.
Durch die biblische Geschichte hat es 72 Reinkarnationen Gottes
gegeben,
von denen Selassie die 72. und letzte ist. 

Die Natur ist eine
mächtige
und dynamische Kraft in der Welt, sie ist stärker als der Mensch,
es ist die Kraft JAHs. Wenn der Mensch die Kräfte der Natur
mißbraucht,
wird er Leid über die Erde bringen. Der Westen hat schon lange
damit
begonnen, was die Bredren als eine systematische Zerstörung der
Naturkräfte
sehen (Kernenergie, Klonen von Lebewesen, Synthetisierung von
Stoffen…).
Babylon hat sich von den wahren Lebenskräften abgewandt und
huldigt
jeder Art von Künstlichkeit. Die westliche Perspektive durch die
Brille
von Wissenschaft und Technologie wird ihnen niemals echtes Wissen
liefern.
Rasta lebt mit der Natur, er sehnt sich danach, ein Stück Land zu
kultivieren. Die Bredren fühlen die Kraft, für sie ist die
Erde
die Mutter und ist eins mit der Natur, zusammengenommen sind sie JAH.
Niemand
darf die Erde besitzen, Land(ver)käufe und Landbesitz werde
abgelehnt,
denn jedem sollte soviel Land zustehen, wie er für seine
Ernährung
braucht. 

Der Wunsch von Rasta ist,
zum traditionellen Leben seiner Vorväter zurückzukehren, zu
einer
Kultur, in der Afrikaner (und mit “Afrikaner” bezeichnet Rasta jeden
Schwarzen,
egal, wo er auf dem Planeten lebt) stolz und mächtig sind. Die
vielzitierte
Behauptung, daß Afrika vor dem Eindringen der Weißen ein
religions-
und zivilisationsloser Kontinent war, ist eine Lüge. Afrika hat
die
erste Zivilisation hervorgebracht. in Äthiopien wurde der erste
christliche
Staat gegründet und auf dem Kontinent gab es die ersten
Königreiche
und Regierungen. Afrika ist ein alter Kontinent, Europa ist dagegen ein
Jugendlicher und Amerika ein Kleinkind. 

Für das traditionelle
Leben der Bredren stehen drei Symbole: unbehandelte Haare (Dreadlocks
und
Bart), Ganja (das heilige Kraut Cannabis) und I-tal food
(natürliches
Essen). 

Die Dreadlocks und der Bart
stammen aus der alten Zeit, bevor die Römer mit Rasiermesser und
Schere
kamen. Im biblischen Buch Leviticus, Vers 19 steht, daß man weder
die Haare, noch den Bart schneiden soll. Salomon und Jesus und auch der
junge Ras Tafari hatten Dreadlocks. In Afrika gibt es bis heute
Völker,
die ihre Haare in dieser Art tragen und die Dreadlocks werden mit der
Mähne
des männlichen Löwen gleichgesetzt. Ferner vergleichen die
Bredren
ihre Haare und Bärte mit dem grünen, früchtetragenden
Baum
im Gegensatz zum abgestorbenen Baum ohne Blätter,
repräsentativ
für die Menschen, die kurze Haare tragen. 

 

Ganja wird von
Rasta mit unzähligen Namen belegt, die alle eins gemeinsam haben:
den positiven Effekt auszudrücken, den jemand erlebt, wenn er
Cannabis
raucht. Es ist allerdings keine Doktrin Ganja zu rauchen, um als
Bredren
akzeptiert zu sein. Wenn eine Pfeife oder ein Joint angezündet
werden,
geht dies mit Gebeten einher, denn Ganja ist das heilige Kraut. Rauchen
ist die reinste, intensivste und natürlichste Form der
Kommunikation
mit JAH. Während die Katholiken Räucherwerk in ihren Kirchen
v erbrennen, entzündet Rasta Ganja in seinem Tempel, dem eigenen
Körper.
Cannabis ist Teil seiner Religiosität. 

Die westlichen Mächte
stehen in Opposition zu Cannabis, weil der Raucher es lernt, zwischen
den
Zeilen zu lesen, quer zu denken, nachzudenken und die Gehirnwäsche
des Systems zu revidieren. Das Individuum beginnt zu denken, es wird
sich
der tatsächlichen Fakten bewußt durch eine in
Nüchternheit
nicht zu erreichende Tiefe der Erkenntnis. Der Einzelne beginnt sich
Gleichgesinnten
mitzuteilen und es entwickeln sich Gespräche in einer ungeheueren
Intensität. Die letzte Stufe ist die Meditation über das
Erfahrene,
das Resumeeziehen aus den erfahrenen Lebensmomenten, der Mensch beginnt
zu wissen. 

 

Spätestens
zu diesem Zeitpunkt sieht der Raucher (nicht der Dröhner) die
Fehler
des Systems und beginnt, es abzulehnen, Alternativen zu entwickeln, den
Machtstrukturen und den Schleudergängen der Gehirnwäsche zu
entgehen.
So etwas ist von keinem Staat, von keiner Gesellschaft gewünscht,
denn deren Ziel ist die Kontrolle über das Individuum. Eine Gruppe
intelligenter, nachdenkender Randpersonen, die Prinzipien, Werte und
Normen
in Frage stellen, ist eine Bedrohung für die bestehende Ordnung.
In
diesem Sinne ist Cannabis tatsächlich als eine gefährliche
Droge
zu bezeichnen – gefährlich für das Establishment der
westlichen
Gesellschaft. 

Ganja
wird von Rasta als
die natürliche Medizin angesehen, es würde den Rahmen
sprengen,
hier alle Heilzwecke aufzuführen. Daher nur die Bemerkung,
daß
das Kraut die Alternative zur destruktiven “weißen Medizin” ist.
Der Konsum von Cannabis löst keine Gewalttätigkeiten oder
Unruhen
aus, wie bspw. Alkohol, Heroin, Crack oder Kokain, sondern verhilft dem
Menschen zu innerer Ruhe und Konzentration. 

Die Eßgewohnheiten
von Rasta unterscheiden sich von denen des Westens. Man ißt nicht
gemeinsam zu gleicher Zeit an einem Tisch, sondern ein Bredren
ißt,
wenn er die Gelegenheit dazu hat. Essen hat einen anderen Stellenwert
in
einer Gesellschaft, in der die nächste Mahlzeit nie die
Gewißheit
ist, wie es in den wohlhabenderen Ländern der Fall ist. In einer
Rastakommune
trägt jeder seinen Teil zu dem einzigen täglichen Mahl bei.
Einer
geht Lebensmittel organisieren (auf dem Feld, auf dem Markt, im Tausch
mit Nachbarn…), der Nächste reinigt das Herbeigebrachte und ein
anderer kocht die Mahlzeit. Was gekocht und wie gekocht wird,
unterliegt
einer strengen Doktrin. Mutter Erde gibt in ihrer unverdorbenen Natur
aureichend
Lebensmittel her. Erst die westliche Zivilisation, beginnend mit
Babylon,
über Rom bis hin zu den heutigen westlichen Mächten, begann
mit
dem Schlachten von Tieren zu Nahrungszwecken. Dieses
Blutvergießen
wird abgelehnt, denn auch Tiere sind Geschöpfe JAHs und man soll
keine
Grausamkeiten gegen sie begehen. Dazu kommt, daß dem Genuß
von Fleisch schlechte Eigenschaften (Unreinheit, Lüsternheit,
Aggressivität)
zugeschrieben werden. 

Rasta geht den
Weg der alten
Zeit. Gegessen werden nur pflanzliche Produkte (mit der Ausnahme von
Fisch,
der eine Sonderstellung als Proteinquelle innehat). Viele Rasta
arbeiten
als Fischer und einige essen Fisch, bitten JAH aber mit jedem Mahl um
Vergebung
für die Übertretung der strikten Regeln). Weiterverarbeitete
Lebensmittel (Öl, Butter, Zucker, Brühwürfel, Mehl…)
werden
gemieden. Die für die Mahlzeiten benötigten Zutaten werden
möglichst
selbst hergestellt (Öl aus Kokosnüssen, Brühe aus
eingekochten
Gemüsen, Zuckerrohrsaft, Melasse anstelle von Zucker). Salz wird,
wenn überhaupt, nur in sehr geringen Mengen verwendet. Anstelle
dessen
werden die Speisen mit Chilis, Gewürzen und Kräutern
schmackhaft
gemacht. Bemerkenswert ist, daß ein orthodoxer Rasta nur eine
Mahlzeit
von einem anderen Rasta akzeptieren wird, andere Gerichte wären
unrein.
Menstruierende Frauen gelten als ebenso unrein und sind während
ihrer
Regel von der Zubereitung von Speisen ausgeschlossen.

Rasta macht einen großen Unterschied
zwischen “glauben” (dem Glauben, wie er in den etablierten Kirchen
gepredigt wird) und “wissen” (dem Überwinden von
äußerlicher Manipulation und Betrug durch selbsterfahrenes
Wissen). Den Predigten der Pastoren wird nicht geglaubt, der Rasta
forscht persönlich und muß die tiefsten religiösen
Geheimnisse selbst ergründen und sie seinem Wissensschatz
zuordnen. Denn “glauben” beinhaltet Zweifel, ist nicht definitiv,
während “wissen” eine nahezu hundertprozentige Gewißheit
bedeutet.




Während viele
Menschen über Gott in der Kirche lernen und dann an das Erlernte
glauben, weiß Rasta, daß JAH in ihm ist. Dieser Fakt
muß allerdings vom Individuum erkannt werden, um wirksam zu
werden. Diejenigen jedoch, die diese Wahrheit erkannt haben, brauchen
keine Kirche, um Gott zu finden. Gott war und ist ein Mensch, eine
Tatsache, die von den Kirchen mit ihren Lehren verleugnet wird.

Umgeben von einer zumeist
feindlichen Welt im Exil auf Jamaika, kehrt sich das Auge von Rasta
nach innen. Dort sehen sie die Nähe zu H.I.M., sie wissen, in
ihrem
Inneren ist die Quelle ihrer Weisheit. Nur aus dem Inneren heraus kann
man mit der Macht der Positivität das Externe verändern.
Deshalb ist es
wichtig, daß der Mensch sich und seine inneren Kräfte
erkennt und
kennt: “you must know yourself”.

Das Erkennen der Wahrheit ist wichtig: die
Konformität des Bewußtseins mit der externen Realität,
nicht das Diktat irgendwelcher Autoritäten. Nach dieser Erkenntnis
muß man leben oder man wird vom Leben überrollt. Da jedoch
auf der Welt viel Ignoranz herrscht, sehen Rasta es als eine ihrer
Aufgaben, diese Ansicht unter den Unwissenden zu etablieren. Wahrheit
wird mit der Kraft des Wortes verbreitet. Wie die Wahrheit, ist das
Wort dynamisch und kraftvoll, eine mächtige Waffe für
denjenigen, der es gut anzuwenden weiß. Das Wort kann kreieren
und es kann zerstören, es ist mächtiger als Waffengewalt.
Rasta werden Babylon nicht mit Bomben und Gewehren, sondern mit Wort,
Klang und Kraft (Word, Sound and Power) zerstören. Das Wort
offenbart das Innerste eines Menschen, das Wort ist die Macht JAHs, die
sich auf Erden in den Herzen der Menschen manifestiert. Die Sprache ist
eine Inkarnation JAHs und der Mensch soll diese mächtige Waffe
vorsichtig nutzen.




Ausbildung und
Neues zu erlernen sind für Rasta extrem wichtig. Nicht die
formelle, traditionelle Bildung, die als Gehirnwäsche abgelehnt
wird, sondern ein erfahrungsorientiertes Lernen wird angestrebt. Denn
lernen kann man nicht nur in der Schule, sondern genauso auf der
Straße, durch lesen, Inspirationen, Gespräche, Diskussionen
oder bei Reasonings. Der Fokus liegt dabei auf der Eigeninitiative, das
eigene Leben ist die Fakultät, der Kopf lernt, um die Ignoranz und
vorhandenes Wissen zu ergänzen. Wie wichtig Wissen und Bildung
für Rasta sind, zeigt der Begriff “overstanding”, der das Wort
“understanding” ersetzt und die Perspektive des Rastawissens
unterstreicht.




Der
Meinungsaustausch, das “Reasoning” ist ein Kernbestandteil der
Rastakultur. Mit Konzentration, Disziplin und Expertise werden
beliebige Lebensaspekte diskutiert. Jeder Anwesende, dem danach ist,
kommt zu Wort, ohne Begrenzungen im Zeitlimit, in der Themenwahl oder
im Stil. In einem Reasoning werden eigens Worte und Symbole kreiert, es
ist eine lange Diskussion, gefolgt von einer nüchternen Analyse.
Ganja wird zur persönlichen Inspiration und für einen
besseren Fluß des Reasonings geraucht, die Kraft des Wortes wird
genutzt, um sich und die Welt zu erneuern, zu rekreieren und zu
regenerieren.


Das Wissen von Rasta, bspw.
daß die Tage von Babylon gezählt sind und es nur noch eine
Frage des
Wann und nicht des Ob ist, bis die afrikanische Kultur ihre ihr
zustehende Rolle auf der Weltbühne spielt, läßt die
Bredren sehr
gelassen mit ihrer Umwelt und der ablaufenden Zeit umgehen. Stundenlage
Meditation, nächtelange Reasonings, tagelange harte Arbeit
für einen
Hungerlohn, all das zeigt den gelassenen Umgang von Ratsa mit der Zeit,
denn er weiß, daß die Tage des Elends gezählt sind und
daß er nur noch
etwas Geduld aufbringen muß bis er in Zion ein neues Leben
führen kann.
Zeit hat eine andere Bedeutung für Rasta im Gegensatz zu
Babyloniern.
In einer Welt, in der die meisten Menschen hetzen und hinter ihren
Zielen herlaufen, kehrt der Bredren sich nach innen und kümmert
sich
nicht weiter um seine hektische Umwelt.

Die Erwartung besserer Tage, ihre
Zeitlosigkeit, sowie eine große Portion Geduld lassen die Bredren
das Leid in den Gettos Jamaikas überhaupt ertragen. Das Leid
prüft sie, es zeigt ihnen, wer sie sind, es ist gekommen als die
Buße für die Verfehlungen ihrer Vorfahren. Nur die armen
Leute, die “sufferers”, sehen, erkennen und verstehen JAH, die Reichen
sind dafür viel zu beschätigt mit Geldscheffeln und den
Sorgen darum, daß ihnen jemand ihren Reichtum streitig machen und
wegnehmen kann. Dieses Leid ist ein Teil der Allianz mit H.I.M. und
wird erst mit der Repatriierung nach Afrika enden. Wenn es an JAHs Zeit
ist, kommt die Erlösung, dann wird Er mit den Dreads ins
afrikanische Zion, nach Äthiopien, zurückkehren, dorthin, wo
ewiges Leben wartet. Diese Erlösung wird nur zu den
Rechtschaffenen kommen, denn Geld kann kein Ticket nach Zion kaufen.
Und Rechtschaffenheit bedeutet für Rasta Essen für die
Hungrigen, Pflege für die Kranken, Respekt für die Alten,
Aufmerksamkeit für die Kinder, Häuser für die
Obdachlosen und Kleidung für die Nackten. Allesamt Werte, die im
System Babylons vernachlässigt werden.




Ohne
grundsätzlich rassistisch zu sein, tritt Rasta dafür ein,
daß jedes Volk zu seinem angestammten Platz zurückkehren
soll (everyone under his own figtree), Europäer nach Europa,
Asiaten nach Asien, Afrikaner nach Afrika. Wenn alle Menschen wieder an
ihrem Ursprungsort sind, beginnt eine Periode des universellen
Friedens. Aber die Bredren wissen, daß es noch dauern wird, denn
der Mensch fliegt lieber zum Mond, als JAH in sich zu finden, anstelle
die Erlösung zu suchen, hat er vergessen, daß der Turm zu
Babel fallen muß.




Rasta hält die
zehn Gebote der Bibel so strikt wie möglich ein, genauso wie er
die weltlichen Gesetze weitgehend befolgt. Auf Jamaika kommen die
Bredren mit den Rechtsbehörden außer durch Ganjafälle
nicht in Berührung. Sicherlich werden viele Verbrechen von
Dreadlocks begangen, was immer wieder zu einer Diskreditierung von
Rasta führt, aber diese Menschen sind nun mal nicht Rasta.
Straßenkriminalität und kleine Delikte werden von den
Bredren verurteilt, aber die Ablehnung der herrschenden
bürgerlichen Moral führt auch zu Solidarität mit
Kleinkriminellen. Sie können von Rasta aufgenommen werden, wenn
sie ihre Delikte bereuen und durch Taten und Lebensstil nachweisen,
daß sie zu Rasta konvertiert sind. Diese Toleranz kommt aus der
Erkenntnis, daß die Lebensbedingungen auf der Insel sehr hart
sind und die Armen völlig unterdrückt werden, daß es
oft überhaupt keine Alternative zum Überleben als durch
Kleinkriminalität gibt, daß beide, Bredrens und
Kleinkriminelle Opfer der Pflanzergesellschaft sind.


Die Bredren lehnen
Doppelmoral, Heuchlerei, Tricksereien und Betrug durch Individuen und
durch die Funktionsträger der Gesellschaft, genauso wie eine
Moral, die
die Schlechtigkeit der jamaikanischen Gesellschaft rechtfertigen soll,
strikt ab.


Ein
Grundprinzip des
Wertesystem von Rasta ist, daß alle Menschen gleich sind. Diese
Gleichheit existiert in der gegebenen Gesellschaft nicht und wird erst
durch die Zerstörung Babylons und das Kommen des Königreichs
Zion
hergestellt werden: “equality and justice stand for all”.

Ein
weiteres Prinzip ist die Liebe. Die Menschen müssen lernen, sich
zu lieben, denn Liebe ist der Schüssel, die Substanz von
Güte. Liebe ist fundamental, sie ist die kreative Kraft in der
Welt und im Menschen. Folglich hat Rasta nicht im Geringsten etwas mit
der unendlichen Gewalt in den jamaikanischen Gettos zu tun. Er will mit
Gewalt, Politik und dem System nichts zu tun haben, sein Ziel ist
ausschließlich die Repatriierung nach Afrika. Eine Revolution in
Jamaika zur Veränderung der miserablen Lebenszustände zu
kämpfen, lehnt er ab. Es gibt keine Gewaltbereitschaft, Jamaika
ist nicht sein Land und es gibt keinen Auftrag von H.I.M.. Das Wort
“Revolution” wird zwar häufig von den Bredren gebraucht, gemeint
ist damit aber ein spiritueller Kampf, eine Veränderung im Herzen
der Menschen und in deren Ansicht. Rasta sieht sich selbst als einen
Revolutionär der Gedanken. Es gibt für ihn nur einen einzigen
Grund, eventuell gewalttätig zu kämpfen: um die Repatriierung
nach Afrika zu erlangen. Wenn jedoch die Tage des Armageddon kommen,
wenn der König seine Krieger ruft, um den letzten Kampf zu
kämpfen, werden die Bredren bereit sein, die Hölle zu
bekämpfen und das gerechte Urteil über die Menschheit zu
vollstrecken. In diesem Krieg wird allerdings nicht mit Waffengewalt
gekämpft, sondern mit der Urgewalt von Rasta: dem Wort.




Die Bredren sind
überzeugt davon, daß wir in den Tagen des Letzten Gerichts
leben und sie sind, gestützt durch ihr volles Vertrauen in JAH,
sicher, daß sie die Auserwählten sind. Auf alle anderen
Menschen wartet das gleiche Schicksal, wie es damals den Einwohnern von
Sodom und Gomorrah erging. Das zu erwartende Gottesurteil ist
gleichbedeutend mit dem Krieg des Armageddon, in dem die bösen
Mächte sich zum letzten Mal zu behaupten versuchen und
endgültig vernichtet werden. Der oberste Richter ist JAH, der sein
Urteil über die Menschen fällen wird, das trotz der
schrecklichen Taten menschlich sein wird. Rasta glauben stark an die
Gemeinschaftssünde und daß die vergeltung dafür auf
ganze soziale Systeme angewendet werden muß (z.B. müssen der
gesamte Commonwealth oder das Römische Reich – die westlichen
Industriestaaten – untergehen, auch wenn es gute, unschuldige
Individuen darunter gibt). Trotz der Milde wird es keine Gnade geben,
denn der Mensch ist der Urheber seines eigenen Schicksals, in einer
Welt, die kurz vor der Zerstörung steht. Jeder Mensch wird
bekommen, was er durch seine Taten verdient hat und keine Beziehung,
keine Organisation, kein Status, kein Besitztum wird ihm helfen
können. Jeder wird seinen Taten nach beurteilt werden, jeder
Babylonier, jeder Rasta und jeder Dreadlock, der sich hinter seiner
Haarpracht verstecken will. Es wird eine universelle Auslese sein,
jeder wird entlarvt und nur wenige, die “fittest of the fittest” werden
das Urteil, “blood and fire, earthquake, lightning and thunder”,
überleben. Die Vollstreckung des Urteils obliegt weder JAH noch
den Bredrens oder irgendwelchen Menschen, sondern den Kräften der
Natur. Ein weltumfassendes Feuer wird alles vernichten, was nicht
vorher, wie Rasta, schon durch eine Feuertaufe gegangen ist.




Für Rasta
bedeutet der Armageddon die spirituelle Heimkehr nach Zion, in ihre
tatsächliche Heimat Afrika. Jamaika wird für sie immer nur
ein Stück fremder Boden in der westlichen Hemisphäre sein, wo
sie ausgebeutet, unterdrückt und als die Freaks der Gesellschaft
angesehen werden. Trotz der natürlichen Schönheit der Insel
lehnen die Bredren Jamaika und die Gesellschaft mit ihren
gesellschaftlichen Institutionen ab und isolieren sich freiwillig.
Für sie wird aus Jamaika “Jamdown”. Die Insel ist für sie
nichts als ein Gefängnis, ehemals besiedelt worden von
europäischen Revolutionären, Kriminellen und anderen
unerwünschten Elementen und dann aufgefüllt mit Sklaven aus
Afrika. Auf Jamaika herrscht eine Gesellschaft der Ungerechtigkeit,
aber eine Revolution liegt den Bredren trotz der üblen
Zustände fern. Ihre Vorstellung von Veränderung ist
drastischer: sie wollen die Repatriierung nach Afrika. So ist ihr
Heimatkontinent ihr Lebensfokus, denn “who would give up a continent
for an island”? Jedes noch so kleine Fragment an Information über
Afrika wird von Rasta aufgenommen und nicht vergessen.



Afrika ist
Abessinien/Äthiopien, erst der weiße Mann hat es im Wahn des
Kolonialismus in einzelne Länder aufgesplittert. Äthiopien
war nie kolonialisiert, was ein wichtiger Aspekt für die Befreiung
des Kontinents “Äthiopien” ist. in diesem Land herrscht das
älteste Königsgeschlecht der Welt, begonnen mit der
Königin von Saba mit ihrem von König Salomon gezeugten Sohn
Banya Lekhem bis hin zu H.i.M., Ras Tafari I. Afrika ist der Kontinent
der biblischen Geschichte, Westasien gehörte in der Vorstellung
von Rasta dazu, erst eine große Naturkatastrophe hat das Rote
Meer entstehen lassen und babylonische Menschenhand hat die Abtrennung
durch den Suezkanal komplettiert.

Äthiopien ist
das biblische Zion und die Bredren kennen viele Bibelpassagen, aus
denen die besondere Bedeutung des Landes hervorgeht. Der Krieg im Nahen
Osten ist für sie nichts anderes als der dumme Versuch sogenannter
Juden, ihr untergegangenes Zion wieder zu etablieren. Aber Zion ist das
Paradies auf Erden und ist deckungsgleich mit Äthiopien. Der
Mensch muß leben und nicht erst sterben, um im Paradies leben zu
können.




Afrika ist
Äthiopien und dorthin sollen alle Rechtschaffenen streben, egal
welcher Herkunft und welcher Hautfarbe, um dem Kontinent aus seiner
Misere der Unterentwicklung zu helfen, für die Sklaverei und
Kolonialismus verantwortlich sind. Menschen und Bodenschätze
wurden für Jahrhunderte aus dem Kontinent geraubt und führten
zum Aufblühen des Westens und zu den ärmlichen Zuständen
im Mutterkontinent.




Für eine
Repatriierung nach Afrika und die Entwicklung des Kontinents eignet
sich Rasta die notwendigen Fähigkeiten, als Farmer, Fischer,
Handwerker und Bauarbeiter, mit großem Elan an. Die Entwicklung
Afrikas soll nach einem eigenen, afrikanischen Plan ablaufen und nicht
westlichen Modellen, die eh immer wieder fehlschlagen, folgen.
Angestrebt wird eine Art des Sozialismus nach dem Motto “all for one
and one for all”.




Die Repatriierung
ist für die Bredren kein Traum, sondern ein Muß. Weg von
Unterdrückung und Ausbeutung hin zu einem selbstbestimmten Leben
nach den Sitten ihrer afrikanischen Wurzeln. Ein wichtiger Aspekt dabei
ist, daß Rasta als Gleichberechtigte akzeptiert werden wollen,
als Nachkommen ihrer verschleppten Vorfahren und nicht als bittende
Immigranten in ihr Gelobtes Land einkehren können. Die Bredren
sind überzeugt, daß die Repatriierung ein von der
jamaikanischen Regierung gesteuerter Prozeß sein muß,
obwohl sie die politik grundsätzlich ablehnen. Aber, trotz
mehrfacher Kontakte mit der Regierung Jamaikas und vorliegender
Empfehlung von der University of the West Indies, ist noch kein
konkreter Schritt in diese Richtung getan worden. Eine massive
Heimführung ist einfach nicht im Interesse der Politiker und so
wird das Vorhaben von deren Seite verschleppt. Was wird passieren, wenn
Rasta das Vorbild sind und alle afrikastämmigen Jamaikaner
repatriiert werden wollen? Die Insel, die zu 85 Prozent von
afrikastämmigen Menschen bevölkert wird, wäre
plötzlich leer und alles dort in seiner Existenz bedroht. Die
Hoffnung der Bredren besteht darin, daß die Heimkehr ein von JAH
gesteuerter Erlösungsprozeß ist und stattfinden wird.




In Jamaika ist
Rasta von der Gesellschaft ausgeschlossen, er ist der “Nigger” der
Insel, von der Politik in seinen Zielen verlassen, unterdrückt von
Gesetzen und von den Schlagstöcken der Polizei maltraitiert.
Obwohl sie geborene Jamaikaner sind, fühlen sie sich behandelt,
wie böswillige Außerirdische und sehen für sich selbst
weder einen Platz, noch eine Zukunft auf dem “rock”, dem Felsen
Jamaika. Diese Rolle des gesellschaftlichen “underdog” zieht sich durch
die siebzigjährige Geschichte von Rasta und der Grund ist nicht
nur die Angst der Gesellschaft vor dem Anderssein, sondern die
Verallgemeinerung, daß die Bredren Kriminelle sind, nur weil
einige Männer mit Bart und Dreads Verbrechen verübt haben.
Hinzu kommt, daß die Gesellschaft nur eine bestimmte Dosis
“consciousness” verträgt, bevor sie zusammenbricht und davor
schützt sie sich.


Die Bredren
erwarten von der Gesellschaft das Schlimmste und zeigen trotzdem
erstaunlich wenig Bitterkeit, sie wollen einfach nur heim nach Zion.
Sie halten sich aus Politik und Gesellschaft raus. Politik ist
schmutzig und niemand, der sich auf diesem Feld betätigt, kann
rechtschaffen sein oder bleiben. Sie sehen für sich die Theokratie
unter der Leitung von H.I.M. als den einzigen Weg.  Denn
Demkokratie auf Jamaika löst keine Probleme, es sind 5 Jahre (die
Wahlperiode) “sufferation” bis zur nächsten Wahl und ihrem “tribal
war”, dem meist sehr blutigen Wahlkampf. Dann beginnt es von Neuem.




Rasta hat die
einengende Lehre und die Konzepte der traditionellen Christenheit
zerstört und für sich und die Welt eine neue Vison
geschaffen: Gott ist ein Mensch, das Paradies ist nicht im Himmel,
sondern auf der Erde – Afrika, Äthiopien. Sie haben sich mit
Sprache und Wortgewalt vom Joch der sie unterdrückenden
Minderwertigkeit befreit und mit ihrem naturverbundenen Lebensstil dem
westlichen Konsumrausch Lebewohl gesagt. Und obwohl H.I.M. am 27.
August 1975 gestorben ist, sagen sie, daß JAH nicht gestorben
ist, wie kann JAH sterben? JAh lebt seit über 2000 Jahren, er lebt
in den Herzen der rechtschaffenen Menschen, in den Herzen der Bredren.

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