Mensch, wie die Zeit vergeht.
Wenn ich bedenke, daß ich jetzt schon eine Dekade für und über
die deutsche Reggaeszene schreibe, kann ich es kaum glauben. Aber es stimmt,
wenn auch das Motto “10 Jahre RootZ.net” nicht ganz zutreffend ist.
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Denn
erst ab Februar 2000 läuft das Magazin unter dem Namen RootZ.net.
Zuvor hieß das Magazin I R I E – das Reggae Magazin, bevor ein hirnverbrannter
Babylonier meinte, der Begriff “irie” gehöre ihm, er ein Patent auf
den Namen anmeldete und mir untersagte, I R I E weiterzubenutzen. Für
diejenigen, die das Thema interessiert, hier
ist die Story.
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Naja, auch von solchen Leute
gibts in der Reggaeszene einige, sich auf den Train schwingend, um unter
meist positiv denkenden Menschen ihr Unwesen zu treiben. Glücklicherweise
habe ich im Rahmen meines Magazins zumeist sehr nette Menschen getroffen,
die ihre Zeit, ihr Wissen und z.T. sogar ihre Kohle zur Verfügung
gestellt haben, um ein deutschsprachiges Reggaeangebot im Internet immer
attraktiver zu machen. Bevor ich hier anfange, die Namen aufzulisten und
am Ende noch Gefahr laufe, irgendwen zu vergessen, möchte ich allen
pauschal meinen herzlichen Dank aussprechen und denke, daß sich die
richtigen Leute angesprochen fühlen. Ohne Euch wäre RootZ.net
niemals soweit gekommen, wo es heute steht.
Aber auch externe Kräfte
haben ihren Teil zum Gelingen des Magazins beigetragen, denn ohne Kooperationen
mit Konzertveranstaltern, Plattenfirmen, Promotern, Musikern und anderen
Medien wäre das Erstellen eines ineressanten Contents nicht machbar
gewesen.
In
diesem Rahmen möchte ich dem Summerjam- Veranstalter Contour-Music
für zahlreiche Konzertveranstaltungen danken, auch wenn die Zusammenarbeit
nicht frei von Kontroversen ist. Und natürlich geht ein risiges Dankeschön
an die Veranstalter des Chiemsee
Reggae Summers, die nicht nur ein ebenbürtiges Festival zum Summerjam
in wunderschöner Umgebung bieten, sondern für RootZ.net eine
vitale Rolle spielen, denn sie finanzieren den Internetauftritt des Magazins,
seitdem ich in Thailand lebe und mir aus Geldgründen diese Ausgaben
nicht mehr leisten konte.
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Weiterhin
ist noch das beste Reggaelabel der Welt – Greensleeves
– zu benennen, ich danke Euch für eine jahrelang anhaltende Vollbemusterung
mit feinsten Tunes, bevor eine Agentur die Versorgung der deutschen Szene
übernahm und der feine Fluß an Offbeatnoten ins Stocken geriet.
Aber auch andere Labels sollen nicht unerwähnt bleiben, Grover
Records, Germaican, Virgin/Frontline, VP
Records und unzählige Kleinlabels, die das Magazin mit ihren Produkten
versorgt und so zu einem breitgefächerten Angebot von Musikbesprechungen
beigetragen haben.
Als ich noch in Deutschland
lebte, was seit vier Jahren nicht mehr der Fall ist, gab es einfunktionierendes
Netzwerk von Leuten, die Interesse an einer lebendigen Reggaeszene in Deutschland
hatten und RootZ.net als eines der Vehikel dafür ansahen. Auch hier
möchte ich aus schon oben genanntem Grunde nicht anfangen, mit Namen
herumzuwerfen. Leider ist der Kontakt zum Gros der Leute eingeschlafen,
seit ich in Thailand wohne und daraus kann man einen Schluß ziehen:
Eine e-Mail ist kein funktionierender Ersatz für ein gutes Telefonat
oder gar ein persönliches Treffen. Trotzdem ein Danke dafür,
daß ihr an RootZ.net geglaubt habt.
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Im Laufe der vergangenen
zehn Jahre habe ich unzählige Musiker auf der Bühne gesehen und
natürlich gehört und mit einigen von ihnen auch über ihre
Musik gesprochen. Leute, ohne Euch wäre der bisher aufgezählte
Apparat, der die Reggaemaschine am laufen hält, garnix. Wenn ihr nicht
Eure Tunes und Lyrix liefern würdet, könnten wir alle einpacken.
Ein immenses “Big Up” an alle Singers und Players.
Mit anderen Medien konnte
ich zeitweise auch zusammenarbeiten und Reggaevibes verbreiten. Neben einigen
Reggaekooperationen im Allgemeinen ist erwähnenswert der Reprint meines
Interviews mit Manu Chao im August 2001, das die Süddeutsche Zeitung
in ihrer zeitdokumentarischen Reihe “Diskothek” über fünfzig
Jahre Musikgeschichte eingebaut hat.
Aber
das Highlight externer Kooperationen war sicherlich mein Besuch bei einem
alternden jedoch nichtsdestoweniger faszinierenden Lee Perry in seinem
Schweizer Domizil. Es ging darum, für VIVA Zwei Moderationen für
einen Special Reggae Day aufzuzeichnen. Ein Unterfangen, das einem Mr.
Perry mit seiner extro-/introvertierten Art nicht leicht gemacht hat. Sein
ganzer Schwyzer Reihenhausgarten war in einen Tempel verwandelt, der Gastgeber
in voller Regalia und in Form.
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Dann waren da noch jahrelang
Berichte über das Summerjam auf VIVA und VIVA Zwei, die ich produziert
habe und Features über ein paar Artists in den gleichen Medien. Mein
Engagement für Reggae bei den beiden Sendern wurde dadurch belohnt,
als ich im Jahre 2000 bei VIVA Zwei für zwei einstündige Sendungen
zu den Hintergründen von Reggae und den Rastafarians interviewt wurde.
Ich denke mal, daß das Medium TV es mir ermöglicht hat, einige
Leute zu erreichen und für Reggae zu interessieren, vielleicht sogar
zu begeistern und daher ein “JAH bless” an die Verantwortlichen für
diese Chancen.
Impressionen
der RootZ Crew
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Strukturell
war und ist RootZ.net leider völlig mit meiner Person verwoben. Ich
sage leider, weil ich das garnicht so prickelnd finde, denn das Magazin
steht und fällt mit mir und das ist eine echte Verantwortungsposition.
Mir wäre es lieber, wenn das alles auch laufen könnte, wenn ich
nicht da wäre, keine Lust mehr habe, zu wenig Zeit habe oder oder
oder. In den zehn Jahren haben mir echt viele Leute geholfen, das Magazin
zu gestalten, aber leider ist niemand über die Zeit geblieben oder
hat sich soweit eingebracht, daß ich meinen Part abtreten könnte,
aber vielleicht ist das auch zuviel verlangt für einen Job, der eher
Kohle kostet, als daß er je einen Cent einbringt. Denn RootZ.net
war bisher, mit Ausnahme von kleinen Sponsorings, völlig unkommerziell
und dadurch auch völlig unabhängig.
Begonnen habe ich I R I E
an meinem Schreibtisch im Frühsommer 1998, mit dem Gedanken, daß
ein deutschsprachiges Reggaemagazin für viele Leute, die mit Englisch
nicht so vertraut sind, ein guter Service wäre. Zu der Zeit gab es
aus Germanien nur die schon seit einigen Jahren länger existierende
Reggaenode, die ihr Angebot allerdings in Englisch verfaßte und redaktionell
neben Terminauflistungen – die allerdings sehr gut und up to date waren
– nicht viel zu bieten hatte und hat. Ein weiterer Anstoß ein Reggaemagazin
zu machenkam durch meine Erfahrung mit Rastafarians in Simbabwe. In der
Zeit von 1987 bis 1994 habe ich fast die Hälfte meiner Zeit in diesem
Land verbracht und hatte intensiven Kontakt mit den Bredren und habe dort
auch meine erste Frau kennengelernt, die mich zusätzlich in diese
Richtung pushte.
Wenn ich mir nach diesen
Jahren so ansehe, was ich derzeit veröffentlicht habe, bin ich froh,
daß der Mensch ein lernfähiges Wesen ist, denn das war nix Dolles,
aber schließlich wächst man an seinen Aufgaben und mittlerweile
ist das Angebot an Internetseiten ja doch ganz respektabel. Als dann die
erzwungene Umbenennung des Magazins und der “Umzug” zur Domain www.rootz.net
anstanden, hat der Urheber der Namenskontroverse bestimmt gehofft, die
Einstellung meiner Veröffentlichungen zu erreichen, denn der tatsächliche
Grund für die Kontroverse war nicht der Begrif “irie”, sondern die
kritische Berichterstattung, die ich über zwei Festivals veröffentlicht
hatte, für die der gleiche Mensch verantwortlich zeichnete. Uns, die
wir derzeit an dem Magazin arbeiteten, hat der Streit allerdings stärker
gemacht und wir wollten, dickköpfig wie wir waren, weitermachen. Ein
richtiger Schritt, denn seitdem ist RootZ.net kontinuierlich größer
geworden, was den Content und die Besuche der Site angeht.
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Was
an einem kleinen Schreibtisch begonnen wurde, erhielt nach einem Umzug
sogar für ca. zwei Jahre ein eigenes Büro, so richtig mit Netzwerk,
Telefon- und Faxanschluß etc., was ich aus Kostengründen allerdings
nicht lange durchhalten konnte. Das muß ja auch nicht sein, denn
seit 2002 gibt es für das Magazin nicht einmal einen Schreibtisch
mehr sondern nur noch ein virtuelles Büro – mein Notebook, auf dem
ich auch diese Zeilen schreibe. Seit diesem Jahr habe ich nämlich
in Germoney keine Bleibe mehr, denn ich bin in das Land meiner zweiten
Frau nach Thailand gezogen.
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Wenn
ich mal in D bin, dann ist mein Notebook der ständige Begleiter und
ich habe gelernt, an jedem Ort zu arbeiten und von wo es die technischen
Voraussetzungen gibt, die bearbeiteten Seiten ins www hochzuladen, damit
ihr, werte Leser, den neuen Content lesen könnt.
Highlights der zehn Jahre
Arbeit für die deutsche Reggaeszene gab es natürlich auch. Da
waren von 1999 bis 2003 Liveberichterstattungen
von den Summerjam Festivals, die Feiern zum 25-jährigen
Bestehen von Greensleeves, die Vorveröffentlichung von Teilen
meines Ganja-S.F.-Romans “Smoke
– der Ganjaplanet”, die Entdeckung eines weiteren Betätigungsfelds
für RootZ.net: die Entdeckung von Graffiti
und Street Art, die Entscheidung, mehr Consciousness
im Magazin einzubauen, einige Interviews mit Musikern und Sängern,
Jan
Delay / Denyo 77, Earl 16,
Prezident Brown, Lucky
Dube, Seeed, Gentleman,
Beenie
Man, Manu Chao, David
Rodigan oder
Hans Söllner,
Musikfeatures über Frontline
Records,
Jet Star Records,
der Abgesang auf den von MTV
geschluckten Sender VIVA und die noch nicht vollendete
Biographie
über Bob Marley.
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Als neuer Themenbereich
kam vor einem Jahr der Bereich Ökologie hinzu, nicht zuletzt dadurch,
daß ich vor einem knappen Jahr Vater eines Knabens namens Nesta geworden
bin und mich natürlich seither um die Zukunft mehr sorge, als zuvor.
Hierzu gibt es einen Bericht
und viele aus anderen Medien recycelte
Artikel.
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Zumeist hat die Arbeit für
RootZ.net Spaß gemacht, oft fehlte die nötige Zeit, um das Magazin
noch attraktiver zu machen oder öfter ein Update hochzuladen. Und
das Fehlen jeglichen Budgets für das Projekt hat die Sache natürlich
nicht erleichtert, aber ich stehe nach wie vor zu der Entscheidung, daß
lieber unabhängig geschrieben werden kann, als daß man sich
inhaltlich abhängig von Sponsoren macht. Was ganz klar fehlt, sind
mehr MitarbeiterInnen, die mir dabei helfen könnten, das Magazin szenenäher
und vielfältiger zu gestalten. Wenn man in Thailand
auf einer Farm sitzt und RootZ.net von dort aus gestaltet, fehlt doch
die Möglichkeit, wichtige Konzerte zu besuchen, Interviews mit guten
Musikern zu machen, Kontakte zu pflegen und neue zu machen und einfach
den vibe zu fühlen, auf den es bei Reggae schließlich ankommt.
Thailand selbst ist eine ziemlich reggaefreie Zone und diejenigen, die
sich hier mit diesem Sound beschäftigen, kratzen meist nur die Oberfläche
des Reggaeuniversums mit seiner tiefgehenden Philosophie und Message an.
Wie ich dieses Dilemma für
die Zukunft lösen soll, weiß ich noch nicht, aber vielleicht
melden sich ja doch noch ein paar Leute, die einfach aus Liebe zur Musik
ihre Zeit und ihr Knowhow zur Verfügung stellen. Eine Alternative
dazu wird sein, langsam vom aktuellen Charakter des Magazins abzudriften
und mehr auf die Hintergründe jamaikanischer Musikgeschichte und der
Rastafarians einzugehen, eine Aufgabe, die ich aus meinem gutbestückten
Archiv bewältigen kann. Time will tell.