Editorial von RootZ – den Reggaeseiten


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>>Editorial

 

Köln,
10. September Y2K1

Moin Leude, 

 

die Festivalsaison geht
für dieses Jahr langsam ihrem Ende entgegen, aber eines kann man jetzt
schon sagen: Reggaevibes big inna Germany deze times. Die schon stattgefundenen
Festivalveranstalter melden Rekordbesucherzahlen, die Musikindustrie hat
die letzten Monate soviele Reggaeproduktionen „made by the Krauts“ rausgebracht,
wie in der Vorzeit insgesamt. Die Kopfnicker gehen zum Skanken über
und D wird plötzlich von Musikern besucht, die vorher nicht mal wußten,
daß es hier eine Szene gibt. 

Jedoch ist nicht alles „sunshine
vibes“ und „irie feeling“. Viele Leute kapieren bisher nicht, worum es
sich bei Reggae eigentlich handelt. Daß dieser Sound ein Ausdrucksmittel
von Menschen ist, die 400 Jahre Unterdrückung, Sklaverei, Diskriminierung,
Gewalt, Entwurzelung, Verschleppung, Kolonialismus und Kapitalismus ertragen
- und besonders - verarbeiten müssen. Aus dieser Erfahrung wachsen
andere Werte, die mit unserer westlichen, dekadenten, arroganten, ausbeuterischen
auf Ego basierenden und teils pervertierten Kultur nicht viel gemeinsam
haben. 

 





Vielleicht fällt
es dem einen oder der anderen Reggaenovizen deswegen schwer, gewisse Standpunkte
der Reggaeakteure zu verstehen. Ich möchte mich hier aber garnicht
allzu sehr ereifern oder gar bemühen, solche Erfahrungen zu vermitteln,
denn um überhaupt einen Effekt erzielen zu können, muß
die Erfahrung selbst gemacht werden. Was ich jedoch mal versuchen möchte,
ist über ein paar Fragen das Nachdenken über den Komplex „400
Years“ zu vertiefen:

- Sind Deine Vorfahren aus
ihrer Heimat, aus ihrer Kultur, aus ihrem Sprachraum mit Gewalt verschleppt
worden, auf dem Transport zuhauf umgekommen, um dann am Ziel wie ein Stück
Vieh verschachert zu werden?

– Bist Du schon mal in einer
Gruppe Opfer des altrömischen Prinzips von „teile und herrsche“ (breddrin
against breddrin) gewesen?

- Hast Du schon mal Hunger
gehabt, ohne Aussicht, in nächster Zeit etwas zwischen die Kiemen
zu bekommen?

– Warst Du schon mal in der
Situation, Geld fürs Überleben zu brauchen, ohne die Chance,
welches zu verdienen, weil es einfach viel zu wenig Arbeitsmöglichkeiten
gibt. 

– Warst Du shon mal in einem
Gebiet, in dem Du für Kohle nix mehr kaufen kannst?

– Hast Du schon mal in einer
Siedlung gelebt, wo das Überleben die Zugehörigkeit zur richtigen
Gang voraussetzt und wo mensch sich nur mit Gewalt über Wasser halten
kann?

– Hast Du Dich mal intensiv
mit der Bibel auseinander gesetzt? 

– Kannst Du Dir vorstellen,
daß gerade die Bibel liebend gern als Instrumentarium für Gehirnwäsche
in der „neuen Welt“ eingesetzt wurde?

– Weißt Du, daß
ein Leben mit geringerem Lebensstandard intensivere Hygieneregeln für
ein Überleben voraussetzt? 

– Kannst Du Dir vorstellen,
daß es fundamentaler lebende Menschen gibt, für die Homosexualität,
Sodomie, Arschpopperei usw. eine Sünde bedeuten?

– Hast Du Dich schon mal
mit Sprachkonzepten und dem, was sie ausdrücken, auseinander gesetzt? 

– Warst Du schon mal in Berührung
mit Kulturen, die anders sind, als Deine gewohnte, um einen  Vergleich
Deiner mit anderen Kulturen und ihren Werten überhaupt möglich
zu machen? 

Wir leben hier in D in einem
Allround Airbag. Das darf man einfach nicht vergessen. Fundamentale Probleme
sind bestimmt auch hier existent, aber kennst Du, lieber RootZ-Leser, diese
Probleme?

Die deutsche Reggaeszene
steht bis zu ihrer festen Etablierung am Anfang eines langen Weges. Den
vibe haben jetzt viele verstanden, Reggae und Dancehall sind echt geil
tanzbare Sounds. Aber ich werde nicht müde, darauf hinzuweisen, daß
diese Musik mehr ist, nämlich eine Kombination von Riddim und Message.
Erst in dieser Zweisamkeit kommt es zum Overstanding von Reggae. 

Und um diese Einheit von
Musik und Text zu erreichen, braucht man die Auseinandersetzung mit der
eigenen Situation genau so, wie das Verstehen der Lebensweise eines Menschen
im Getto von Kingston, New York oder Bombay. Musik zu machen bedeutet für
viele Afrikaner (no matter where they come from) einen Ausweg aus dem Getto.
Was haben die Leute traditionell für Chancen? Armee, Sport oder der
Unterhaltungssektor sind fast die einzigen Bereiche mit Entwicklungspotential.
Und wenn dann die Musiker hingehen und nicht ihrer Karriere willen happy
Lovesongs trällern, sondern Babylon chanten, an moralische Werte erinnern
und Folitricks kommentieren, dann muß man eigentlich zu folgendem
Ergebnis gelangen: nuff respec‘. 

 

 

Hättet ihr lieber so
eine Situation, wie sie hier auf einer Fotomontage zu sehen ist?
(no
worry - it's a fake)

Ich möchte niemandem
Heiligenkranz oder Teufelshörnchen aufsetzen und die Frage nach einer
conscious livity richtet sich nicht nach Hautpigmenten. Die Diskussion
jedoch, die sich an meinem Statement zur Chi Chi Man Marriage entwickelt
hat, schreit nach einem kleinen Diskurs. Für mich ist das Wertesystem
Babylons krank! Und jener pink Move war ein Move in die falsche Richtung.
Jetzt haben homosexuelle Paare mehr Rechte, als eine heterosexuelle „wilde
Ehe“. Das kann nicht richtig sein. Eine Legalisierung aller „exotischen“
Lebensgemeinschaften hätte da bessere Dienste geleistet. 

Toleranz bedeutet bei einem
solchen Reasoning nicht die Übernahme von Handlungen des Babylon System,
sondern die kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen Standpunkten
zu diesen Themen. Batty Boy Marriage kann nicht der richtige Schritt sein,
dabei bleibe ich. Hinzu kommt, was ich schon vermutet habe, daß das
erst ein Anfang war. Jetzt fordert der grüne Oberschwule Volker Beck
das Adoptivrecht für Homos. Ein weiteres Thema, das ich hier gerne
mit Euch diskutiere. 

Jetzt noch ein paar Dinge
in eigener Sache: 

Der Monat Juli 2001 war für
RootZ der bisher erfolgreichste Zeitabschnitt überhaupt.  Diesen
Monat haben sich 15.180 Leser 62.853 Seiten unseres Magazins angesehen.
Das ist fett und ermutigt uns, so weiter zu machen und verwegene neue Pläne
zu schmieden: Wenn alle Zeichen stimmen und die Weichen richtig gestellt
sind, wird es auf der domain www.rootz.tv ab Frühjahr 2001 Reggaefernsehen
im Internet geben. Zu viel will ich noch nicht versprechen, dazu ist alles
noch viel zu vage, aber der Versuch wird gestartet. 

 

Im Juni des Jahres
war ich für drei Wochen auf Urlaub im Süden Frankreichs in einem
kleinen Kaff namens St. Jean de Buèges in den Cevennen nördlich
von Montpellier. Warum ich darüber schreibe, ist, weil es dort Leute
gibt, die sich auf ihre Weise Gedanken machen, wie sie Mutter Erde helfen
und sich gegen Babylon stemmen können. Allerdings ganz ohne Rasta
Knowledge, aber mit durchschlagend positivem Aspekt: Man findet dort ein
Bildungszentrum, in dem man anhand der regionalen Kultur Französisch
lernen kann, wo aber auch andere Kurse, wie Malen, Trommeln und Kochen
angeboten werden. Das ganze ist völlig autonom und basierend auf den
Werten der 68er entstanden. 

Eine weitere Initiative ist
das auf einem Bergrücken der Cevennen gelegene Waldgebiet Ranquas,
welches in aufreibender Arbeit gepflegt, gegen Jäger und Sabotage
verteidigt und vor Feuer und streunendem Vieh geschützt werden muß.
Hinzu kommt der Fight, das Gebiet zum Naturschutzgebiet erkärt zu
bekommen. Ich habe eine Woche an diesem Projekt mitgearbeitet und werde
auch noch einen kleinen Bericht schreiben.  Übrigens kann jede(r)
bei Interesse dort mitarbeiten. Wenn ihr Infos haben wollt, mailt mich
an.



St. Jean de Buèges



Doc Igüz im frz.
Busch



Wildschweine im Ranquas

 



Präsident Mugabe
Schade ist, dass
in meiner zweiten Heimat Simbabwe die Gewalt immer mehr eskaliert. Im nächsten
Jahr sind dort Wahlen und der jetzige Präsident Mugabe versucht, sich
mit allen Mitteln die Macht zu sichern. Es kommt zu erneuten Farmbesetzungen
und Mugabe hat angekündigt, dass er 90 % der in weißen Farmerhänden
befindlichen Ländereien beschlagnahmen lassen will. 

Auf der anderen Seite zeichnet
sich in Simbabwe langsam, aber sicher eine Hungersnot ab, wenn nicht bald
ca. 600.000 Tonnen Getreide – hptsl. Maismehl – importiert werden, für
die aber keine Kohle da ist. Nebenbei: Simbabwe war noch bis vor kurzem
Lebensmittelexporteur und Mugabe gilt als einer der reichsten Männer
in Britannien.  Und der Herr bezeichnet sich selbst übrigens
als strammen Sozialisten. All these isms and schisms.

In Köln öffnet
die Popkomm zum x.ten Mal ihre Pforten zum Messegelände und zu unzähligen
Veranstaltungen in Clubs und diversen Veranstaltungsorten unterschiedlichster
Art. Etwas Reggae ist dieses Jahr auch dabei. Millenium of Dub und Elektro
Zulu Warrior aus Köln, Prefade Listening – Ambient Dub mit Fe Wolter
aus Hannover, zwei Mal Seeed, Manu Chao und die fette World of Reggae Showcase
strait from Yard mit Buccanneer, Sean Paul, Red Rat, Germaican Showcase
und und und. RootZ wird von Manu Chao und der World of Reggae, evtl. auch
von Millenium of Dub und Elektro Zulu Warrior berichten. 

Ein weiterer Meilenstein
auf dem Weg zu einer authentischen deutschen Reggaeszene wird auf der PopKomm
vorgestellt: Ab 24. August wird es wieder ein deutschsprachiges Reggae
und Dancehall Magazin geben. Das Heft nennt sich Riddim und ist im gleichen
Verlag gemacht, wie Juice und Soul. Es kommt mit 92 Seiten Text und einer
10-Track CD. Die RootZ Crew ist  gespannt auf die erste Ausgabe und
wünscht den Machern von Riddim „Happy Earthday“ und viel Erfolg in
der kommenden Zeit. 

 

Natürlich denken wir
von RootZ darüber nach, was das Erscheinen eines Printtitels für
Mags im www bedeutet, ob ihr jetzt alle demnächst nur noch an den
Kiosk rennt und Riddim lest und nicht mehr bei RootZ surfen werdet. Das
glaube ich persönlich allerdings nicht, denn die Vorteile von RootZ
liegen auf der Hand: Wir können aktueller sein und die Info bei uns
kostet nix. RootZ will in dieser Beziehung zu Riddim eh lieber Brücken
bauen, als Mauern hochziehen. Musik können wir zwar noch nicht anbieten,
aber wir sind auf dem Weg dazu, Euch MP3 Dateien schalten zu können.
Und: vielleicht klappt’s ja mit RootZ.tv. Hinzu kommt: wenn es mehrere
Anbieter gibt, profitiert auf jeden Fall eine Gruppe davon: nämlich
ihr, die Leser.  Schreibt uns doch mal, was ihr davon haltet und wie
ihr Euch eine Koexistenz von RootZ und Riddim vorstellt.

Neu Bei RootZ:

 

>> RootZ Thema:
Das englische Reggaelabel Greensleeves Records feiert 25-jähriges
Jubiläum. Grund genug für RootZ die Entwicklung des Labels nochmal
revuepassieren
zu lassen. 

>> RootZ Links:
die Surfplatform ist komplett neu überarbeitet
worden. Über 400 nach Sprachen und Themen sortierte Links ins Reggae-www. 

>> RootZ Aktion:
Wir
wollten ja live berichten - hat nicht geklappt - dank sder Telekom. Jetzt
sind sdie Reports und Bilder da und können hier
angeguckt werden. 

Die
Berichterstattung vom Splash '01 ist abgeschlossen.
Danke an meine Crew: Bee, Nadine, Ralf und Jonas. 

Berichte
von World of Reggae, s.o.m.a.,
Afrika
Festival
, Sizzla, Cocoa T und Vegas, dem
Karneval der Kulturen und der Fête de
la Musique - alles in Berlin

>> RootZ Musik:
Verlosungen vom Saddam Birthday Party / Jailbreak Riddims
Album
, des neuen Degree Albums "Yeah Man"
und des Albums "To Jah Only von Prezident Brown.
Viele neue Besprechungen sind eingetroffen.

Gewinner
vom Drop Top - Di Nipples Riddim

Gewinner
vom Conscious Ragga 3 Album

Gewinner
der neuen CD "Damn Right" von Mr. Vegas

Gewinner
von sechs Manu Chao Tix plus Postern.

Platte
des Monats
: "Acres of Spaces" von Dub Syndicate

Neues Feature
über die V.Ö.s von Jamdown Records.

Weiterers Feature
über den Coffee Grinder Riddim von Top Frankin'.

Kurz-Feature
über die letzetn VÖs von Elektrolux.

>> RootZ Talk:
Exklusiv bei RootZ: Interview mit Benjie, der
uns den Ganja Smoka gegben hat. Ein eMail Interview mit Chris
Maruhn
, dem Macher von Riddim, einem neuen Dancehallmag, das Ende August
erscheinen wird. Gespräche mit Chris Cracknell - Greensleeves, Randy
Chin - VP, Klaus Maack - Summer Jam, Phlatline - Splash, Elephant Man,
Mr. Vegas, Mr. Gentleman, Mark Rae (Rae & Christian), Red Rat, Natty
Flo usw. Und neu dabei: ein Interview mit Macka
B
.

Feel Spaß, Doc Igüz

 

RootZ

Max Böhmer

Maarweg 137

50825 Köln

Fon: 0221 5952325

Fax: 0221 57445480

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Dr. Igüz 1998 - 2001 / V..i.S.d.P.: Max Böhmer

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